Deutschland gegen Schweden

Margret Dotter ist in zwei Ländern zuhause

Margret Dotter ist in zwei Ländern zuhause - Sie  war OB-Kandidatin und Stadträtin

22.06.2018 UPDATE: 23.06.2018 06:00 Uhr 3 Minuten, 20 Sekunden

Margret Dotter feiert gerade Midsommar - in ihrer alten Heimat Schweden. Dieses Foto entstand im Schlosspark von Eichtersheim. Foto: privat

Von Micha Hörnle

Heidelberg. Sie ist, neben Königin Silvia, Heidelbergs bekannteste Schwedin: Margret Dotter. Beide haben sich mehrmals schon getroffen - übrigens immer in Heidelberg. Und ungefähr zur selben Zeit, Anfang der siebziger Jahre, wechselten beide die Länder. 1973 machte sich die blutjunge Margret Karlsson aus der Universitätsstadt Växjö nach Heidelberg auf, um dort Deutsch als Fremdsprache und Biologie zu studieren.

Natürlich eilte Heidelberg der Ruf einer altehrwürdigen Alma Mater voraus, aber der eigentliche Grund war ein anderer: Sie hatte sich in einen Deutschen verliebt, Karl Georg Dotter aus Dieburg, und der sagt gern: "Die Schweden haben sich ihre Königin aus Deutschland geholt, und ich habe mir meine Königin aus Schweden geholt."

Durch den Beruf ihres Mannes - er ist Wasserbauingenieur - kam sie viel herum, in den achtziger Jahren bis nach Südkorea oder den Niger. Die Neunziger waren das Jahrzehnt Dotters: Sie wurde Schwedisch-Dozentin am Zentralen Sprachlabor der Universität und Leiterin von dessen schwedischer Sektion.

1996 gründete sie eine Agentur für interkulturelles Training, die es heute noch gibt. Aber vor allem begann ihr politisches Engagement: Knapp vier Jahre war sie ab 1991 die Vorsitzende des frisch gegründeten Ausländerrates, 1998 setzte sie zu einem neuen Sprung an: Sie kandidierte für das Amt des Oberbürgermeisters - was sie als EU-Bürgerin tun konnte, schließlich war ihr Heimatland 1995 der Staatengemeinschaft beigetreten.

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Beate Weber (SPD) kämpfte um ihre Wiederwahl, als ausgerechnet zwei Frauen - Margret Dotter und die Grüne Dorothea Paschen - in ihren Gefilden wilderten. Dotter sah sich allerdings eher als eine parteiunabhängige Kämpferin, die vor allem "die Fahne Europas hochhalten" wollte, wie sie heute sagt.

An einen Sieg dachte sie nie, im ersten Wahlgang bekam sie 1,1 Prozent der Stimmen; Weber lag mit 47,3 Prozent fast uneinholbar vorn, für sie wurde es erst im zweiten Wahlgang gegen Wolfgang Lachenauer knapp (51,5 zu 48 Prozent). Im Jahr drauf kandidierte die einst Parteilose auf dem Ticket der CDU für den Gemeinderat.

Aber gehört nicht eine "anständige Schwedin" eher in die SPD, waren doch die Sozialdemokraten dort über Jahrzehnte die natürliche Regierungspartei? "Ich hätte auch in der SPD sein können, aber die CDU hat mich eben angesprochen. Vielleicht konnte ich in der CDU mehr ausrichten, weil ich dort das Salz in der Suppe war."

15 Jahre hat es ihr "großen Spaß gemacht, im Rathaus die europäische Perspektive zu vertreten" - und die Geschicke ihrer Wahlheimat mitzugestalten. Denn: "Es ist ja in Deutschland nicht üblich, dass eine Nichtdeutsche im Gemeinderat sitzt." Denn auch nach 45 Jahren in Heidelberg besitzt Dotter nur die schwedische Staatsbürgerschaft: "Das war ja auch nach dem EU-Beitritt nicht mehr nötig, dass ich Deutsche werde." Und vor die Wahl gestellt, hätte sie ihre alte niemals aufgegeben.

Aber mittlerweile ist das egal. Ihre Kinder sind alle schwedische Deutsche und umgekehrt, ihre eine Tochter lebt in Karlsruhe (und ist Lehrerin an der schwedischen Schule), die andere in London, ihr Sohn in Schweden: "Sie zeigen, dass es möglich ist, beide Länder zu lieben."

Und da Dotter auch seit über 20 Jahren Vorsitzende der Deutsch-Schwedischen Gesellschaft Heidelberg ist - Schirmherrin ist natürlich Königin Silvia -, weiß sie, dass es den meisten so geht: "Auch im Ruhestand behalten sie in beiden Ländern ein Standbein."

So geht es Dotter auch: Sie kommt immer noch in ihre alte Heimatstadt Växjö, wo ihre 100 Jahre alte Mutter lebt. Momentan ist sie aber gerade in Helsingborg, direkt am Meer - mit Blick über den Öresund nach Dänemark. Hier wohnt ihr Sohn, der für das schwedische Tochterunternehmen der Wieblinger Firma Teldix arbeitet.

Und auch in der Ferne kommt bei ihr die Kommunalpolitikerin durch: "In Helsingborg tun sie alles, damit die Leute ans Wasser kommen. Die haben eine neue Promenade gebaut - wunderbar! Dass bei uns in Heidelberg ,Stadt an den Fluss’ nicht kam, ist einfach eine Schande."

Auch wenn Dotter von Fußball kaum Ahnung hat, eines weiß sie: Nach der WM kehrt der schwedische Nationalspieler Andreas Granqvist in seinen Heimatclub Helsingborg zurück. Und er steht für eine ganz spezielle Kultur dieses Landes, den Teamgeist: "Wir haben flache Hierarchien und wenige Stars. Hier bestimmt nicht ein Chef wie früher Zlatan Ibrahimovic alles." Als Expertin für interkulturelle Kommunikation kann sie auch sagen, woran dieser Zusammenhalt liegt: "Schweden ist weniger dicht besiedelt als Deutschland, es herrschen extremere klimatische Bedingungen. Man muss alles tun, um hier einen Winter zu überleben: Vor allem muss man sich mit seinen Nachbarn verstehen."

Im Moment ist der Winter völlig vergessen, denn Schweden feiert den Midsommar, das Mittsommerfest. Das ist so etwas wie Weihnachten, Kerwe und Heidelberger Herbst in einem, da trifft sich die ganze Familie um den 24. Juni herum, und da wird in den Nächten, in denen es nicht dunkel wird, gefeiert. Und endlich kann Dotter, mit 66 Jahren nun in Rente, nach Jahrzehnten wieder Midsommar in der Heimat feiern. Mittlerweile gibt es auch in der Region eine lokale Ausgabe des Festes, im Schlosspark von Eichtersheim, wo es sogar einen Midsommar-Baum gibt, den man sich vom deutschen Maibaum abgeschaut hat.

Dotters Loyalität beim heutigen Spiel ist klar: "Schweden! 1:0", ihr Mann ruft dazwischen "2:0 für Deutschland." Ansonsten drehen die Schweden bei einer WM nicht durch: Die Nachbarn in Helsingborg haben die Schwedenfahne gehisst, aber die hängt sowieso immer, Karl Georg Dotter muss sich einen Deutschlandwimpel basteln. Und überhaupt: "Es gibt hier keine Hupkonzerte. Midsommar ist deutlich wichtiger als der Fußball."

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