10 Jahre Emmertsgrund-Entscheid

Wie ein Bürgerentscheid eine Stadt befrieden kann

Aktivisten erinnern sich an die wilde Zeit

12.07.2018 UPDATE: 13.07.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 6 Sekunden
So sahen die Plakate der Gegner des Verkaufs der Wohnungen aus.

Heidelberg. (hö) Ein wenig ist der historische Bürgerentscheid vor genau zehn Jahren aus dem öffentlichen Bewusstsein geraten - denn zwei Jahre drauf folgte ein deutlich heftigerer, als es um die Erweiterung der Stadthalle ging. Und doch bekommen heute Anke Schuster und Roger Schladitz, die als SPD-Stadträte Front gegen den geplanten Verkauf der städtischen Emmertsgrundwohnungen machten, glänzende Augen, wenn sie von damals erzählen. Vor allem Schladitz, der selbst im Stadtteil wohnt: "Das ist großartig, wie damals das Bürgerbegehren aufgenommen wurde. Die Heidelberger fingen an, über den Emmertsgrund zu reden. Die Stimmung war: Egal, wie der Bürgerentscheid ausgeht - wir müssen diesen Stadtteil unterstützen."

Edgar Wunder aus Edingen-Neckarhausen, der dieses Plebiszit hauptsächlich organisiert hatte, sieht vor allem dessen historische Bedeutung: "Heidelberg war damals die erste Großstadt in Baden-Württemberg, die noch keinen Bürgerentscheid hatte."

Und Schuster sieht in dem damaligen Emmertsgrund-Entscheid eine wichtige Weichenstellung für den späteren in Sachen Stadthalle: "Das funktionierte, weil beim ersten Mal die Mobilisierung geklappt hat. Im Grunde begann vor zehn Jahren die Bürgerbeteiligung."

Wunder weist aber darauf hin, dass am 13. Juli 2008 die 25-Prozent-Hürde, das sogenannte Quorum, nicht gerissen wurde: "In allen Städten sind die ersten Bürgerentscheide am Quorum gescheitert, beim zweiten Mal war das schon anders - einmal abgesehen davon, dass bei der Stadthalle der Symbolwert höher war." Alle Drei erinnern sich genau an die Mühen des Anfangs: "Das war ja für uns komplettes Neuland", sagt Schuster, "wir hatten uns wahnsinnig viel vorgenommen - und fragten uns immer: Schaffen wir das überhaupt?"

Sie schafften es - und auch nach 100 Bürgerentscheiden, die er später betreut hat, ist sich Wunder sicher: "Damals haben wir in Heidelberg wenig Fehler gemacht. Wir waren ein gutes Team - und auch der OB hat sich fair verhalten. Alles in allem zählt dieser Bürgerentscheid zu den positiven Beispielen."

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Edgar Wunder, Anke Schuster und Roger Schladitz (v.l.) engagierten sich 2008 für das Bürgerbegehren. Foto: Rothe

Dazu zählen für Wunder auch die Folgen: Die Stadtgesellschaft hat sich deswegen nicht zerlegt: "Ein Bürgerentscheid kann eine befriedende Wirkung haben - wenn das Ergebnis eindeutig ist und alle Akteure es anerkennen."

So findet Schuster, die damals wie heute auch GGH-Aufsichtsrätin war: "Die städtische Wohnungsgesellschaft hat den Entscheid angenommen." Und auch Schladitz meint: "Er hat der GGH ganz und gar nicht geschadet, danach wurde sie erst richtig kreativ im Stadtteil." Für Schuster widersprach die Privatisierung der städtischen Wohnungen "dem Urgeist der GGH", und der Bürgerentscheid habe den Blick dafür geschärft, "was der Auftrag dieses Unternehmens ist". Mittlerweile hat Wunder "Hochachtung vor den anderen Parteien", dass sie gegen den Geist des Entscheids nicht opponierten, Quorum hin oder her.

Überhaupt habe sich "auf dem Berg" die Grundstimmung seither verändert, so Schladitz: Es gibt ein Stadtteilmanagement, das mit vielen Aktionen zu einem stärkeren Zusammengehörigkeitsgefühl geführt hat.

Und Schuster hebt hervor, dass der Emmertsgrund beim Kampf nicht allein dastand - schließlich gab es in allen Stadtteilen gewaltige Mehrheiten gegen den Verkauf (wenn auch bei geringer Wahlbeteiligung).

Und eines sollte man nicht vergessen: Die Privatisierung von Wohnungen war vor gut zehn Jahren ein Zeitphänomen. Knapp zwei Jahre vor Heidelberg stimmten die Freiburger über ein ähnliches Vorhaben ab - allerdings ging es da um die Zukunft des gesamten städtischen Wohnungsunternehmens. Der dortige Bürgerentscheid ging ähnlich aus wie am Neckar: 70,5 Prozent gegen den Verkauf, 29,5 Prozent dafür. Nur war die Beteiligung mit 40 Prozent fast doppelt so hoch.

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