Nutchel Waldcamp L’Alsace

Glamping inmitten der Natur

Wabi-Sabi, Öllampen und eine riesige Ziege schaffen bleibende Erinnerungen an einen Familienurlaub im französischen Glampingdorf Nutchel Alsace:

12.09.2025 UPDATE: 13.09.2025 04:00 Uhr 5 Minuten, 11 Sekunden
Viel Holz – das ist schön und wirkt beruhigend. Für Familien mit Kleinkindern wären Schranktüren aber noch gut. Alle Fotos: Oesterreich

Von Claudia Oesterreich

Viele Familien stehen beim Packen für den Urlaub vor demselben Problem: Was muss wirklich mit? Beim Glamping fällt diese Entscheidung leichter. Man muss nicht den kompletten Haushalt wie beim Camping mitnehmen, die Basics sind vor Ort. Man kann aber auch nicht das fünfte Paar Schuhe einpacken, weil dafür schlicht kein Platz ist.

Das seit 2021 bestehende Glampingdorf Nutchel Alsace, das eine interessante Nische im grünen Tourismus darstellt, bietet seinen Gästen zur Vorbereitung eine digitale Packliste an. Online präsentiert sich Nutchel auf Hochglanz mit hochwertigen Bildern und einer Philosophie, die eine bestimmte Klientel anspricht: Gestresste junge Städter, die sich erden wollen und dafür bereit sind, Geld auszugeben. Die Strategie geht auf, viele wünschen sich heute ein reduziertes Leben im Einklang mit der Natur. Das Konzept trifft also den Nerv der Zeit. Im Frühjahr 2026 wird das dritte Dorf – das zweite des Unternehmens in Frankreich – eröffnet.

Obwohl Nutchel das Internet geschickt zur Vermarktung nutzt, bewirbt es das digitale Entgiften: In den Hütten gibt es kein W-Lan, keine Bildschirme und nur wenige Steckdosen. Man soll sich lieber miteinander und mit der Natur verbinden, statt mit dem Internet. Ein sogenanntes "Mikroabenteuer". Das beginnt vielleicht schon damit, dass das Auto vor dem Gelände abgestellt wird. Per Handkarren transportiert man sein Gepäck vom Parkplatz aus über einen hügeligen Weg, vorbei an üppigem Grün, bis zum eigenen Tiny House, 34 Quadratmeter klein. Aber der Glamour, der Luxus, springt einem sofort ins Auge: Auf der überdachten Veranda steht ein Hot Tub, der wunderbar zum Entspannen einlädt. Zumindest, wenn man die Classic Hot Tub Cabin oder die Sweet Hot Tub Cabin gebucht hat. Andere Hütten haben Dachterrassen oder einen besonders schönen Ausblick. Insgesamt befinden sich 34 auf dem Gelände, für zwei bis sechs Personen.

So hoch wie ein Esel: Die wohl größte Ziege der Welt lebt auf „La ferme du Heydé“ – und lässt sich dort gerne füttern.

Das gesamte Konzept ist durch das japanische Wabi-Sabi inspiriert. Eine Denkweise, die bis ins 12. Jahrhundert zurückreicht und sich auch heute noch in Kunst und Köpfen findet. Wabi meint Einfachheit, keinen Luxus. Sabi steht dafür, dass alles seine Zeit hat; gebrauchte Gegenstände und ältere Menschen tragen die wahre Schönheit in sich. Ein Kontrast zum heutigen Konsum und Perfektionismus. Hier knüpft Nutchel schon beim Bau seiner Dörfer an, man setzt auf Wiederverwertung und Renaturierung. Das heutige Gelände bei Plaine im Elsass war einst ein Ferienzentrum aus den 1970er-Jahren – mittlerweile behutsam zurückgeführt in einen naturnahen Zustand. Für die Renaturierung nutzt die Mitgründerin Clémence Rousseau-Dumarcet nach eigenen Angaben 15 Prozent der Einnahmen.

Auch um das Gelände herum ist alles schön grün; Wälder umgeben die Anlage in den elsässischen Vogesen. In der Hütte hat man durch die gläserne Eingangstür und die große, im Industrie-Stil gehaltene Fensterfront quasi das Gefühl, draußen im Freien zu sein. Das wirkt beruhigend nach dem Poolgang. Für die Saunagänger hat er eine angenehm erfrischende Temperatur – kleinen Kindern ist er eindeutig zu kalt. Der fehlende Schatten kompensiert das leider nicht.

Die kleinen Baumhäuser stehen auf Stelzen ohne festes Fundament, um einfach wieder abgebaut werden zu können, ohne die Natur zu belasten. Das sorgt aber auch dafür, dass das Häuschen bei jedem Schritt mitschwingt – was bei drei hüpfenden Kindern zum Spaß aller sogar das Wasser aus dem Geschirreimer schwappen lässt. Geschlafen wird in stabilen Stockbetten, die sich über drei Etagen ziehen. Sie vermitteln kein Hostel-Gefühl, sondern sind stilvoll verschachtelt und wirklich bequem, zum Toben für die Kids einsame Spitze.

Wenn die Kinder am Abend schlafen, kann man es sich in der Hütte auch romantisch machen: Man entzündet die Kerzen, das Feuer im Ofen und betrachtet die Sterne. "Echte" Lampen sind nicht vorhanden, dafür kann man sich mit Lichterketten behelfen. Gekocht wird mit Gas, ebenso wird der Weber-Grill auf der Veranda betrieben. Den einzigen Heizkörper findet man im Bad. Auch hier ist das Leitmotiv Holz, selbst der Boden der Dusche besteht aus Brettern. Aber zurück zum romantischen Abend: Wer noch schnell eine Flasche Wein oder etwas Süßes besorgen möchte, kann das im Honesty Shop im Hauptgebäude tun.

Am Abend ist der Ofen romantisch, am noch kalten Morgen mit Kleinkindern muss man aber aufpassen. Das wackelige Gitter, das man um den Ofen stellen kann, bietet für neugierige Entdecker keine wirkliche Barriere. Insgesamt dürfte das Thema Kleinkind-Sicherheit noch stärker berücksichtigt werden, besonders da Nutchel mit seiner Kinderfreundlichkeit wirbt. Große, scharfe Messer und Gläser haben nichts in einem offenen, auf Kinderhöhe befindlichen Regal zu suchen. Ebenso wie giftige Beerensträucher rund um die Hütten, deren Früchte Johannisbeeren zum Verwechseln ähnlichsehen.

Wohlig-warmer Badespaß für Groß und Klein.

Im Dörfchen Plaine, an dessen Rand das Feriendomizil liegt, gibt es nette Restaurants. Wer selbst kochen oder grillen möchte, findet im Nachbarort Saint-Blaise-la-Roche – sieben Autominuten entfernt – den nächsten Supermarkt. Dort sollte man sich Salz, Pfeffer, Öl und Handseife besorgen, da diese im Baumhaus nicht vorhanden sind. Lebensmittel, die gekühlt werden müssen, kommen in der Hütte in eine Kühlbox. Das funktioniert gut, neue Kühlakkus kann man sich jederzeit an Sammelstellen holen, genauso wie das Feuerholz.

Alternativ, oder zusätzlich zur Selbstversorgung, kann man sich Frühstücks- und Grillkörbe (auch vegetarisch) bestellen, die mit regionalen Produkten bestückt sind. Ob mit oder ohne Fleisch, für Kinder kostet das 15, für Erwachsene 29 Euro. Frühstück gibt’s für neun beziehungsweise 15 Euro. Kaffeeliebhaber kommen wirklich auf ihre Kosten, sofern sie ihn mit einer echten italienischen Bialetti aufbrühen können.

Möchte man noch tiefer in das Grün eintauchen, bietet sich ein Spaziergang in den nahe liegenden Wäldern an. Dort kann man mit den Kindern Häuser für Feen bauen, Dutzende von den Besuchern fantasievoll gestaltete Behausungen gibt es zu entdecken. Bastelmaterialien gibt’s kostenlos im Haupthaus. Neben einem Weg mit versteckten Zwergen – Achtung, die können auch gut klettern –, gibt es einen Spielplatz, der für ältere Kinder geeignet ist.

Nur wenige Autominuten entfernt befindet sich "La ferme du Heydé", ein kleiner Hof samt schönem Streichelzoo. Hier leben viele verschiedene Tiere, unter anderem ein Esel, Schweine, Hühner, Schafe, Hasen, Enten und riesige Hunde, die erstaunlich gut miteinander auskommen. Wer schon immer einmal die bestimmt größte Ziege der Welt bestaunen wollte, ist hier genau richtig. Außerdem ein Muss für Familien ist die Mini-Eisenbahn "Le Tortillard" in Plaine. Ehrenamtliche schaffen hier eine herzliche Atmosphäre an einem wunderschönen Ort. Auch Picknicktische stehen zur Verfügung, allerdings nur wenig Parkplätze.

Der Affenberg "La Montagne des Singes" in Kintzheim – 40 Minuten mit dem Auto entfernt – ist für einen Ausflug mit Kindern ebenfalls zu empfehlen. Dort laufen die Affen frei herum, die man bei den Fütterungen beobachten kann und die ihre Babys auf dem Rücken tragen. Zudem gibt es dort Spielplätze, die die Kinder selbst zu Äffchen werden lassen.

Wer also Lust auf einen ruhigen, naturverbundenen Urlaub hat, sich mit dem Anzünden von Öllampen und Holzfeuern auskennt (oder auskennen möchte), ist bei Nutchel Alsace genau richtig. Dem Leitgedanken Wabi-Sabi macht das Dörfchen alle Ehre. Es ist nicht immer perfekt und man muss schon etwas tun, bevor man genießen und sich entspannen kann. Doch gerade das macht den Urlaub im Tiny House zu einem schönen, erinnerungsträchtigen Erlebnis. Familien finden hier intensivere, unabgelenkte, gemeinsame Zeit. Dann schafft man es auch, ein bisschen Wabi-Sabi mit nach Hause zu nehmen und im Alltagsstress das Abräumen des Abendbrotes mal auf den nächsten Morgen zu verschieben.


Infos: 

Anreise: Von Heidelberg aus über die A 5 braucht man etwas mehr als zwei Stunden bis zum Nutchel Alsace bei Plaine.

Unterkunft: Die Cosy Cabins gibt es in verschiedenen Ausführungen, für zwei bis sechs Personen. Eine Nacht kostet je nach Saison und Ausstattung zwischen 162 und 266 Euro.

Essen und Trinken: Im Elsass gibt es eine riesige Auswahl. Aber etwas Leckers vom Grill mit einer guten Flasche lokalem Wein ist am gemütlichsten.

Unternehmen: Für Spaziergänge im Wald rund um die Anlage kann das Auto stehenbleiben.

Der Streichelzoo "La ferme du Heydé" liegt nur wenige Autominuten entfernt:

https://la-ferme-du-heyde.jimdosite.com 

Auch zur Mini-Eisenbahn "Le Tortillard" in Plaine ist es nicht weit: www.letortillard.fr 

Zum Affenberg in Kintzheim fährt man rund 40 Minuten: www.montagnedessinges.com 

Und wer sich doch nach einer Stadt sehnt, ist in rund einer Stunde in Straßburg.

Weitere Infos: https://de.nutchel.be/ 

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