Blick auf den Stuttgarter Flughafen: Die Nachfrage für innerdeutsche Flüge geht zumindest seit November zurück. Foto: dpa
Von Michael Brehme
Stuttgart/Baden-Baden. Angesichts der Klima-Debatte stehen Airlines und Flughäfen unter öffentlichem Druck wie nie – und dennoch wird auch in Baden-Württemberg munter weiter geflogen: Der Stuttgarter Airport knackt dieses Jahr erstmals in seiner Geschichte die Marke von zwölf Millionen Fluggästen, wie Flughafenchef Walter Schoefer ankündigte. Man kalkuliere bis Jahresende mit etwa 12,6 bis 12,7 Millionen Passagieren. 2018 waren 11,8 Millionen Menschen in Stuttgart abgeflogen oder gelandet.
Auch der Flughafen Karlsruhe/Baden-Baden wird eigenen Angaben zufolge dieses Jahr einen historischen Bestwert aufstellen – die Verantwortlichen rechnen mit mehr als 1,3 Millionen Fluggästen bis zum Jahresende, nachdem es im Vorjahr 1,26 Millionen gewesen waren. Der Bodensee-Airport Friedrichshafen erwartet hingegen vor allem wegen der Insolvenz der Fluggesellschaft Germania Anfang des Jahres einen Rückgang bei der Zahl seiner Passagiere. Man gehe von 500.000 Fluggästen aus – etwa 40.000 weniger als 2018.
Das deutliche Plus bei den Passagierzahlen der Airports in Stuttgart und Baden-Baden fällt mitten in eine Zeit, in der die Fliegerei mehr denn je in der Kritik steht. Fliegen ist die klimaschädlichste Art zu reisen – vor allem Inlandsflüge werden von Aktivisten als Klimasünde bezeichnet. Die Klimabewegung Fridays for Future erregt öffentlich jede Menge Aufmerksamkeit und erhöht so den Druck auf die gesamte Branche.
Auch die Bundesregierung hat auf die zugespitzte Klima-Debatte reagiert und unter anderem die Steuern auf Flugtickets zum April 2020 erhöht. Die Luftverkehrsteuer für Flüge im Inland und in EU-Staaten wird um mehr als 5 Euro auf 13,03 Euro pro Ticket, für längere Flüge bis 6000 Kilometer um knapp 10 Euro auf 33,01 Euro angehoben.
Das wiederum hat auch Auswirkungen auf die Geschäfte der Flughäfen. Flughafen-Co-Chefin Arina Freitag sagte: "Wir erleben durchaus, dass unsere Passagiere preisbewusst sind." Die Steuererhöhungen würden die Geschäfte "schon ein bisschen beeinflussen". Dennoch erwarte sie auch für 2020 unter dem Strich einen Gewinn, wenngleich dieser deutlich geringer als 2019 ausfallen werde. Zahlen nannte sie nicht.
Schoefer wies darauf hin, dass die Luftfahrtbranche bereits einige Maßnahmen in Sachen Klimaschutz ergriffen habe. Er hoffe darauf, dass das in der öffentlichen Diskussion anerkannt werde. Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne), der auch dem Flughafen-Aufsichtsrat vorsitzt, hatte sich zuletzt indes für eine Einschränkung von Kurzstreckenflügen ab Stuttgart eingesetzt: "Wenn wir die Klimaschutzziele erreichen wollen, wird es aus meiner Sicht als Verkehrsminister nicht möglich sein, dass wir jede Annehmlichkeit, die wir uns leisten und dabei das Klima ruinieren, aufrechterhalten."
Um die wachsende Zahl von Autos vor dem Airport zu reduzieren, sollen Passagieren, die in der Landeshauptstadt landen, kommendes Jahr im Rahmen eines mehrmonatigen Tests kostenlose Tickets für den öffentlichen Nahverkehr angeboten werden. Die Fluggäste sollen sich an speziellen Fahrkartenautomaten direkt bei der Gepäckausgabe Gratis-Tickets ziehen können. Diese sollten namentlich gebunden, zwei Stunden gültig und im gesamten VVS-Netz nutzbar sein.
Auffällig übrigens trotz aller Meldungen über wachsende Passagierzahlen: Im November brachen die Buchungen für Flüge von Stuttgart in andere deutsche Großstädte im Vorjahresvergleich regelrecht ein – in jeweils zweistelliger Prozenthöhe. Der Grund: offen. Vielleicht ein erstes Indiz für eine sich allmählich ausbreitende Flugscham auch im Schwabenland?