SPD-Chef und Spitzenkandidat Andreas Stoch.
Von Henning Otte
Stuttgart. Fast neidisch schauen baden-württembergische Christdemokraten dieser Tage nach Berlin. Die Union ist in manchen Umfragen mitten in der Corona-Krise fast doppelt so stark wie die Grünen. Davon kann die einst so stolze Südwest-CDU nur träumen. In Stuttgart muss die CDU aufpassen, auf Augenhöhe mit den Grünen um Ministerpräsident Winfried Kretschmann zu bleiben.
Eine erneute Wahlpleite und eine Verbannung auf die Oppositionsbänke: So unrealistisch ist das nicht. Zwar lässt sich Kretschmann nicht so recht in die Karten schauen. Der 72 Jahre alte Grüne will sich alle Optionen offenhalten. Aber seine jüngste Äußerung zur grün-schwarzen Koalition ließ schon aufhorchen: "Große Koalitionen haben auch Nachteile", sagte er. Große Koalition heißt im Südwesten: Grüne und CDU.
Sollten die Grünen am 14. März tatsächlich wieder als erste durchs Ziel gehen, könnten sie nach der jüngsten Umfrage zusammen mit SPD und FDP regieren. Das wäre 2016 theoretisch auch schon möglich gewesen, doch damals hatte der FDP-Spitzenkandidat Hans-Ulrich Rülke schon im Wahlkampf abgewunken. "Kretschmann hat mich damals gefragt, ob ich nicht davon runterkäme. Den Grünen wäre damals schon die Ampel lieber gewesen als Grün-Schwarz", meint Rülke. Nun, fünf Jahre später, geht es dem FDP-Mann auch so: Ihm wäre eine Ampel lieber als fünf weitere Jahre in der Opposition.
Rülke sagt zwar pflichtschuldig, eine Zusammenarbeit mit der CDU wäre der FDP am liebsten, schiebt jedoch gleich nach: "Wir sind aber keine Utopisten." Die schwarz-gelbe Ära scheint mit dem Ende der Regierung von Stefan Mappus 2011 auf Dauer vorbei zu sein. Eine Variante für Rülke wäre noch eine Deutschlandkoalition mit CDU und SPD. Doch hier steht die SPD-Basis wohl dagegen. Und so setzt der Liberale auf die bisher abgelehnte Regierungsperspektive: "Eine Ampel könnte eine umweltfreundliche Verkehrswende vorantreiben, bei der die Arbeitsplätze erhalten bleiben."
Und er weiß, dass er SPD-Landeschef Andreas Stoch an seiner Seite hat. Zwar träumt der noch von einer Neuauflage von Grün-Rot (2011 bis 2016), doch das sieht zahlenmäßig nicht so gut aus. "Wenn es für Grün-Rot nicht reicht, wäre auch eine Ampel-Koalition eine realistische Option", sagte Stoch der dpa in Stuttgart. "Ich sehe größere Schnittmengen bei einer Ampel als bei Grün-Schwarz." Es ist so etwas wie sein letzter Strohhalm, denn: Die SPD sackt immer weiter und liegt bei nur noch 10 Prozent.
Es sieht also so aus, als müsste Kretschmann nur noch zugreifen. Aber ist ein solches Dreier-Bündnis wirklich leichter zu führen als Grün-Schwarz? Da gibt es auf grüner Seite zumindest Zweifel.
FDP-Spitzenkandidat Hans-Ulrich Rülke. Fotos: dpa