Nur mit eigenständigem Informatik- oder Medienunterricht könnten Schüler fundierte Grundkenntnisse vermittelt bekommen, meint Lehrer Steffen Haschler. Foto: dpa
Von Sören S. Sgries
Heidelberg. Steffen Haschler (35) ist Gymnasiallehrer für Informatik, Mathematik und Physik in Heidelberg. Außerdem engagiert er sich beim Chaos Computer Club mit dem Projekt "Chaos macht Schule", das Schüler, Eltern und Lehrer in Medienkompetenz und Technikverständnis stärken soll.
Steffen Haschler. Foto: privat
Politisch wird gerade die Zukunft des Informatikunterrichts diskutiert. Wie sieht denn der aktuelle Stand in der Praxis aus?
Als Gymnasiallehrer in Baden-Württemberg sage ich überspitzt: Wir können alles - außer IT. Denn Informatik spielt eine Nebenrolle. In der Unterstufe gibt es im Rahmen der "informationstechnischen Grundbildung" einige Schulstunden, in denen die Schüler unter anderem "den Umgang mit informationstechnischen Werkzeugen" lernen. In der Mittelstufe kommen dann immerhin einige Schüler im Wahlfach "Naturwissenschaft und Technik" mit einer Programmiersprache in Berührung. Aber eben nicht alle. Und in der Kursstufe ist Informatik wieder Wahlfach.
Ist die geplante Eingliederung der bisherigen Unterrichtsinhalte in einen Komplex "Medienbildung" dann nicht ein Fortschritt?
Ich sehe das ambivalent. Auf den ersten Blick ist es eine gute Sache. Medienbildung - also unter anderem die Art, wie man eine Zeitung liest, wie man im Internet recherchiert oder wie man einen Clip produziert - gehört in alle Fächer, das ist richtig. Wichtig ist aber auch, dass informationstechnische Grundkenntnisse vermittelt werden. Die kommen mir zu kurz und ich sehe nicht, dass es mit dem neuen Bildungsplan besser wird. Die Medienbildung sollte ein eigenes Fach werden.
Lernen Schüler nicht von allein den Umgang mit Tablet, PC, Smartphone?
Ich halte die heutigen Jugendlichen nicht für medienkompetenter als die älteren Generationen. Die Jüngeren haben keine Angst vor der Technik, was gut ist, aber sie machen sich wenig Gedanken über ihr Handeln im digitalen Raum und dessen Auswirkungen, genauso wie die meisten Erwachsenen. Um sich damit auseinandersetzen zu können, fehlt die nötige Zeit. Wir Lehrer sollten diese unseren Schülern einräumen.
Was müssen Sie also weitergeben?
Wir brauchen zwei Dinge: Zum einen müssen wir ein gewisses Handwerkszeug vermitteln, damit Jugendliche einschätzen können, wie sich Gesellschaft entwickelt. Zum Beispiel, was Vorratsdatenspeicherung eigentlich bedeutet. Dieses Wissen kommt nicht von allein. Und dann sollten wir unbedingt saubere Grundkenntnisse im Umgang mit Computern vermitteln.
Also nicht nur Theoriewissen, sondern auch mal ein Programm schreiben?
Ja. Schülern sollten mit dem Programmieren mindestens in Berührung kommen, damit sie sich bewusster entscheiden können, ob sie das interessiert. So wie es jetzt läuft, ist es totaler Zufall, wenn sich ein Schüler damit beschäftigt. Oder er wählt erst in der Kursstufe Informatik - was sehr spät ist.
Gibt es an den Schulen ausreichende Lehr-Kompetenz?
Wichtig ist die Aufteilung. Ein Deutsch- oder Geschichtslehrer sollte etwas zur Quellenkunde beibringen können, auch zu gesellschaftlichen Fragen in Bezug auf Medien. Da wissen sie deutlich mehr als ich als "Techniker". Im Matheunterricht kann man dafür ein kleines Programm schreiben, um eine mathematische Formel zu lösen. Wenn man die Kompetenzen geschickt aufteilt, könnte das Know-how reichen. Wichtig ist aber, dass es Zeit für nötige Fortbildungen und auch entsprechende Angebote gibt. Sonst steht und fällt das neue Konzept mit dem persönlichen Engagement Einzelner. Nochmal: Besser wäre es, wenn die Medienbildung ein eigenes Fach wird. Dadurch werden zum einen Kollegen entlastet und zum anderen kann man wirkliche Fachkräfte einsetzen.