Tot im Gefängnis: Justizminister muss vor Ausschuss

Justizminister Stickelberger muss sich nach Gefangenen-Hungertod vor Ausschuss verteidigen - CDU erwägt parlamentarische Untersuchung

01.05.2015 UPDATE: 02.05.2015 06:00 Uhr 1 Minute, 42 Sekunden

Im Dezember überstand Stickelberger einen Entlassungsantrag im Landtag. Jetzt droht ein Untersuchungsausschuss. Foto: dpa

Von Bettina Wieselmann, RNZ Stuttgart

Stuttgart. Justizminister Rainer Stickelberger (SPD) musste sich auf Antrag der CDU-Fraktion am Donnerstag erneut im Ständigen Ausschuss zum Fall des im vergangenen August in der Bruchsaler Justizvollzugsanstalt (JVA) verhungerten Häftlings äußern. Anlass für die nichtöffentliche Sondersitzung war für die CDU das kürzlich im Ergebnis bekannt gewordene Gutachten zum fraktionsübergreifend bedauerten Tod von Rasmane K.

Wie berichtet, war der Sachverständige, der von der Staatsanwaltschaft Karlsruhe beauftragt worden war, zu einem klaren Urteil gekommen: Der Tod des zeitweise ohne Genehmigung in Einzelhaft sitzenden Häftlings hätte "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" durch eine notfalls zwangsweise Gabe von Psychopharmaka verhindert werden können. Ob es eine strafrechtliche Verantwortlichkeit auf Seiten des inzwischen suspendierten JVA-Leiters und der abberufenen Anstaltsärztin gibt, ermittelt die Staatsanwaltschaft noch.

Der Ausschussvorsitzende Stefan Scheffold (CDU) bedauerte im Anschluss vor der Presse, "dass uns eine vollständige Bewertung" des Gesamtsachverhalts "leider" immer noch nicht möglich sei. So habe sich Stickelberger unter Berufung auf die staatsanwaltlichen Ermittlungen außerstande gesehen, detailliert auf das Gutachten einzugehen.

Sein Kollege Bernhard Lasotta sagte, die CDU-Fraktion, die im letzten Dezember mit einem Entlassungsantrag im Landtag gescheitert war, sehe sich durch das Gutachten-Ergebnis bestätigt. In der Frage der politischen Verantwortlichkeit sei man "noch nicht weitergekommen." Allerdings zeigten schon die Reaktionen Stickelbergers, "die von uns nicht kritisiert werden", dass Fehler gemacht worden seien. Um die Verantwortlichkeiten im Justizministerium vollständig aufzuklären, schloss Lasotta einen Untersuchungsausschuss nicht aus.

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Der rechtspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, der frühere Justizminister Ulrich Goll, sagte: "Am Ende wird sich die Frage nach der politischen Verantwortung nochmal stellen." Ein Minister müsse wissen, was in seinem Haus passiere. "Dass ich neun Tage von dem Tod nichts erfahren hätte, halte ich für ausgeschlossen."

Für den Sprecher der SPD-Fraktion, Sascha Binder, hat die Sondersitzung "keine neuen Erkenntnisse" gebracht. Stickelbergers Erklärungen hätten nochmals deutlich gemacht, dass das Justizministerium "maximale Transparenz" in der Aufklärung des Falles zeige. Einschränkungen seien allein in den derzeitigen staatsanwaltlichen Ermittlungen begründet. Mit Blick auf die personellen und organisatorischen Konsequenzen, die der Justizminister nach dem Tod des Häftlings gezogen habe, sagte Binder: "Wir gehen davon aus, dass politische Verantwortung entschieden wahrgenommen wurde."

Für die Fraktion der Grünen erklärte auch Uli Sckerl: "Stickelberger handelt für uns verantwortlich." Der Minister habe "mit großer Glaubwürdigkeit" dargelegt, dass er bis zum Tod selbst keine Kenntnis von dem Fall gehabt habe.

Gegenüber den Medien sagte Stickelberger, dass die gesundheitliche Beurteilung eines Gefangenen primär den Ärzten vor Ort obliege: "Das Justizministerium kann keine Ferndiagnose stellen." Wie im Ausschuss berichtete der Minister, dass es inzwischen "eine enorme Kontrolldichte" gebe. Die Aufsichts- und Berichtskultur sei verändert worden. Auch würden jede Woche "schwierige Fälle" im Ministerium diskutiert.

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