Selbstmord in der JVA Mannheim: "Jeder Tote ist einer zu viel"
In der JVA Mannheim hat sich ein 23-jähriger Untersuchungshäftling erhängt - Es ist der dritte Todesfall im Land innerhalb kurzer Zeit

Hochsicherheitstrakt: Die JVA in Mannheim ist mit rund 900 Plätzen die größte Haftanstalt in Baden-Württemberg. Foto: Gerold
Von Julie Dutkowski
Mannheim. Wie erst jetzt bekannt wurde, hat sich vergangenen Samstag ein 23-jähriger Untersuchungshäftling in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Mannheim das Leben genommen. Der junge Mann habe sich erhängt, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Mannheim gestern auf RNZ-Nachfrage. Am frühen Morgen gegen 7.15 Uhr fanden die JVA-Bediensteten den Häftling in seiner Zelle. Er habe einen Abschiedsbrief hinterlassen, teilte eine Sprecherin des Landesjustizministeriums mit.
Die Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen übernommen. Laut Behördensprecher Oskar Gattner ist die Obduktion bereits abgeschlossen. Demnach gebe es keine Hinweise auf Gewalteinwirkung durch eine dritte Person. Ein toxikologisches Gutachten wird erst in etwa drei Wochen erwartet.
"Das geht nicht spurlos an einem vorbei", zeigte sich Anstaltsleiter Thomas Weber gegenüber der RNZ betroffen. "Jeder Tote ist einer zu viel." Auch Kollegen und Mitgefangene fragten, ob sie etwas hätten ahnen können. Doch Anzeichen habe es keine gegeben. "Wir haben versucht, ihn und seine Lage einzuschätzen, aber es gab weder ein sichtbares Motiv noch einen Anhaltspunkt", erklärte Weber. Der junge Mann war zuvor vom Anstaltsarzt und einem Psychologen untersucht worden. Kurz vor dem Suizid habe der 23-Jährige noch einmal Kontakt zu JVA-Mitarbeitern gehabt. "Der Suizid war aus unserer Sicht nicht zu verhindern", so der Anstaltsleiter. "Wir haben nichts falsch gemacht und im Rahmen unserer Möglichkeiten gehandelt."
Seit Anfang März befand sich der 23-Jährige aufgrund eines Haftbefehls des Amtsgerichts Mannheim wegen des Verdachts der räuberischen Erpressung in Untersuchungshaft. Zuerst sei er in eine Doppelzelle zusammen mit einem anderen Häftling gekommen. Das sei eine übliche Schutzmaßnahme, um Suizide im Gefängnis zu vermeiden, erklärte Weber. Erst nachdem sich der Häftling unauffällig gezeigt habe, sei er in eine Einzelzelle verlegt worden.
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"Die Untersuchungshaft ist für jeden Menschen eine Ausnahmesituation", erklärte die Ministeriumssprecherin. "Es gibt immer noch zu viele Suizide in Haftanstalten. Das lässt sich aber nie ganz vermeiden." Man sei hier in der Bredouille und könne einen Gefangenen nicht rund um die Uhr überwachen, sonst verletze man, wie im Fall von Thomas Middelhoff, die Persönlichkeitsrechte. Der ehemalige Spitzenmanager war im Dezember 2014 in seiner Zelle über einen Zeitraum von 28 Tagen in 15-minütigen Abständen kontrolliert worden, weil angeblich bei ihm Suizidgefahr bestand. Fortbildungen sollen das JVA-Personal sensibilisieren und dazu beitragen, Suizidgefahr früher zu erkennen. "Das Personal wird deshalb seit Jahren auf diese Grenzsituation vorbereitet."
Auch Weber spricht von einer Extremsituation. "Wenn einer neu reinkommt, sind erst einmal seine sozialen Bindungen weg, er ist aus seinem Leben herausgerissen. Das ist uns bewusst." Man versuche daher, die Lebensverhältnisse in der JVA denen "draußen" so gut wie möglich anzupassen. Weber nannte den Tod des 23-Jährigen einen beklagenswerten Einzelfall. Dennoch häufen sich Meldungen über Suizide in baden-württembergischen Gefängnissen.
Im September 2014 war ein 17-jähriger Häftling im Gefängnis Adelsheim an einer Plastiktüte erstickt. Nach einem Gutachten geht die Staatsanwaltschaft Mosbach von einem Suizid oder einem Unfall aus. In Bruchsal verhungerte vergangenen Sommer ein 33-jähriger Häftling. Nur dank einer anonymen Anzeige wurde der Fall bekannt. Seit ein Gutachten ergeben hat, dass sein Tod "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hätte verhindert werden können", steht Justizminister Rainer Stickelberger (SPD) in der Kritik.