Für die Bildungsplattform "Ella" muss ein Plan B her
Ob die Entwickler noch eine Chance bekommen, ist offen - Die Konkurrenz bringt sich schon in Stellung

Aus dem SAP-Umfeld stammten die ursprünglichen Entwickler von "Ella". Nun will der Walldorfer Branchenriese selbst das Projekt retten. Foto: dpa
Von Axel Habermehl, RNZ Stuttgart
Stuttgart/Walldorf. Noch liegt die Zukunft des in Turbulenzen geratenen Digitalprojekts "Ella" im Dunkeln. Klarer wird sie frühestens in zwei Wochen. So lange hat Iteos, der IT-Dienstleister des Landes und seiner Kommunen, noch Zeit für Verhandlungen mit der US-Softwarefirma Veritas. Das Verhandlungsergebnis prüfen die Auftraggeber: Kultusministerin Susanne Eisenmann und Innenminister Thomas Strobl. Die beiden CDU-Politiker entscheiden dann, ob "Ella", die "Elektronische Lehr- und Lernassistenz", weitergeführt oder gestoppt wird.
Veritas hat Anfang 2018 den Walldorfer Datenbankspezialisten fluidOps übernommen. Dieser war der wichtigste Subunternehmer bei der Entwicklung der Bildungsplattform, mit der Lehrer und Schüler im ganzen Land miteinander kommunizieren und Materialien miteinander teilen können sollen. Doch das Projekt ist auf massive Probleme gestoßen. Ein Gutachten ergab im Juni: So ist "Ella" derzeit nicht einzusetzen. Nun soll die US-Mutter nachbessern.
Aus den Gesprächen dringen keine harten Informationen nach außen. Iteos reagiert nicht auf Anfrage, Veritas hält sich bedeckt, auch das Land hält die Füße still: Man warte die Verhandlungen ab, teilt das Kultusministerium mit.
Der Schwetzinger SPD-Abgeordnete Daniel Born fordert: "Bei der Frage, wie es mit ,Ella‘ weitergeht, dürfen wir uns auf keinen faulen Kompromiss einlassen. Es darf nicht darum gehen, dass die beteiligten Minister Eisenmann und Strobl nach ihrer mangelhaften Projektsteuerung nun ihr Gesicht wahren." Schließlich habe das Land 8,7 Millionen Euro gezahlt, und bislang habe keine Schule einen Nutzen. Born findet: "Ein Plan B darf nicht bedeuten, dass über diese verantwortungslos verpulverten Steuergelder nicht mehr gesprochen wird."
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Hat das Land überhaupt einen "Plan B"? Offiziell nicht. Doch die IT-Konkurrenz bringt sich in Stellung. Auf eine Anfrage der SPD antwortet Eisenmann, "verschiedene Unternehmen" hätten das Ministerium in Sachen Ella kontaktiert, allerdings "ohne dass dies zu weiteren Gesprächen geführt hätte".
Das mit zuständige Innenministerium hält sich weniger zurück. Dort fand im Juni ein Gespräch mit SAP statt. "Es handelte sich um einen Meinungsaustausch des Ministers, der aus unserem Haus zusammen mit dem Amtschef, dem CIO und Mitarbeitern des Innenministeriums geführt wurde", sagt ein Sprecher Strobls. Es sei "explizit und vertieft" um Ella gegangen.
Der Name SAP fiel im "Ella"-Komplex immer wieder mal. Hartnäckig hält sich das Gerücht, Europas größter Softwarehersteller habe schon vor Jahren angeboten, eine solche Plattform zu entwickeln - gratis, als Prestigeprojekt. Digitalisierung der Schulen gilt als lukrativer Zukunftsmarkt.
Ob es das Angebot gab, ist unklar. Ein Sprecher von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagte im Juni, dieses sei im Staatsministerium "nicht bekannt". Ein SAP-Sprecher bat schriftlich um "Verständnis, dass wir uns zu diesem Thema nicht äußern wollen". Neue Fragen zum Treffen im Ministerium bleiben unbeantwortet.
Doch offenbar haben die Walldorfer Interesse. Zum Treffen im Juni brachten sie ein Papier mit, es liegt dieser Zeitung vor. Unter dem Titel "Cloud4School - SAP Perspektive" beschäftigt es sich mit "Ella" - vernichtend: "Wir haben nicht den Eindruck, dass diese Plattform aus Sicht von Lehrern und Schülern entwickelt wurde, sondern eher aus technischer Sicht", heißt es da.
Die Autoren kritisieren etliche Details, acht Seiten Analyse münden in dem Urteil: "Insgesamt scheinen sich die Dienstleister hier übernommen zu haben." Es folgt auch eine "Handlungsempfehlung": SAP schlägt einen "konzeptionellen Neustart" vor - und bringt sich selbst ins Gespräch: "Bei Bedarf bieten wir gerne an, eine solche Machbarkeitsstudie inkl. eines Umsetzungsplans zu erstellen."
Selbstbewusste Ansagen, ein großer Name, noch dazu wieder eine Firma aus dem Ländle: Nach all dem Ärger mit "Ella", nach all den nachträglich auftauchenden Subunternehmern, den Zweifeln an technischen wie unternehmerischen Fähigkeiten aller Beteiligten, klingt das für viele Politiker verlockend.
Doch aus dem Landtag verlautet auch Skepsis: Gegen Pannen sei selbst der Branchenriese nicht gefeit. Schließlich habe Lidl sein neues Datensystem "Elwis" gestoppt. 500 Millionen Euro sollen bereits geflossen sein. Der Entwickler: SAP.



