Digital-Festival in der Halle 02

"Heidelberg ist digitale Avantgarde"

Innenminister Thomas Strobl im Interview über das Festival, die Zukunft der Schulbildung und die Maßnahmen der Landesregierung

03.07.2018 UPDATE: 04.07.2018 06:00 Uhr 4 Minuten, 5 Sekunden

Schüler lernen mit den Tablet. Wenn es nach Thomas Strobl geht, soll das in Baden-Württemberg zur Regel werden. Foto: thinkstock

Von Sören S. Sgries

Heidelberg/Stuttgart. CDU-Politiker Thomas Strobl (58) ist stellvertretender Ministerpräsident und Minister für Inneres, Digitalisierung und Migration.

Herr Strobl, beim "Festival für digitale Bildung" ist das halbe Landeskabinett anwesend, zahlreiche Diskussionen werden geboten. Dabei sieht die Realität doch eher nach Pleiten, Pech und Pannen aus - Stichwort "Ella", die digitale Bildungsplattform mit Startschwierigkeiten. Veranstalten Sie ein Ablenkungsfestival?

Thomas Strobl fordert eine neue Lernkultur in den Schulen. Foto: joe

Nein. Zum einen ist die Diagnose falsch. Zum anderen haben wir das Bildungsfestival seit langem geplant. Wir werfen damit ein Schlaglicht auf ein ganz zentrales Zukunftsthema. Die Bildung ist entscheidend für persönliche Lebenschancen von jungen Menschen. Die Digitalisierung verändert aber auch hier die Welt. Zwei von drei Schülern werden künftig in Berufen arbeiten, die wir heute noch gar nicht kennen. Damit wollen wir uns bei diesem Bildungsfestival auseinandersetzen. Sind wir für diese Herausforderungen gut gerüstet? Wie werden digitale Lerntechnologien eingesetzt? Und wie kann Digitalisierung die Bildungschancen verbessern?

Die sieben Stunden in Heidelberg: Wird das ein Startschuss? Eine Bestandsaufnahme?

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Wir wollen dabei keine theoretischen Pirouetten drehen, sondern das Thema ganz praktisch angehen. Man kann in Berufe reinschnuppern und mit einem Minister oder Experten ins Gespräch kommen. Das Festival ist keine Eintagsfliege, sondern ein Impuls. Einmal im Jahr wollen wir künftig so ein Festival zu wechselnden Themen aus unserer Digitalisierungsstrategie veranstalten. Dass wir damit richtig liegen, zeigt auch die Resonanz: Innerhalb kurzer Zeit waren alle 1200 Karten vergriffen.

Was lässt sich die Landesregierung dieses Festival kosten?

Die Kosten des Festivals liegen bei rund 330.000 Euro. Viel wichtiger aber ist, dass wir insgesamt, über Ressortgrenzen hinweg knapp 70 Millionen Euro in die digitale Bildung investieren - und zwar entlang der gesamten Bildungsbiographie, also von der Einschulung bis zur Weiterbildung im hohe Alter. Und für unsere Digitalisierungsaktivitäten insgesamt investiert die Landesregierung in der Legislatur bis 2021 eine Milliarde Euro. Das heißt, wir stellen über fünf Jahre jeden Tag, auch Sonntag, Weihnachten und Ostern, also im Schnitt wirklich täglich über 500.000 Euro für Digitalisierung zur Verfügung. Das ist schon ein Wort.

Hintergrund

"Festival für digitale Bildung"

Das Festival ist der Auftakt einer Veranstaltungsreihe der Landesregierung Baden-Württemberg zu zentralen Themen der Digitalisierungsstrategie digital@bw. Auf dem Programm stehen Impulsvorträge, digitale Lehr- und

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"Festival für digitale Bildung"

Das Festival ist der Auftakt einer Veranstaltungsreihe der Landesregierung Baden-Württemberg zu zentralen Themen der Digitalisierungsstrategie digital@bw. Auf dem Programm stehen Impulsvorträge, digitale Lehr- und Lernräume, Diskussionen, Workshops, Ministergespräche und eine Bildungsboutique mit innovativen Projekten aus Baden-Württemberg.

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Und warum der Auftakt ausgerechnet in Heidelberg?

Wir wollen mit dem Thema Digitalisierung zu den Menschen gehen. In Heidelberg stoßen wir auf ein großes Engagement aus Bürgerschaft, Wirtschaft, Forschung und Stadtverwaltung. Heidelberg hatte es im deutschlandweiten Wettbewerb "Digitale Stadt" unter die letzten fünf geschafft. Ich habe seinerzeit mitgefiebert. Erst vor kurzem ist Heidelberg von unserem Wirtschaftsministerium zu einem regionalen Digitalisierungszentrum, einem sogenannten "Digital Hub" gekürt worden. Und ich selber habe Heidelberg in den Kreis der digitalen Zukunftskommunen aufnehmen und einen Preis verleihen dürfen. Heidelberg ist in Baden-Württemberg ein wunderbarer digitaler Vorreiter. Oberbürgermeister Würzner hat das wirklich zur Chefsache gemacht. Heidelberg hat Digitalisierung begriffen. Heidelberg ist digitale Avantgarde.

Wie stellen Sie persönlich sich den Unterricht der Zukunft denn vor? Alle Kinder am Tablet, der Lehrer an der digitalen Tafel?

Digitalisierung spielt schon heute in unserem Leben eine immer größere Rolle und das wird in den kommenden Jahren noch einmal noch schneller zunehmen. Auch der Schulalltag wird sich durch die Digitalisierung verändern. Wir brauchen hier eine neue Lernkultur und müssen ein Umdenken fördern. Experimentierfreude, unternehmerisches Denken muss schon bei den ganz Kleinen beginnen. Dazu gehört natürlich auch, vernetztes und kollaboratives Lernen mit digitalen Medien und Werkzeugen ganz gezielt zu fördern. Das Thema Medienbildung haben wir deshalb über alle Schularten und alle Fächer in unseren Bildungsplänen verankert. Und über unsere Leuchtturmprojekte, wie den Lernfabriken 4.0, versuchen wir auch die Auszubildenden praxisnah auf die Arbeit in der Industrie 4.0, also im digitalen Zeitalter, vorzubereiten. Entscheidend ist freilich: Inhalt steht vor Technik.

Trotzdem ein zentraler Bereich: die digitale Infrastruktur. Was dürfen unsere Schulen von unserer Landesregierung erwarten?

Wir haben eine Investitionsoffensive gestartet: Rund die Hälfte der genannten Milliarde, etwa 500 Millionen Euro fließt alleine in die digitale Infrastruktur, also in das schnelle Internet. Selbstverständlich gehört da dazu, dass wir unsere Schulen an das schnelle Netz bringen wollen. Und wir haben auch noch echte Hoffnung auf Hilfe durch den Bund.

Die Diskussionen in der Kultusministerkonferenz klingen so, als seien die Länder sehr auf Bundesgelder angewiesen. Stimmt das auch für Baden-Württemberg?

Die Digitalisierung ist ein ganz klarer Schwerpunkt unserer Regierung. Schulen, Wissenschaftseinrichtungen oder Gewerbegebiete werden dabei in unserem Breitbandprogramm schon jetzt besonders gefördert. Die Schulen profitieren also schon jetzt von unseren Digitalisierungsaktivitäten. In den nächsten Monaten werden wir schauen, dass wir eine intelligente Kombination vom Bundes- und Landesengagement hinbekommen.

Dringend angewiesen sind Sie aber nicht auf die Bundesmittel?

Wir haben in Baden-Württemberg ein starkes Landesförderprogramm, um unsere Schulen ans schnelle Internet anzuschließen - das unterscheidet uns von vielen anderen Bundesländern. Der Bund will jetzt in den kommenden Jahren zusätzlich zehn bis zwölf Milliarden Euro in den Breitbandausbau investieren. Und natürlich setzen wir uns dafür ein, dass davon ein entsprechender Anteil nach Baden-Württemberg geht.

Es gibt Kritiker, die digitale Medien gerne so lange wie möglich aus den Schulen fernhalten wollen. Ab wann halten Sie den Einsatz für sinnvoll?

Unsere Kinder wachsen in einer digitalen Welt auf. Sie sollen und wollen digitale Werkzeuge deshalb auch verstehen. Dazu gehört zum Beispiel, dass sie die Fremdsprache der digitalen Welt lernen, das Programmieren. Deshalb haben wir jetzt in Klasse 7 mit dem Informatikunterricht an den allgemeinbildenden Gymnasien begonnen und dehnen das ab kommendem Schuljahr auf alle Schularten aus. Das ist aber nur ein Anfang. Richtig ist auch: Unsere Kinder müssen lernen, mit digitalen Werkzeugen verantwortungsbewusst und selbstbestimmt umzugehen. Digitale Bildung hat nicht nur eine technische, sondern auch ein ethische Komponente. Soziale Medien können freilich auch total asoziale Medien sein. Auch das wollen und müssen wir den Schülern verdeutlichen. Sie können zu Ausgrenzung und Vereinsamung führen. Deswegen brauchen unsere Lehrkräfte nicht nur technische, sondern auch medienpädagogische Kompetenzen. Und auch daran arbeiten wir ganz gezielt.

Sind die Lehrpläne darauf eingestellt?

Es ist natürlich ein laufender Prozess - und die Bildungsinhalte müssen Stück für Stück den Entwicklungen angepasst werden. Deshalb haben wir eine Qualifizierungsoffensive gestartet. Alleine bis 2019 schulen wir rund 2800 Fachberaterinnen und Fachberater im Land - und wollen auf diese Weise rund 50.000 Lehrerinnen und Lehrer im Jahr mit entsprechenden Fortbildungsangeboten erreichen. Auch bei der Lehrerausbildung, an den Universitäten setzen wir mit entsprechenden Förderprogrammen an.

Kritiker des Festivals sagen: Da kommen sowieso nur diejenigen zusammen, die gleicher Meinung sind.

Wir haben ein ganz breites Spektrum an Gästen - und Meinungen. Wir beleuchten Chancen und Risiken. Wir blenden nichts aus, ganz im Gegenteil. Wir haben über 1200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer - insofern sind über 1200 Meinungen vertreten. Ich erwarte sehr lebendige und sehr spannende Diskussionen.