Das ist die Zukunft des Bauens
Experimentelles Bauen kommt hier einen wichtigen Schritt voran - Zement ist schlimmer fürs Klima als Fliegen

Den Holzpavillon auf der Buga möchte die Stadt Heilbronn gerne behalten und an anderer Stelle wiederaufbauen. Foto: Hans Georg Frank
Von Hans Georg Frank
Heilbronn. Beim Blick zurück muss sich Achim Menges, der Leiter des Instituts für computerbasiertes Entwerfen und Baufertigung (ICD) an der Universität Stuttgart, schon sehr wundern. "Wir haben es uns geleistet, mit extrem hohem Materialaufwand zu bauen, jetzt werden die Ressourcen spürbar weniger." Eine Lösung des Problems heißt Leichtbau - "mit mehr Intelligenz und weniger Material".
Als Nachteile des Massivbaus nennt Jan Knippers, Leiter des Instituts für Tragkonstruktionen und Konstruktives Entwerfen (ITKE) an der Uni Stuttgart, den Einsatz von "sehr viel totem Material". Früher sei nicht auf die Optimierung des Gewichts geachtet worden, "sondern auf einfachste Fertigungsprozesse". Dadurch sei auch ungleich mehr Beton verwendet worden als tatsächlich gebraucht werde.
Dabei, ergänzt Menges, sei die CO2-Emission bei der Zementproduktion global gesehen fünfmal höher als beim Luftverkehr. Er hätte deshalb eher ein schlechtes Gewissen beim Bauen erwartet, "als beim Besteigen eines Flugzeugs".
Auf der Bundesgartenschau in Heilbronn lässt sich an zwei markanten Beispielen die "Zukunft des Bauens" bestaunen, an einem Pavillon aus Holz und einem luftigen Halle aus Glaskarbonfasern. Beide konnten nur dank einer digitalen Technik entstehen, die vor zehn Jahren noch nicht verfügbar war. Für Knippers sind die Konstruktionen "der entscheidende Schritt von der Forschung zur Verwirklichung".
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Warum dieser Schritt erst jetzt vollzogen werden kann, erklärt Achim Menges: "Im Bauwesen gab es viel zu wenig Forschung, das wird sich jetzt hoffentlich ändern." Denn Bauen sei "einer der größten Ressourcen- und Energieverschwender".
Für die beiden Professoren ist es von großer Bedeutung, die Öffentlichkeit mit dem experimentellen Bauen vertraut zu machen - wie auf der Buga in Heilbronn. In einer Ausstellung, die im Fruchtschuppen aufgebaut ist, werden Details erläutert.
Große Hoffnungen auf die Wirkung setzen die Experten auch in ein gemeinsames Projekt in Reutlingen. Die beiden Institute sind beteiligt am dreigeschossigen "Texoversum", einem mehr als zehn Millionen Euro teuren Neubau für Textilforscher an der Hochschule. Die 2500 Quadratmeter der Fassade werden aus Faserelementen bestehen.
Für den Leichtbau als "Schlüsselfaktor für die Gesellschaft und Industrie von morgen" wirbt seit 2013 ein Unternehmen des Landes, das den Ministerien für Wirtschaft, Wissenschaft und Umwelt untersteht. Gerne wird dabei betont, dass mit neuartigen Stoffen, aber auch mit dem traditionellen Werkstoff Holz Ressourcen effizienter genutzt werden können. Ziel ist die industrielle Fertigung in großem Stil. Baden-Württemberg soll "ein weltweiter Spitzenstandort" werden.
Was mit dem Holzpavillon auf dem Buga-Areal nach dem 6. Oktober geschehen soll, steht noch nicht fest. Die Stadt habe großes Interesse an diesem Unikat, bestätigte Bürgermeister Wilfried Hajek. Das Land als Eigentümer habe sich aber noch nicht geäußert. In Heilbronn könnte dafür sicherlich ein geeigneter Platz gefunden werden. Allerdings seien dann eine Einzäunung und eine Bewachung notwendig. Hajek befürchtet eine Verschandelung durch Vandalen: "Das wäre wirklich schade für ein so schönes Gebäude."



