So baut Heilbronn seine Zukunft
Drei Pavillons für den sinnvollen Einsatz von Recyclingmaterial und die Vorbildfunktion der Natur

Aus Kohlenstoff und Glas bestehen die Fasern, die als Tragwerk eines futuristischen Pavillons gebündelt worden sind. Foto: Hans Georg Frank
Von Hans Georg Frank
Heilbronn. Was aussieht wie Marmorsplitter, sind in Wirklichkeit zerkleinerte Kloschüsseln. Bereits der weiße Bodenbelag im "Mehr.Wert.Garten" beweist, wie nützlich die Wiederverwertung scheinbar wertlosen Materials sein kann. Im durchaus imposanten Pavillon lösen sich letzte Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Recyclingmethode in Luft auf.

Wie nützlich Recyclingmaterial als Baustoff sein kann, ist im "Mehr.Wert.Garten" zu besichtigen. Foto: Hans Georg Frank
"Wir müssen wegkommen von der Vorstellung, dass Abfall etwas ist, das keiner mehr haben will", betont Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) bei der Einweihung. Er möchte die Besucher der Bundesgartenschau, wo dieses Bauwerk steht, begeistern für Ressourcenschonung, Abfallvermeidung und Kreislaufwirtschaft.
"Als rohstoffarmes Land braucht Baden-Württemberg innovative Ansätze, um aus Abfällen neue Rohstoffe und Energie zu gewinnen", erklärt der Minister. Studenten des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) haben ganz in diesem Sinn einen Plan umgesetzt. Alles, was sie verbaut haben, hat bereits mehrere Lebenszyklen durchlaufen. Das Tragwerk besteht aus Stahlrohren, die von einem demontierten Kraftwerk bei Dortmund stammen.
Der Inhalt von Altglascontainern, zu Glaskeramik verschmolzen, eignet sich für die Fassade. Auch ein leichter, aber stabiler Dämmstoff lässt sich so gewinnen. Der Tresen hat eine nützliche Vergangenheit als weiße Baumwolle und Denim-Jeans hinter sich. Worauf früher in der Küche Zwiebel geschnippelt wurden, entstand in neuer Zusammensetzung eine harte Arbeitsplatte.
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"Es war uns wichtig, dass nachhaltige Architektur attraktiv und relevant sein muss", sagt KIT-Professor Dirk E. Hebel. Gerade im Baubereich sei ein Umdenken möglich. "Wir sind heute schon in der Lage die Kreislaufwirtschaft zu etablieren, wir müssen es nur tun."
Nachschub gibt es genug. Minister Untersteller weiß von 412 Millionen Tonnen, die jährlich in Deutschland anfallen: "Das sind große Rohstofflager." Den Irrsinn des Wegwerfens belegt Untersteller gerne mit einer Zahl: "Aus einer Tonne Erz werden fünf Gramm Gold gewonnen, eine Tonne Althandys ergeben 200 Gramm Gold."

Wie ein 3D-Puzzle aus 376 Elementen erscheint der Holzpavillon, der mit Hilfe von Robotern entstand. Foto: Hans Georg Frank
Gleichfalls auf der Buga demonstrieren Stuttgarter Experten an zwei Beispielen, wie mit der Natur als Vorbild und mit neuen Techniken leichter und besser gebaut werden kann. Der Holzpavillon besteht aus 376 maßgeschneiderten, hohlen Segmenten, die dem Skelett von Seeigeln nachempfunden sind. Holzverbrauch und Gewicht konnten so minimiert werden. Damit das dreidimensionale Puzzle exakt passt, übernahmen Roboter den vollautomatisierten Zusammenbau.
Das Ergebnis verblüfft auch die Fachwelt. Die tragende Holzschale erreicht eine stützenfreie Spannweite von 30 Metern bei einem Gewicht von nur 38 Kilo je Quadratmeter. Dies sei weniger als beim Forstpavillon der Landesgartenschau in Schwäbisch Gmünd, trotz dreifacher Spannweite und fünffacher Größe, freut sich Achim Menges vom Institut für computerbasiertes Entwerfen und Baufertigung an der Uni Stuttgart.
In Sichtweite steht eine Kuppel, für die Flügel eines Kartoffelkäfers als Vorbild dienten. Mehr als 150.000 Meter Glas- und Kohlefasern sind dafür zu 60 Verbundbauteilen verknüpft worden, die stabil, aber doch fünfmal leichter ist als eine herkömmliche Stahlkonstruktion mit einer Spannweite von 23 Metern. 400 Quadratmeter lassen sich so überdachen.
In Stuttgart soll dieses System weiter erforscht werden. "Der Faserpavillon zeigt eine genuin digitale Bauweise, wie sie vor wenigen Jahren weder planbar noch baubar gewesen wäre", sagt Achim Menges, "so entsteht ein extremer Leichtbau mit ganz eigenständigem architektonischen Ausdruck."



