Artenschutz-Volksbegehren

"Warum soll Artenschutz kostenlos sein?"

Breites Bündnis fordert vom Land Weiterentwicklung der Agrarförderung - Zusätzliche Kosten: mindestens 225 Millionen Euro

14.10.2019 UPDATE: 15.10.2019 06:00 Uhr 1 Minute, 59 Sekunden

Von Jens Schmitz, RNZ Stuttgart

Stuttgart. Artenvielfalt und bäuerliche Kulturlandschaft zu erhalten, würde das Land pro Jahr mindestens 225 Millionen Euro mehr kosten als bisher: Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie zur Weiterentwicklung der Agrarförderung, die 15 Organisationen am Montag vorgestellt haben, vom Nabu über den Landesverband für Obstbau bis zum Schwarzwaldverein. Auch der Jagdverband und der Schafzuchtverband gehören zu den Unterstützern.

"225 Millionen im Jahr sind natürlich ein Wort", sagte der Vorsitzende des Landesnaturschutzverbandes (LNV), Gerhard Bronner. Die Initiatoren betonen deshalb, dass die Gesellschaft auch E-Mobilität, Infrastruktur oder Digitalisierung mit hohen Beträgen fördere. "Warum soll immer Artenschutz kostenlos sein?", fragte BUND-Landeschefin Brigitte Dahlbender. Der Erhalt der Vielfalt habe Verfassungsrang. Dass trotz millionenteurer Förderbeträge jedes Jahr knapp 3000 Höfe aufgeben, wertete sie als weiteres Indiz: "Da läuft im Grundsatz was falsch."

Die 63-seitige Studie wurde vor dem Volksbegehren begonnen und soll drei Fragen beantworten: Was bringen die bereits laufenden Programme des Landes? Welche Zusatzmaßnahmen sind nötig, um Landschaft und Biodiversität zu erhalten? Was würden sie kosten? Hintergrund sind Verhandlungen um die künftige EU-Agrarpolitik. Dort zeichne sich kein radikaler Wandel ab, sagte Nabu-Landeschef Johannes Enssle. "Das heißt, wir müssen auf Landesebene selbst aktiver werden."

Die Untersuchung kommt zu dem Schluss, dass viele Ansätze in den derzeitigen Landesprogrammen FAKT (Förderprogramm für Agrarumwelt, Klimaschutz und Tierwohl) und LPR (Landschaftspflegerichtlinie) zwar grundsätzlich zweckdienlich seien. Sie reichten aber bei Weitem nicht aus.

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Die Autoren stellen fest, dass zahlreiche Fördersätze unattraktiv niedrig seien. Das gelte gerade für schwer zu bewirtschaftende und kleinteilige Flächen. Viele gute Ansätze würden nur in beschränkten Gebieten unterstützt oder seien flächenmäßig pro Betrieb gedeckelt. Die Streuobst-Förderung erreiche mehr als die Hälfte der Streuobstwiesen-Besitzer nicht, da sie keine Landwirte seien. Die Kostenerstattung für eine extensive Beweidung sei insbesondere auf schwer zu bewirtschaftenden Flächen nicht ausreichend. Im Ackerbereich gebe es Förderprogramme für biologische Vielfalt nur rudimentär.

Die Unterzeichner fordern nun Sondertöpfe für Ansätze, die nicht durch FAKT oder LPR gedeckt sind. Dazu sollen Investitionen in naturverträgliche Technik gehören, aber auch Beratung, die Anlage von Demonstrationsflächen und eine bessere Ausbildung.

Aktuell sind FAKT und LPR pro Jahr mit 145 Millionen Euro ausgestattet. Die Autoren der Studie kommen in ihren Berechnungen auf einen Mehrbedarf von 225 Millionen Euro pro Jahr. Darin ist ein Ausbau des Ökolandbaus auf 30 Prozent der Agrarfläche bis 2030 einkalkuliert. Das Artenschutz-Volksbegehren möchte allerdings einen Anteil von 50 Prozent erreichen. Für diesen Fall rechnet die Studie mit zusätzlichen 80 Millionen Euro an Kosten, insgesamt also mit einem Mehrbedarf von 305 Millionen Euro. Zur Finanzierung schlagen die Autoren Umschichtungen bei den Förderprogrammen vor. "Andernfalls müssten die Mehrkosten aus dem Landeshaushalt finanziert werden."

Die beiden großen Bauernverbände haben die Studie nicht unterzeichnet, obwohl sie im Vorfeld eingebunden waren. "Wir könnten das meiste mittragen", sagte Vizegeschäftsführer Horst Wenk vom Landesbauernverband in Baden-Württemberg unserer Zeitung. Bei den Finanzierungsvorschlägen befürchtet seine Organisation aber Einkommensnachteile für die Landwirte. Der Verband stört sich auch an der Ökolandbau-Quote und daran, dass die Studie einen Verzicht auf synthetische Pflanzenschutzmittel auf 50 Prozent der Ackerfläche anpeilt.

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