Wie nationales, europäisches und internationales Recht das Weltklima schützen
Der Jurist Paul Kirchhof sprach in der Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Die Freiheit zur Demonstration dürfe nicht zur Herrschaft über Andersdenkende berechtigen.

Von Heribert Vogt
Heidelberg. Auch der renommierte Rechtswissenschaftler Paul Kirchhof war von den radikalen Umweltschutzaktionen der "Letzten Generation" in Heidelberg betroffen. Die Aktivisten haben mehrfach Straßen blockiert und sich dazu mit Sekundenkleber auf dem Asphalt festgeklebt. "Ich stand da im Stau und wurde einbezogen in die Form des Klimaschutzes derer, die ihre Hände aufgeklebt hatten."
Das sagte Kirchhof am Ende seines Vortrags "Der Schutz des Weltklimas durch nationales, europäisches und internationales Recht", den er in dieser Woche in der Heidelberger Akademie der Wissenschaften hielt.
Kirchhof unterstrich, dass die Freiheit zur Demonstration nicht zur Herrschaft über Andersdenkende berechtigt: "Das ist der Weg zur Diktatur. Das können wir nicht tolerieren. Es spaltet unsere Gesellschaft."
Und weiter: "Wir müssen diese jungen Menschen, die gutwillig sind, aber einem fundamentalen Irrtum unterliegen, für unser Konzept gewinnen." Denn dem Juristen zufolge sind die heutigen Aussichten für einen erfolgreichen Klimaschutz "insgesamt gut".
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Während nahezu alle Kommentare zur jüngsten UN-Weltklimakonferenz in Ägypten kritisch bis resigniert ausfielen, sieht Kirchhof die Ergebnisse gelassen. In Bezug auf das Pariser Abkommen von 2015 mit möglichst 1,5 Grad und nicht mehr als zwei Grad Erderwärmung bis 2050 als Ziel erfolgt die nächste Bestandsaufnahme 2023. Und hier gebe es beachtliche Fortschritte, so Kirchhof.
Bestätigt wurden nun das Ziel wie auch die Relevanz des Weltklimarates – "eine einmalige gelungene Kooperation zwischen Wissenschaft und Politik", würdigte der Jurist. Dies funktioniere einigermaßen in einer Welt mit 200 Staaten, von denen 195 dem Paris-Abkommen beigetreten sind: "Im großen Ganzen ist das meines Erachtens ein herausragender Erfolg."
Die Empfehlungen des Weltklimarates haben sich in den letzten 25 Jahren im Wesentlichen bestätigt, wie Kirchhof betonte. Jedoch rangierten bislang Wohlstand und Wirtschaftswachstum vor dem Klimaschutz, der nur global gelingen könne. Zwar trägt Deutschland weniger als zwei Prozent zur Klimagefährdung bei, aber das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass jeder Staat "vor seiner Haustür Ordnung schaffen" muss, wie er verdeutlichte.
Dann sei auch weltweiter Zusammenhalt möglich. Zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben gehört seit 1994 die Verpflichtung der deutschen Staatsgewalt, die natürlichen Grundlagen für die nächste Generation zu sichern. Die zukünftigen Menschen in Deutschland müssen ähnliche Verhältnisse vorfinden wie heute – laut Kirchhof ein "fundamentales Aufbruchssignal".
Das Pariser Abkommen hat zwar zu einem Konsens geführt, aber die Staaten handeln unterschiedlich. So wollen die USA mit Steueranreizen auf Umweltschutz hinwirken. In China geht Machtpolitik vor. Und Russland schädigt mit seiner Kriegsführung Menschen und Umwelt extrem.
Europa nähere sich dem amerikanischen Konzept an und versuchte, durch Handel mit Zertifikaten – Berechtigungen zur Klimabelastung – das Ziel zu erreichen. Darauf müsse das deutsche Konzept mit der Stilllegung von Kohlekraftwerken abgestimmt werden.
Nach Kirchhof ist das 1,5-Grad-Ziel eine Aufforderung an alle Menschen und Staaten, ihr Verhalten zu ändern. Aber: "Es ist keine Prognose des Untergangs." Angesichts des Handlungsdrucks empfiehlt er der Politik: "Atem anhalten und nachdenken, was zu tun ist." Denn Verzettelungen führen zum Verlust des Vertrauens in die Umweltpolitik.
Es gelte vielmehr, alle Kräfte für Verbesserungen wie Elektroautos oder Solarzellen zu mobilisieren: "Wissenschaftler haben die einmalige Chance, einen Durchbruch beim Klimaschutz zu organisieren."