Die Musterschüler der Troika: Wie sich Zypern aus dem Tal arbeitete
Zwei Jahre nach der Bankenkrise steht das Land besser da als erwartet - Angesichts der Teilung bleibt die politische Lage stabil

Dunkle Wolken über dem mittelalterlichen Kastell der Hafenstadt Paphos: Zypern war über seine Banken in den Strudel der Griechenlandkrise geraten. Foto: dpa
Zwei Jahre nach der Bankenkrise steht das Land besser da als erwartet - Angesichts der Teilung bleibt die politische Lage stabil
Von Gerd Höhler
Nikosia. Griechenland kämpft gegen die drohende Pleite, wieder einmal. Das benachbarte Zypern hingegen, das vor zwei Jahren ebenfalls auf der Kippe stand und unter den Schutzschirm eines EU-Rettungsprogramms schlüpfen musste, hat das Schlimmste hinter sich. Während die Griechen dringend weitere Kredite brauchen, wird Zypern wahrscheinlich die zur Verfügung stehenden Hilfsgelder gar nicht in vollem Umfang in Anspruch nehmen müssen.
Im Jahr 2012 war die eng mit der griechischen Wirtschaft verflochtene Insel in den Strudel der Griechenlandkrise geraten. Zum Verhängnis wurde Zypern sein völlig überdimensioniertes Bankensystem, dessen Bilanzsumme 2009 fast das Neunfache des Bruttoinlandsprodukts erreichte. Mit dem Versprechen hoher Zinsen und niedriger Steuern lockten die Institute immer mehr Einlagen an, vor allem aus Russland. Um die hohen Guthabenzinsen zahlen zu können, investierten Zyperns Banken in renditestarke, aber hochriskante griechische Staatsanleihen. Mit dem Schuldenschnitt in Griechenland im Februar 2012 verloren sie ihr gesamtes Eigenkapital - und hätten fast das ganze Land mit in den Abgrund gerissen. Ende März 2013 wurde Zypern, genauer die Republik im Süden der geteilten Insel, mit einem Rettungspaket von zehn Milliarden Euro vor dem drohenden Staatsbankrott bewahrt. Die Banken wurden auf Kosten der Aktionäre und Einleger saniert.
Mit erstaunlicher Disziplin und Geduld lassen die Zyprer seither das Sparprogramm über sich ergehen. Beobachter führen das auch auf die Inselteilung zurück. "Die Menschen hier wissen: Im Nordteil Zyperns stehen 40 000 türkische Besatzungssoldaten", erklärt Sofronis Clerides, Wirtschaftsprofessor an der Universität der Inselhauptstadt Nikosia. "Wir können uns daher keine politischen Abenteuer leisten." Während in Athen der Euro-Rebell Alexis Tsipras für heftige politische und wirtschaftliche Turbulenzen sorgt, ist Zypern politisch stabil. Der Anfang 2013 gewählte konservative Staatschef Nikos Anastasiadis kann, weitgehend unabhängig von parlamentarischen Mehrheiten, bis 2018 regieren.
Bisher machten die Zyprer fast mustergültig ihre Hausaufgaben. Letzthin hakte es allerdings. Die Troika der Geldgeber stellte im Februar Reformrückstände fest und verweigerte den fälligen Abschlussbericht. Bei der Kontroverse geht es vor allem um die Reform des Insolvenzrechts, die es den Banken erleichtern soll, säumige Schuldner zu belangen. Rund die Hälfte aller Kredite in Zypern werden nicht mehr bedient. Viele Kreditnehmer könnten zahlen, wollen aber nicht - denn säumige Zahler haben bisher auf der Insel wenig zu fürchten. Die Troika fordert deshalb, Zwangsvollstreckungen zu erleichtern. Das zyprische Parlament verschleppt allerdings die Gesetzesänderung immer weiter. Pikanter Hintergrund: Auch viele Abgeordnete haben bei den Banken Schulden, die sie nicht mehr bedienen. Die Folge des Streits: Weitere Hilfskredite kommen vorerst nicht zur Auszahlung.
Vom finanziellen Untergang ist die Kriseninsel aber deshalb nicht bedroht. Bisher hat Zypern die meisten Vorgaben sogar übererfüllt. Die Haushaltskonsolidierung trägt Früchte. Nachdem das Defizit im Jahr 2013 noch 4,7 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt (BIP) ausmachte, erwirtschaftete der zyprische Finanzminister Charis Georgiadis 2014 sogar einen Überschuss von 0,4 Prozent - die Troika hatte mit einem Fehlbetrag von 4,3 Prozent gerechnet.
Schneller als erwartet erholt sich das Land auch von der Rezession. Nachdem die Wirtschaftsleistung auf dem Höhepunkt der Krise 2013 um 5,4 Prozent schrumpfte, betrug der Rückgang im vergangenen Jahr nach ersten Schätzungen nur noch 2,3 Prozent. Vor allem der florierende Tourismus stützt die Konjunktur. Für dieses Jahr erwarten Analysten ein Nullwachstum oder sogar eine leicht positive Wirtschaftsentwicklung. 2016 soll die Konjunktur um 1,6 Prozent anziehen, so die Prognose der EU. Auch die Schuldenquote entwickelt sich besser als erwartet: Sie stieg zwar 2014 gegenüber dem Vorjahr von 102 auf 107,2 Prozent vom BIP, lag damit aber deutlich unter der Troika-Prognose von 119 Prozent.
Mit dem Abbruch der Prüfung verstärkte die Troika im Februar den Druck auf Zypern. Anfang April soll das immer wieder verschleppte Gesetz über die Zwangsvollstreckungen nun endlich durchs Parlament gehen. Damit könnte Zypern das Anpassungsprogramm Anfang 2016 abschließen. Bereits in diesem Jahr plant Finanzminister Georgiadis die Rückkehr an den Kapitalmarkt. Von den zur Verfügung stehenden Hilfskrediten von zehn Milliarden Euro werde man voraussichtlich nur acht Milliarden in Anspruch nehmen, heißt es im Finanzministerium in Nikosia. Ausgezahlt wurden bisher sechs Milliarden.
Größte Sorge in Nikosia ist, dass die Insel, wie schon 2012, erneut in den Strudel einer Griechenlandkrise geraten könnte. Demonstrativ bleibt die Regierung deshalb auf Distanz zu dem Athener Polit-Hasardeur Alexis Tsipras, der den endgültigen Bruch mit Europa riskiert. Es gebe zu Griechenland "kulturelle Bindungen, mehr nicht", sagt Finanzminister Georgiadis und versichert: "Wir gehen unseren eigenen Weg." n-ost