Außen-Staatsminister Niels Annen über den Iran-Konflikt
SPD-Politiker im RNZ-Interview - Gegen Ende des Engagements im Irak

Von Andreas Herholz, RNZ Berlin
Berlin. Der SPD-Politiker Niels Annen (46) ist Staatsminister im Auswärtigen Amt.
Herr Annen, wie deuten Sie die Situation im Iran?
Die Lage bleibt insgesamt sehr volatil und gefährlich. Aber die Erleichterung ist groß, dass wir zunächst keine weitere Eskalation erlebt haben. Die diplomatischen Bemühungen zeigen offenbar Wirkung. Es hat offensichtlich keine größeren Schäden und Verluste durch die iranischen Raketenangriffe gegeben. Der amerikanische Präsident hat auch eher zurückhaltend reagiert. Wichtig war, dass es keine weitere militärische Antwort von Seiten der Vereinigten Staaten gab. Das eröffnet uns die Möglichkeit, weitere Gespräche zu führen. Es gibt also weiterhin eine Chance für die Diplomatie. Wir sind fest entschlossen, diese Chance zu nutzen.
Droht sich der Konflikt am Ende auf die gesamte Region auszuweiten?
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Ich bin davon überzeugt, dass die Diplomatie in der Lage ist, zu deeskalieren und einen Flächenbrand in der Region zu verhindern. Es sind aber Kräfte geweckt worden, die nur bedingt kontrollierbar sind. Die Führung in Teheran hat unter anderem im Libanon, in Syrien und im Irak ein großes Netzwerk aufgebaut. Nicht alle politischen Gruppierungen und bewaffneten Milizen, die vom Iran unterstützt werden, lassen sich von Teheran komplett kontrollieren. Wir haben den iranischen Gesprächspartnern sehr deutlich gemacht, dass eine weitere militärische Eskalation nicht akzeptabel ist. Aber auch die amerikanische Seite muss sich fragen lassen, was sie mit diesem Militärschlag und der Tötung von General Soleimani erreicht hat. Im Irak hat es zuvor große Protestbewegungen in der Bevölkerung gegen iranischen Einfluss und Massendemonstrationen gegen die vom Iran finanzierten Milizen gegeben. Diese sind nach der Tötung von Soleimani zum Erliegen gekommen. Mehr noch, die Menschen haben sich gegen die Verletzung der irakischen Souveränität und der Militäroperation gewandt. Dieser politische Kollateralschaden ist sehr bedauerlich. Wir werden alles tun, dem Irak die Chance zu geben, wieder auf eigenen Füßen zu stehen. Im Moment wird der Irak von verschiedenen Seiten instrumentalisiert, um einen Regionalkonflikt auszutragen.
Eine kalkulierte Eskalation und eine Stellvertreterauseinandersetzung?
Es gibt eine unübersehbare regionale Konkurrenz zwischen dem Iran auf der einen und Saudi-Arabien und den Vereinigten Staaten auf der anderen Seite. Es gibt auch andere Mächte, die in der Region Einfluss nehmen. Nicht nur im Irak, sondern auch in Syrien, in Libyen und im Jemen werden entsprechende Konflikte ausgetragen. Wir müssen diese Logik durchbrechen, dass regionale Rivalitäten und machtpolitische Ambitionen auf fremden Boden ausgetragen werden. Sonst werden wir dauerhaft in unserer europäischen Nachbarschaft mit Instabilität konfrontiert sein.
Kehrt jetzt die Terrormiliz "Islamischer Staat" zurück?
Unsere große Sorge ist, dass die Eskalation der letzten Tage die Erfolge im Irak zunichtemachen könnte. Deshalb reden wir sehr intensiv mit der irakischen Regierung. Politisch entscheidend ist, dass wir der irakischen Regierung und dem irakischen Volk signalisieren, dass wir uns nicht von unserem Engagement verabschieden wollen. Selbstverständlich steht die Sicherheit unserer Soldaten im Mittelpunkt. Dafür haben wir kurzfristig Maßnahmen getroffen und unser Kontingent ausgedünnt und verlegt. Die Kräfte bleiben aber in der Region. Der Eindruck, dass wir das Land allein lassen, wäre fatal. Das hätte weitreichende Auswirkungen für die irakische Bevölkerung, aber auch für unsere eigene Sicherheit. Ein Wiedererstarken des IS im Irak ist kein unrealistisches Szenario.
Ein vollständiger Abzug der Bundeswehr wäre ein Fehler?
Wir sind auf Einladung der irakischen Regierung in dem Land. Wenn die irakische Führung diese Einladung zurückzieht, werden wir das selbstverständlich respektieren und das Land verlassen. Die Empfehlung des irakischen Parlaments, dass internationale Truppen das Land verlassen sollen, ist aber nicht eindeutig. Jetzt muss die irakische Regierung entscheiden. Das hat sie noch nicht getan. Es gibt auch viele Stimmen im Irak, die ein Sicherheitsvakuum befürchten. Wenn sich die politische Lage geklärt hat, sind wir jederzeit in der Lage, in den Irak zurückzukehren.
Kann Deutschland eine Vermittlerrolle übernehmen?
Deutschland ist eines der Länder, das immer einen Gesprächskanal nach Teheran offengehalten hat. Wir sind auch in einer solchen kritischen Situation sprachfähig. Die deutsche Politik spielt deshalb eine aktive Rolle. Das gilt übrigens auch für Libyen. Dazu hat es in Brüssel Gespräche gegeben. Die Bundeskanzlerin und der Bundesaußenminister werden darüber mit dem russischen Präsidenten bei ihrem Besuch am Samstag in Moskau beraten, dabei wird es sicher auch um den Irak gehen.