Europa wird klimaneutral

"Nichts weniger als eine industrielle Revolution"

EU-Kommission stellt ihren Plan "Fit for 55" vor - Mit ihm soll Europa bis 2050 klimaneutral werden

14.07.2021 UPDATE: 15.07.2021 06:00 Uhr 1 Minute, 59 Sekunden
Grüner Tanken: Der Plan der EU-Kommission sieht unter anderem ein Ende für Verbrenner bis 2035 vor. Foto: dpa

Von Ansgar Haase

Brüssel. Keine neuen Benzin- und Dieselautos mehr, eine Steuer auf Flug- und Schiffstreibstoffe und höhere Kosten für das Heizen mit Kohle, Erdgas oder Öl: Die EU-Kommission hat einen umfassenden Plan präsentiert, mit dem das Erreichen der europäischen Klimaschutzziele sicherstellt werden soll (siehe Text unten).

"Die Wirtschaft der fossilen Brennstoffe stößt an ihre Grenzen", erklärte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zur Vorstellung der Pläne. Der für Klimaschutz zuständige Vizepräsident Frans Timmermans räumte offen ein: "Alles, was wir heute vorgestellt haben, wird nicht einfach – es wird verdammt hart."

Die Gesamtheit der vorgeschlagenen Maßnahmen soll es den EU-Staaten ermöglichen, die Treibhausgase bis 2030 um mindestens 55 Prozent unter den Wert von 1990 zu drücken. Deswegen wird das Paket von der Kommission auch "Fit for 55" genannt. Langfristiges Ziel der EU ist es, dass 2050 netto gar keine klimaschädlichen Gase mehr in die Atmosphäre gelangen. So sollen der menschengemachte Klimawandel und dessen Folgen aufgehalten werden. Wissenschaftler sehen in der globalen Erwärmung einen Grund für steigende Meeresspiegel und wetterbedingte Naturkatastrophen wie Wirbelstürme, Überschwemmungen oder Waldbrände.

Die ersten Reaktionen auf die Kommissionsplanungen fielen gemischt aus. Während Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace von einem unzureichenden Beitrag zum Klimaschutz sprachen, äußerten sich Wirtschaftsvertreter besorgt. So warnte die Luftfahrtbranche vor Wettbewerbsnachteilen durch die Pläne der Kommission. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) gab unter anderem zu bedenken, dass das vorgeschlagene 55-Prozent-Ziel sehr hohe Anteile an E-Autos erfordere. So müssten bis Ende des Jahrzehnts in der ganzen EU knapp zwei Drittel der Neuwagen E-, Hybrid- oder Brennstoffzellen-Antriebe haben.

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Der VDA spielte damit darauf an, dass die EU-Kommission konkret vorschreiben will, dass die Treibhausgasemissionen von Neuwagen bis 2030 um 55 Prozent im Vergleich zu 2021 gesenkt werden müssen. Halten sich Hersteller nicht an die Vorgaben, sollen Strafen fällig werden. Ab 2035 sollen in der EU nur noch emissionsfreie Neuwagen zugelassen werden. Dabei soll es jedoch eine Überprüfungsklausel geben. Demnach soll alle zwei Jahre analysiert werden, wie weit die Hersteller sind; 2028 soll ein großer Prüfbericht folgen. Theoretisch könne das Datum 2035 noch verschoben werden.

Für den Wandel im Verkehrssektor sollen auf großen Hauptverkehrsstraßen in der EU alle 60 Kilometer Ladestellen für Elektroautos eingerichtet werden. Die Investitionskosten für die Ladeinfrastruktur schätzt die Kommission auf insgesamt 15 Milliarden Euro. Alle 150 Kilometer sollen Wasserstofftankstellen entstehen.

Über die Umsetzung der Vorschläge müssen nun die Mitgliedstaaten und das Europäische Parlament beraten. Aus Sicht der EU-Kommission ist Eile geboten, um Industrie und Verbrauchern möglichst viel Zeit für die Umstellung zu geben. "Dieses ist die alles entscheidende Dekade im Kampf gegen die Klima- und die Biodiversitätskrise", so Timmermans.

Bundesumweltministerin Svenja Schulze kündigte an, dass Deutschland schnell mit der Arbeit beginnen wird. Die Bundesregierung werde die Vorschläge der EU-Kommission nun gründlich, aber auch zügig und konstruktiv prüfen, erklärte die SPD-Politikerin. Es gehe um nichts weniger als eine "neue industrielle Revolution, angeführt von Europa". In den anstehenden Verhandlungen werde sie darauf achten, dass die im Klimagesetz vereinbarten Ziele zuverlässig erreicht werden. Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) reagierte zurückhaltender. "Man muss sich immer vergegenwärtigen, das eine ist fordern und festlegen, aber man muss auch noch erreichen und umsetzen."

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