Von Armin Rößler
Baiertal. Die Raiffeisen Privatbank Wiesloch-Baiertal ist einem Kreditbetrüger aufgesessen. Dadurch ist der Bank ein Schaden von bis zu neun Millionen Euro entstanden, auch mindestens zwei weitere Banken sollen betroffen sein, hieß es in der Versammlung. In der Aufarbeitung des Falls hat sich die Raiffeisen Privatbank bereits von den bisherigen Vorständen Udo Engelhardt und Daniel Ehmer getrennt, auf die Frank-Karsten Willer und Ralf Haller als neue Vorstandsmitglieder gefolgt sind.
Halbwegs retten konnte die Bank ihre Bilanz nur durch eine Garantie für Kreditrisiken in Höhe von fünf Millionen Euro aus der Sicherungseinrichtung des Bundesverbands der deutschen Volks- und Raiffeisenbanken. Daneben musste Eigenkapital in Höhe von 850.000 Euro beigesteuert und ein erheblicher Teil der stillen Reserven (die Summe wurde nicht genannt) aufgelöst werden.
Udo Engelhardt. Foto: JanikDas wurde den Genossenschaftsmitgliedern auf der ordentlichen Generalversammlung im katholischen Gemeindehaus in Baiertal mitgeteilt, die sich mit langen, auch emotionalen Diskussionen und zahlreichen Abstimmungen über sechs Stunden bis Mittwochmorgen, 1 Uhr, hinzog. Wichtigste Frage, die an diesem Abend zu klären war: Der Aufsichtsrat wollte von der Versammlung ermächtigt werden, Schadenersatzansprüche aus "pflichtwidriger Vorstandstätigkeit" gegen die ehemaligen Vorstände Udo Engelhardt (2008-2019) und Daniel Ehmer (2017-2019) sowie die interimsweise im Vorstand tätige Beate Hackmann (2016/17) gerichtlich geltend machen zu können.
Daniel Ehmer. Foto: JanikDem konnte die Mehrheit der Anwesenden, die inklusive Bevollmächtigungen 352 stimmberechtigte Mitglieder vertraten, jedoch nicht zustimmen: Sie lehnten das Ansinnen im Fall von Beate Hackmann mit 82 zu 246 Stimmen ab, bei Daniel Ehmer mit 90 zu 236 Stimmen und bei Udo Engelhardt mit 94 zu 234 Stimmen. Eine Vertagung dieser Abstimmung auf die Versammlung im Jahr 2020 war zuvor mehrheitlich abgelehnt worden.
Schon zu Beginn hatten Vorstand und Aufsichtsrat eine Abstimmungsniederlage zum geplanten Verlauf des Abends hinnehmen müssen: Der Wunsch des Aufsichtsratsvorsitzenden Manfred Link, die Versammlungsleitung an Dr. Mathias Klasen vom Baden-Württembergischen Genossenschaftsverband (BWGV) zu übertragen, wurde mit 118 zu 170 Stimmen abgelehnt. Daraufhin übernahm Vorstand Frank-Karsten Willer die Leitung, juristisch unterstützt von Roland Röhrich (BWGV). Auf Abstimmungen über die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat hatte man von vornherein verzichtet.
Roland Erne. Foto: JanikAufschlussreich für die Mitglieder waren vor allem die Ausführungen von Dr. Roland Erne (Sozietät Hoffmann Liebs, Düsseldorf), der vom Aufsichtsrat mit der Prüfung des Falls beauftragt wurde, aber auch von Rechtsanwalt Dr. Edgar Steinle (Frankfurt), der die ehemaligen Vorstände vertritt. Aus ihren Beiträgen, den persönlichen Erklärungen von Udo Engelhardt und Daniel Ehmer, den Ausführungen der beiden neuen Vorstände Haller und Willer, den Stellungnahmen des Aufsichtsratsvorsitzenden Link, von BWGV-Prüfungsdienstleiter Mathias Juhl und Verbandsdirektorin Monika van Beek (Vorstandsmitglied des BWGV) sowie zahlreichen Fragen der Mitglieder und den darauf folgenden Antworten schälte sich im Verlauf des Abends folgendes Bild heraus: Es geht im Wesentlichen um sechs Kredite, die ab 2016 vergeben wurden und zusammen eine Höhe von gut neun Millionen haben sollen.
Begonnen wurde mit kleineren Krediten, anschließend wurde dann mehrfach um Aufstockung gebeten. Der betrügerische Kreditnehmer, der sich im Frühjahr per Selbstanzeige offenbarte, hatte zuvor Scheinkonten bei anderen Banken gegründet, Kontoauszüge und Stempel gefälscht und so ein nicht existierendes Vermögen als Sicherheit vorgetäuscht. Gleichzeitig soll er größere Geldanlagen bei der Raiffeisen Privatbank in Aussicht gestellt haben. Möglicherweise ist das der Grund, warum man sich auf eine "Kommunikationsvereinbarung" eingelassen haben soll, mit der Nachfragen bei den betreffenden Instituten unterbunden wurden.
Das sei "bankunüblich", so Monika van Beek. Der Verband hatte die Kredite wohl schon 2016 kritisch hinterfragt, aber im Prüfbericht 2017 auf eine Anmerkung verzichtet, weil zu diesem Zeitpunkt vermeintliche Sicherheiten vorlagen.
Im Prüfbericht des Genossenschaftsverbands konnte die Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung des Vorstands nicht bestätigt werden. Die Versäumnisse seien als "schwerwiegende Verstöße gegen Gesetz oder Satzung" zu werten, sagte Mathias Juhl. Moniert wurden unter anderem die Strategien der Bank, die Risikoidentifikation, die Wirksamkeit der Risikocontrolling-Funktion sowie die Behandlung und sachgerechte Überprüfung von Sicherheiten. Der Prüfbericht kritisierte "strukturelle Risiken im Kundenkreditgeschäft" und "teilweise deutliche Überschreitungen der intern festgelegten Blankoeinzelgrenzen". Das sprach auch Dr. Erne an: "Es ist von Anfang an gegen diese Grenzen verstoßen worden."
Dem Aufsichtsrat wurde im Prüfbericht allerdings bescheinigt, "seinen Mitwirkungs- und Überwachungspflichten nachgekommen" zu sein. "Das aktive Geschäft macht der Vorstand", sagte der Aufsichtsratsvorsitzende Manfred Link. Darüber zeigte sich unter anderem der Wieslocher Rechtsanwalt Helmut Grasemann irritiert, selbst Mitglied der Bank. Ihn wunderte, dass "nur der Vorstand in Regress" genommen werden sollte.
Unklar blieb lange, ob denn durch den "Wertberichtigungsbedarf erheblichen Ausmaßes" (Link) schon ein tatsächlicher Schaden entstanden ist. Ralf Haller sagte auf eine entsprechende Nachfrage: "Der Schaden tritt nach dem Handelsrecht mit großer Wahrscheinlichkeit ein." Es sei zu vermuten, "dass eine Rückzahlung nicht erfolgt", so Mathias Juhl, der Ausfall sei "mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten". Aus Sicht Dr. Ernes spricht "alles dafür, dass der Schaden bestehen bleibt", "zumindest in beträchtlichem Umfang".
Bei der Frage nach der Schuld sah Dr. Steinle als Anwalt der Vorstände eine "hervorragende Täuschung, die auch die interne Revision nicht gesehen hat". Es seien "eine Unmenge an Menschen geleimt worden", der Vorstand habe "nicht die Kapazität", diese Fälle "auf Betrugsmomente zu durchleuchten". Dr. Erne sagte dagegen, es gebe "deutliche Hinweise für Pflichtverletzungen". Man unterstelle den Vorständen aber nicht, die Bank "vorsätzlich getäuscht" zu haben.
Auch die ausgeschiedenen Vorstände kamen zu Wort: "Wir wurden alle getäuscht, es tut mir unendlich leid", sagte Daniel Ehmer, der auch betonte: "Wir haben uns in keiner Weise persönlich bereichert." Udo Engelhardt erklärte: "Wir hatten nie die Absicht, irgendwelche Risiken einzugehen, die die Bank nicht tragen kann." Man sei von der Kreditentscheidung "überzeugt" gewesen.