Das Amtsgericht in Sinsheim. Foto: Barth
Sinsheim. (cba) Der Fall von äußerster Brutalität an der Raststätte "Kraichgau Süd" hatte am 28. Juni für Aufsehen gesorgt, als dort um Haaresbreite jemand gestorben wäre. Nun wird der Fall am Amtsgericht verhandelt.
Die Rastanlage am Rand der Südstadt. Männer machen Pause, trinken reichlich Rum und Wodka. Zwei von ihnen, einer davon Lkw-Fahrer, schlagen einen anderen Lkw-Fahrer brutal zusammen, treten mehrmals auf ihn ein. Er knallt mit Wucht auf den Hinterkopf. Als er bewusstlos liegen bleibt, schnappt sich einer der Männer den regungslosen Körper, schleift ihn hinter sich her, um ihn zwischen zwei Sattelzügen zu verstecken. Der Mann, der in dieser Nacht so heftig zugerichtet wurde, sagt, seine Peiniger hätten die Tat hiermit vertuschen wollen. Die beiden Tatverdächtigen müssen sich nun wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung vor dem Schöffengericht verantworten.
Der Vorwurf wiegt schwer: Der 49-Jährige liegt schwer verletzt auf dem Straßenpflaster der Raststätte, 18 Stunden lang. Als er zu sich kommt, ruft er seine Frau in Litauen an. Sie bittet ihn um einen Rückruf mit eingeschalteter Videofunktion auf dem Smartphone – und erkennt dann, wie übel ihr Mann zugerichtet ist. Die Frau alarmiert sofort dessen Arbeitgeber. Der Verletzte wird in die Notaufnahme am Sinsheimer Krankenhaus gebracht, eine Operation in Litauen erwartet ihn noch. Der Mann hat mehrere Rippenbrüche erlitten, seine Lunge ist verletzt, Kopf und Gehirn sind in Mitleidenschaft gezogen, das Gesicht geschwollen. Es besteht Lebensgefahr.
Der Angeklagte, ebenfalls Litauer, wurde in Fußfesseln in den Saal geführt. Er sitzt bereits in der Justizvollzugsanstalt Mannheim ein. Die Tat sei für ihn selbst ein Schock gewesen. Dies jedoch wohl erst im Nachhinein: Es gibt eine Videoaufzeichnung vom Tathergang, die andere Lkw-Fahrer gemacht haben. Das Video dient in dem Prozess als wichtiges Beweisstück.
Viel Alkohol ist geflossen in der Tatnacht, als die Fernfahrer ihre Pflichtpause zur Einhaltung der Lenkzeiten einlegten. Es habe Streit gegeben, schilderte auch das Opfer im Zeugenstand. An den Grund könne er sich nicht mehr erinnern. Der Geschädigte wisse nur noch, dass jemand versucht habe, ihn zu würgen. Und er wisse auch, dass der 56-jährige Täter ihm angeboten habe, zu ehemaligen Kollegen in eine Firma in Sinsheim zu fahren, um dort zu duschen und zu essen. Dies habe man auch getan. Außerdem habe man ihm in der Firma "etwas zeigen wollen". Doch weil dort Kameras angebracht sind, sei dies dann doch nicht geschehen, sagte der Mann.
Beide Täter sind geständig. Der 42-jährige Mittäter lebt in Sinsheim. Auch er sagt, er wisse nicht mehr, warum es zum Streit gekommen war. Seine Verteidigerin gab an, dass er die Tat zutiefst bereut. Er habe nun Geld gespart, um dem Opfer ein Schmerzensgeld zu zahlen. 2500 Euro übergab sie dem Verteidiger des Opfers. Dieser sagte, er wolle das Geld im Rahmen eines Täter-Opfer-Ausgleichs als Teilzahlung eines Schmerzensgeldes akzeptieren. Ein Gespräch zwischen seinem Mandanten und den Tätern lehnte er jedoch ab.
Der Rechtsanwalt betonte, dass der Verletzte in jener Nacht 18 Stunden ohne ärztliche Versorgung sich selbst überlassen auf dem Gelände lag: "Die Angeklagten haben nichts unternommen, um dieser lebensbedrohlichen Entwicklung entgegen zu wirken." Das Opfer spürt die Folgen der Schläge bis heute, unter anderem habe er auch ein schweres Trauma erlitten. Der Verteidiger stellte einen Antrag auf ein Adhäsionsverfahren, das dem Opfer einer Straftat die Möglichkeit bietet, einen vermögensrechtlichen Anspruch, etwa auf Schmerzensgeld, bereits im Strafverfahren geltend zu machen. Die Verhandlung soll am 8. Dezember um 9.30 Uhr fortgesetzt werden.