Von Tim Kegel
Sinsheim-Dühren/Kraichgau. Frühaufsteher gesucht, Landwirte gesucht, Technik gesucht – um im Frühjahr Rehkitze finden zu können, bevor der Mäher kommt: Ralph Steffen stammt aus Gaiberg, ist von Beruf Forstwirt und geht zur Jagd. Die Jungtiere haben es ihm angetan, deshalb gründet er zurzeit die "Rehkitzrettung Rhein-Neckar": Ehrenamtliche, die Tierkindern helfen und Landwirten einen besonderen Service anbieten wollen.
"Das will keiner erleben", sagt Steffen, ein Mann wie ein Baum. Die großen Mähmaschinen bieten zwar viel Rundumsicht. Trotzdem fallen Rehkitze im Frühjahr in großer Zahl der Wiesenmahd zum Opfer. Eine genaue Anzahl ist nicht bekannt – Verbände und Organisationen sprechen oft von 100.000 beim Mähen getöteten oder schwer verletzten Kitzen. Steffen hat es erlebt und auch Sonja Gebard, Tierärztin in Dühren, kennt es. Mitunter kommt es zu schlimmsten Verstümmelungen, zu ratlos und traumatisiert dastehenden Bauern, wenn es passiert ist. Beteiligte, Tierärzte, Jäger, zufällig ein verletztes Tierjunges findende Spaziergänger – alle hätten beim Anblick "daran zu knabbern", da Hilfe meist zu spät kommt. Die Gefahr, durch Mäher zu sterben, betrifft auch Hasen- und Fasanenjunge.
Am 18. Juni hat Steffen den Verein gegründet, nicht ganz ein Jahr Zeit gaben sich er und seine Mitstreiter. Mit modernen Drohnen und Wärmebildkameras will der Verein deshalb Jäger und Landwirte aus der Luft und am Boden unterstützen, um den Kitzen dieses Schicksal zu ersparen. Sie wollen "verlässliche Ansprechpartner" sein und bis es los geht so viele Unterstützer und Kontakte wie nur möglich finden.
Kleinen Rehkitzen fehlt der Fluchtreflex. Ralph Steffen will sie mit seinem Verein vor dem Kreiselmäher retten. Tierärztin Sonja Gebhard unterstützt das Projekt. Foto: Tim KegelEine davon ist die Dührenerin Gebhard, die dem Verein jetzt 1000 Euro Starthilfe gespendet hat. Rund 2000 Euro kostet die Drohne, rund 6000 Euro die Wärmebildkamera, sagt Steffen, der, wie er sagt, aus Idealismus handelt und eine gewisse Technikbegeisterung mitbringt.
Die Kitzrettung läuft so ab: Ein Landwirt oder Jagdpächter nimmt zum Verein Kontakt auf, informiert über sein Vorhaben an einem bestimmten Tag ein Stück Land zu mähen. Der Verein organisiert Suchtrupps aus Mitgliedern und Freiwilligen und stellen Retter-Teams zusammen. Alle Mitglieder arbeiten ausschließlich ehrenamtlich, und müssen Frühaufsteher sein: "Die Arbeit findet meist in den frühen Morgenstunden zwischen 4 und 7 Uhr statt", sagt Steffen. Er denkt bei seinen Helfern an Naturliebhaber, Rentner, Studenten oder wer auch immer Gefallen an der sinnvollen Tätigkeit findet.
In Teams aus mindestens vier Personen werden Flächen abgesucht. Ein Mitglied des Teams, der Drohnenpilot, fliegt mit der Drohne die Wiese ab und scannt diese nach Wärme Signaturen. Ein zweites Mitglied beobachtet auf dem Bildschirm, ob sich Tiere in der Wiese befinden. Wird ein Wildtier geortet muss es schnell gehen. Mit Funkgeräten werden die Helfer zum Fundort geleitet, um das Kitz zu bergen.
Dabei wird das Kitz mit Gras "eingepackt", damit es keinen menschlichen Geruch annimmt, aus der Wiese getragen und während der Mahd in eine Holzkiste gelegt. Später wird diese entfernt; Rehmütter können ihren Nachwuchs unbeschadet am Wiesenrand abholen.
Info: Wer Interesse hat und helfen möchte, kann sich hier an die Rehkitz-Rettung wenden.