Mannheimer Stadtteile

Die Oberstadt ist mittendrin und doch versteckt

Neben schmucken Einkaufsstraßen und großen Plätzen hat der Stadtteil auch einige ruhige Ecken zu bieten.

15.09.2021 UPDATE: 16.09.2021 06:00 Uhr 2 Minuten, 50 Sekunden
Schillerplatz. Foto: Gerold

Von Marco Partner

Mannheim. Mozart lebte hier. Und Schiller. Wenn es um das Who-is-Who in den frühen Jahren Mannheims geht, konzentriert sich nahezu alles auf die heutige Oberstadt. Heinrich Lanz hatte hier eine Villa, der Großindustrielle Friedrich Engelhorn sogar ein Palais. Und Kurfürst Carl Theodor sowie seine Gemahlin Elisabeth Auguste lebten quasi um die Ecke. Vom Schloss bis zum Paradeplatz, vom Hafen bis zum Wasserturm erstreckt sich der südliche Teil der Quadrate, dessen barocker Glanz sich fast ein wenig hinter der Shoppingwelt versteckt.

FDP-Stadtrat Volker Beisel vor dem maroden Stadthaus in N 1, das seit Kurzem unter Denkmalschutz steht. Foto: Gerold

Am Paradeplatz kommt alles zusammen: Nicht nur die Planken und die Breite Straße treffen sich hier, sondern auch viele Mannheim-Bummler mit ihren Einkaufstaschen. Blickt man sich am zentralsten Platz der Innenstadt um, sieht man Bauprojekte und Veränderungen: Das alte Post-Gebäude in O2 wird gerade in ein Hotel umgewandelt, das Hauptgebäude der Sparkasse erfährt in den kommenden Jahren einen Neubau – und das Stadthaus in N1? Das sollte eigentlich abgerissen werden und einem neuen Entwurf weichen. Doch zur großen Überraschung wird sich nun erst mal der Denkmalschutz mit dem Gebäude aus den 80er-Jahren beschäftigen.

Das Zeughaus beherbergt heute einen Teil der Reiss-Engelhorn-Museen. Foto: Gerold

Riesige Treppengänge, häufiger Leerstand, enorme Heizkosten und ein seit Jahren aufgrund der Brandschutzauflagen ungenutztes Turmcafé: "Es muss weg und sollte durch eine historische Version ersetzt werden, um an die Barockzeit Mannheims zu erinnern", findet Volker Beisel. Als Stadtrat der FDP nimmt er seit 2004 an den Gemeinderatssitzungen in eben jenem Gebäude teil, an dessen Stelle einst ein prachtvoller Barockbau stand.

Nicht immer – sogar eher selten – haben Mannheim-Besucher auch die Geschichte der Quadratestadt im Blick. Beisel, der selbst in Neuhermsheim wohnt, zieht sich jedoch gerne mal in die historischen Ecken zurück. In die Lauerschen Gärten mit alter Festungsmauer, nur einen Block hinter den Kapuzinerplanken. Oder zum Schillerplatz mit grüner Wiese, mit Jesuitenkirche und alter Sternwarte als historische Nachbarn. "Das ist vielleicht der ruhigste Quadrant und das Besondere: Für eine Innenstadt gibt es hier sehr ruhige Wohnviertel. Und doch ist man in wenigen Schritten mitten im Geschehen", sagt Beisel über den Reiz der Oberstadt.

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Auch die Stadtbibliothek befindet sich in dem Gebäude. Foto: Gerold

Und die Betonung liegt auf Schritten: Mit dem Ende August startenden Verkehrsexperiment werden dem Auto sprichwörtlich mehr Schranken gelegt. Der FDP-Politiker hat angesichts der vielen Baustellen in den Ausweichstraßen noch seine Zweifel, wie der Verkehr in dem Testjahr durch die Quadrate fließen wird. "Die Idee ist, dass Gäste ganz gezielt nur ein Viertel des Quadrate-Kuchens ansteuern", erklärt er. Wichtig sei aber auch, dass sich die Anwohner weiterhin mit dem Verkehrsmittel ihrer Wahl fortbewegen können. An Parkplätzen (ob für Besucher oder Bewohner) jedenfalls soll es in der City aufgrund der vielen Parkhäuser nicht mangeln. Dementsprechend hat die Stadt auch schon ein Auge auf einen der wenigen oberirdischen Parkplätze geworfen.

Im M4-Quadrat gegenüber des Jobcenters finden rund 100 Pkw ihre Parkbucht. "Eigentlich ist der Platz viel zu schade", sagt Beisel. Er würde sich eine weitere Grünfläche samt Spielplatz wünschen, um mehr Aufenthaltsqualität zu schaffen. "Es muss stets eine Balance für Anwohner, Arbeiter und Besucher gefunden werden", meint der Stadtrat, der als Sechsjähriger in Mannheim "strandete". Als Sohn einer Binnenschifffahrerfamilie besuchte er die Grundschule auf dem Almenhof und später die Friedrich-List-Berufsschule im C6-Quadrat. Das erste Mal auf eigene Faust shoppen gehen, die ersten Ausgeherfahrungen in der Jugend: diese Erlebnisse sammelte Beisel natürlich in den schachbrettartigen Buchstaben-Vierteln. "Die Quadrate trägt man als Mannheimer im Herzen, sie geben Orientierung", betont er.

Hintergrund

> Fläche: 0,95 km2

> Einwohner: 7628

> Einwohner pro km2: 8054

> Altersschnitt: 38,6

> Migration: 51,1 Prozent

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> Fläche: 0,95 km2

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> Altersschnitt: 38,6

> Migration: 51,1 Prozent

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Zu Kurfürstenzeiten gehörten die Quadrate der Oberstadt zu den besten Adressen. Die Adelshäuser an der Bismarckstraße zeugen noch heute davon. In die Prachtbauten von einst sind vor allem öffentliche Einrichtungen wie die Reiss-Engelhorn-Museen, die Musikschule, das Rathaus oder die Stadtbibliothek eingezogen. "Und auch die Universität wächst immer mehr in die Quadrate hinein." Nachverdichtung ist aufgrund der steigenden Wohnungsnachfrage ein großes Thema. Die Oberstadt findet Antworten: Auf dem Grundstück des einstigen Uni-Clubs sollen Wohnungen für Studierende entstehen. Der ehemalige Kaufhof in N7, der bis auf das Erd- und Untergeschoss abgerissen ist, soll mit Wohnraumfläche aufgestockt werden.

Am Ende seines Rundgangs bleibt Beisel am Dalbergplatz stehen. Eingeklemmt zwischen Park- und Stadthaus, wirkt der Platz inmitten des Baugigantismus der 80er-Jahre versteckt und verloren. Ein bayrisches Restaurant sucht seit Jahren einen Nachfolger. Ins Parkhaus soll die Bibliothek einziehen, doch was wird nun aus dem ungeliebten Stadthaus? "Eine offene Bauweise könnte die Optik enorm aufwerten, der Platz könnte wie eine italienische Piazza wirken", sagt Beisel und pocht darauf, das historische Erbe besser zu nutzen: für die Bewohner und für die Gäste der Oberstadt.

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