"Corona-Spaziergänger"

Am Mannheimer Plankenkopf eingekesselt (Update/Fotogalerie)

Aus Wut über die Corona-Maßnahmen waren 2000 "Spaziergänger" in der Mannheimer Innenstadt unterwegs.

13.12.2021 UPDATE: 14.12.2021 19:45 Uhr 3 Minuten, 35 Sekunden
Foto: PR-Video

Von Olivia Kaiser

Mannheim. Zehn Tage vor Weihnachten ist die Mannheimer Innenstadt jeden Abend gut besucht – auch in der Coronazeit. Menschen fahren von der Arbeit nach Hause, trinken ein Feierabend-Bierchen, machen Weihnachtseinkäufe. Doch am Montagabend füllt sich die Stadt plötzlich mit sogenannten "Spaziergängern", die lautstark gegen die Corona-Maßnahmen demonstrieren. Der Verkehr auf dem Ring kommt zum Erliegen, die Straßenbahnen stecken fest. Unter anderem marschieren die Demonstranten durch die Fressgasse und skandieren "Friede, Freiheit, keine Diktatur".

Dass sich da was zusammenbrauen könnte, ist der Polizei bekannt. Die Zusammenkunft war einige Tage zuvor in sozialen Netzwerken beworben, aber laut Polizeisprecher Patrick Knapp bei der Stadtverwaltung nicht angemeldet worden. Die habe deshalb die Versammlung verboten. Trotzdem kommen gegen 18.30 Uhr die ersten Teilnehmer zum Wasserturm. Die Polizei weist sie auf das Verbot hin und spricht einen für den Abend gültigen Platzverweis für die Innenstadt aus. Doch das stört die schnell wachsende Menge nicht. Sie wollen durch die Planken in Richtung Paradeplatz ziehen. Es sei gelungen, das zu verhindern, berichtet Knapp gegen 19.45 Uhr. Die Polizei ist mit einem Großaufgebot vor Ort, unterstützt von der Bereitschaftspolizei sowie Kräften aus Heidelberg und Heilbronn.

Hintergrund

Stellungnahme der Fraktionen im Mannheimer Gemeinderat zum sogenannten "Corona-Spaziergang"

Die Corona-Pandemie stellt für uns alle immer noch eine große Herausforderung dar. Besonders Familien, Kinder und Jugendliche, aber auch ältere

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Stellungnahme der Fraktionen im Mannheimer Gemeinderat zum sogenannten "Corona-Spaziergang"

Die Corona-Pandemie stellt für uns alle immer noch eine große Herausforderung dar. Besonders Familien, Kinder und Jugendliche, aber auch ältere Menschen und vulnerable Gruppen sind in besonderer Weise von den Einschränkungen betroffen. Zudem leiden einzelne Berufsgruppen wie Kulturschaffende, gastronomische Betriebe oder der Einzelhandel unter den notwendigen Beschränkungen. In Kliniken und Pflegeheimen gehen Ärztinnen und Ärzte sowie das Gesundheits- und Pflegepersonal tagtäglich bis an ihre Grenzen und darüber hinaus, um an Corona Erkrankten zu helfen, aber auch um trotz aller Vorsichtsmaßnahmen den regulären Betrieb weiter am Laufen zu halten. Die Pandemie beeinträchtigt den Alltag von uns allen und verlangt uns viel ab.

In dieser Zeit zählen Zusammenhalt, Achtsamkeit und Solidarität, aber auch Nachsicht, Umsicht und Geduld. Denn auch wenn nicht jeder bislang beschrittene Weg sich tatsächlich als zielführend herausstellt, so ist doch klar, dass die Verantwortlichen auf allen Ebenen mit allen Mitteln versuchen das Beste zu tun und gesundheitlichen Schaden von den Menschen abzuwenden. Und nichtsdestotrotz müssen wir in Politik und Gesellschaft weiter diskutieren und gemeinsam den besten Weg suchen, um möglichst gut aus dieser Pandemie herauszukommen.

Mit großem Unverständnis haben wir daher die als Spaziergang getarnte Demonstration am vergangenen Montag erlebt. Dem persönlichen Ärger und Frust über Corona-Schutzmaßnahmen Luft zu machen und sein Demonstrationsrecht wahrzunehmen ist Teil unseres demokratischen Diskurs. Aber mit Gewalt auf die Maßnahmen der Polizei zu reagieren und die körperliche Auseinandersetzung zu suchen überschreitet die Grenzen des rechtlich zulässigen Verhaltens und gefährdet den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Mit Meinungsfreiheit und Selbstbestimmung hat das nichts mehr zu tun. Wir haben Verständnis für diejenigen, die Fragen zu der Schutzimpfung haben oder derzeit mit Unsicherheit reagieren. Jede und Jeder muss sich aber fragen lassen, wem sie bei einer nicht genehmigten Demonstration hinterherlaufen und ob sie deren offensichtlich antidemokratischen Werte und unsolidarische Haltung wirklich teilen oder sich für anderer Zwecke und Ziele instrumentalisieren lassen. Hier geht es nicht um Frieden und Freiheit, sondern um das Gegenteil.

Wir, die demokratischen Fraktionen im Mannheimer Gemeinderat, rufen alle Bürgerinnen und Bürger zum friedlichen Miteinander auf, zu Dialog und Austausch. Wir verurteilen Hass und Hetze und Gewalt und fordern alle rechtlichen Maßnahmen, solche unerlaubte Aufmärsche in der Zukunft zu verhindern. Lassen Sie uns als Mannheimer Bürgerinnen und Bürger weiter zusammenhalten und solidarisch füreinander einstehen.

Stefanie Heß und Melis Sekmen, Fraktionsvorsitzende GRÜNE Fraktion Mannheim

Thorsten Riehle, Fraktionsvorsitzender SPD im Mannheim Gemeinderat

Claudius Kranz, Fraktionsvorsitzender CDU Fraktion Mannheim

Dr. Birgit Reinemund, Fraktionsvorsitzende FDP/MfM Fraktion Mannheim

Prof. Dr. Achim Weizel, Fraktionsvorsitzender Freie Wähler/Mannheimer Liste

Dennis Ulas, Fraktionsvorsitzender Li.Part.Tie

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Allerdings bilden die "Spaziergänger" viele kleine Gruppen und versuchen nun, durch die Seitenstraßen auf die Planken zu gelangen. Dabei bevölkern sie auch die Fressgasse. Die "Spaziergänger" liefern sich ein Katz-und-Maus-Spiel mit den Ordnungskräften, das an manchen Stellen auch gewalttätig wird: "Bei dem Versuch mehrerer Personen, eine Polizeiabsperrung zu durchbrechen, wurden drei Polizisten leicht verletzt", so Knapp. "Hierbei mussten durch die Polizei auch Zwangsmaßnahmen eingesetzt werden." Zu diesem Zeitpunkt schätzt er, dass circa 600 bis 800 Menschen unterwegs sind. Später wird klar: Es sind etwa 2000 und damit mehr als doppelt so viele. Unter ihnen sind Seniorinnen mit Einkaufstaschen, Familien mit kleinen Kindern und Jugendcliquen. Da aber auch viele "normale" Bürger unterwegs sind, ist es schwer zu unterscheiden, wer "Spaziergänger" ist und wer unbeteiligter Passant.

Die Polizei hat derweil mehrere Absperrungen in den Planken eingerichtet, die Stimmung wird zunehmend aggressiver. Immer wieder geraten Demonstranten mit Ordnungshütern aneinander und werden dabei von den Umstehenden verbal unterstützt. Nahe der Haltestelle Strohmarkt haben – abgeschirmt von Polizeikräften – zehn Gegendemonstranten Stellung bezogen und halten Banner, auf denen unter anderem "Impfen = Solidarität" steht.

Gegen 21 Uhr hat sich die Lage in der City wieder entspannt – mit Ausnahme des Plankenkopfs. Dort hat die Polizei etwa 120 Demonstranten eingekesselt, die sich bis zuletzt weigern, die Innenstadt zu verlassen. Von jedem einzelnen werden die Personalien erhoben. Die Bilanz: 121 Personen bekommen wegen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz eine Anzeige. Weitere drei Personen müssen aufgrund verschiedener Straftaten wie Widerstand oder Beleidigung mit Strafverfahren rechnen. Insgesamt werden an diesem Abend sechs Polizisten verletzt.

Update: Dienstag, 14. Dezember 2021, 19.45 Uhr


Verbotene Versammlung in Innenstadt beschäftigt Polizei

Rund 2000 Personen wollten durch die Innenstadt ziehen, 121 wurden angezeigt. Sechs Polizisten wurden bei dem Einsatz verletzt.

Mannheim. (pol/lyd) Teilnehmer einer verbotenen Versammlung zogen am Montagabend, ohne Einhaltung der Abstandsregeln oder Maskenpflicht, in mehreren Aufzügen durch die Mannheimer Innenstadt und sorgten für starke Verkehrsbeeinträchtigungen. Das teilt die Polizei mit. 

Die seit vergangener Woche beworbene, aber bei der Stadt Mannheim nicht angemeldete Versammlung wurde gegen 18.30 Uhr durch die Versammlungsbehörde verboten. Die am geplanten Treffpunkt, dem Mannheimer Wasserturm, anwesenden Teilnehmer wurden vor Ort von der Polizei angesprochen und auf das Verbot hingewiesen. Ihnen wurde gleichzeitig ein für den Abend gültiger Platzverweis für die Mannheimer Innenstadt ausgesprochen. 

Das Versammlungsverbot sowie die ausgesprochenen Platzverweise wurden durch die schnell ansteigende Teilnehmerzahl ignoriert. Sie formierten sich in der Folge zu einem nicht genehmigten Aufzug in Richtung Paradeplatz.

Nachdem dieser zunächst gestoppt werden konnte, bildeten sich mehrere kleinere Aufzüge, welche im Innenstadtbereich immer wieder durch Polizeikräfte angehalten wurden. Bei dem Versuch mehrerer Personen eine Polizeiabsperrung zu durchbrechen, wurden drei Polizisten leicht verletzt. Hierbei setzte die Polizei auch Zwangsmaßnahmen ein. Insgesamt wurden im Verlauf des Abends sechs Polizisten verletzt. 

Kurzzeitig formierte sich im Innenstadtbereich auch eine Kundgebung von etwa zehn Gegendemonstranten. Ein Aufeinandertreffen der beiden Gruppen konnte verhindert werden. 

Aufgrund der unerwartet hohen Anzahl an Personen, in der Spitze waren etwa 2000 Menschen in mehreren Gruppen im Innenstadtbereich unterwegs, wurden weitere Polizeikräfte alarmiert, unter anderem des Polizeipräsidiums Einsatz. Danach beruhigte sich die Lage in der Stadt spürbar. 

Bei einer etwa 120-köpfigen Personengruppe, die sich am "Plankenkopf" bis zuletzt weigerte, den Platzverweisen nachzukommen, wurden die Personalien erhoben.

Insgesamt wurden 121 Personen wegen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz angezeigt, drei weitere müssen wegen verschiedener Straftaten wie Widerstand oder Beleidigung mit Strafverfahren rechnen. Die letzten Verkehrssperrungen im Innenstadtbereich wurden um 22.15 Uhr aufgehoben, teilte die Polizei mit.

Update: Dienstag, 14. Dezember 2021, 8.10 Uhr


Demo gegen Corona-Maßnahmen legt Innenstadt lahm

Bis zu 800 Menschen demonstrierten am Montagabend gegen die Corona-Maßnahmen und das Impfen. Die Polizei ist mit einem Großaufgebot im Einsatz.

Mannheim. (oka) "Friede, Freiheit, keine Diktatur", skandierten sie und zogen durch die Fressgasse. Am Montagabend haben sogenannte "Spaziergänger" die Innenstadt lahmgelegt. Gegen 18.30 Uhr formierten sich die ersten Demonstranten am Wasserturm. Schnell stießen mehr Menschen hinzu und machten ihren Unmut gegen die Corona-Regeln und das Impfen deutlich.

Zwischen 600 und 800 Demonstranten, so schätzte Patrick Knapp, Leiter der Stabstelle Öffentlichkeitsarbeit im Polizeipräsidium, waren in der City unterwegs. Da auch noch viele "normale" Bürger auf der Straße seien, falle eine genaue Schätzung schwer. Der Verkehr auf dem Ring sowie der Straßenbahnverkehr in der Innenstadt kam zum Erliegen.

"Die Versammlung wurde über die sozialen Medien beworben", erläuterte Knapp. "Sie war aber nicht angemeldet." Daraufhin habe die Stadtverwaltung den Demonstrationszug verboten. Aufgrund des großen Polizeiaufgebots verteilten sich die "Spaziergänger" in den Quadraten. Ziel sei zu verhindern, dass sich die Gruppen wieder vereinen und in einem großen Zug durch die Planken marschieren. "Wir erteilen jedem einen Platzverweis für die Innenstadt, der bis 24 Uhr gilt", so Patrick Knapp.

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