Letzte Woche sprach ein Unterstützer der BDS-Kampagne an der Volkshochschule. Foto: Rothe
Von Anica Edinger
Heidelberg. US-Präsident Donald Trump erkennt Jerusalem als Hauptstadt Israels an, die radikalislamische Palästinenserorganisation Hamas ruft zu einer neuen Intifada auf - und auch in Heidelberg erhitzt der Konflikt zwischen Israel und Palästina gerade die Gemüter. Anlass ist ein Vortrag des israelischen Autors Jeff Halper in der Volkshochschule (VHS). Er sprach dort am Montag vergangener Woche auf Einladung der Palästina-/Nahostinitiative.
Jetzt titelt die die renommierte israelische Tageszeitung "Jerusalem Post": "Deutsche Universitätsstadt steht unter Beschuss wegen Boykott-Aktivitäten gegen Israel". Im Artikel heißt es etwa, das "Simon Wiesenthal Center" - eine jüdische, internationale Nicht-Regierungsorganisation - sei entrüstet, dass die Stadt es toleriert habe, einen möglicherweise antisemitischen Referenten in öffentlichen Räumen sprechen zu lassen. Denn Jeff Halper ist nicht nur Autor und Friedensaktivist, er unterstützt auch die israelkritische BDS-Kampagne. Sie steht für "Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen" - und zielt darauf ab, Israel wirtschaftlich, politisch und kulturell zu isolieren. Schon vor Halpers Vortrag gab es Kritik vom Heidelberger Jungen Forum der Deutsch-Israelischen Gesellschaft. Es forderte von der VHS, Halper wieder auszuladen (wir berichteten). Auf RNZ-Anfrage sagte die Palästina-/Nahostinitiative, Halper trete nicht für die Kampagne auf. Doch dann zeigte er bei seinem Vortrag - während dessen es immer wieder zu lautstarken Protesten kam - auf Nachfrage aus dem Publikum eine Folie zu der Thematik, betonte, er sei stolz, BDS zu unterstützen. Sie sei ein "friedlicher Protest gegen die Apartheid".
Aus Sicht des Jungen Forums ist das ein Skandal. Daher fordert es, "alle notwendigen Konsequenzen zu ziehen und in Zukunft keinen Raum mehr für derartige Agitation zu bieten". Als Vorbild könnten Berlin, Frankfurt oder München dienen, wo Auftritte von Vertretern der BDS-Kampagne in öffentlichen Räumen bereits verboten sind. Jakob Flemming, Sprecher des Jungen Forums, sagt auf RNZ-Anfrage: "Es wäre begrüßenswert, wenn sich auch die Stadt zu einem solchen Verbot durchringen würde." Schließlich sei BDS eindeutig antisemitisch - und zu dieser Sichtweise solle sich auch die Stadt bekennen.
Professor Johannes Heil, Rektor der Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg, stimmt zu: "Berlin, Frankfurt und München haben hier nach gründlichen Diskussionen für öffentliche Räume klare Grenzen gezogen. Das sollte in Heidelberg nicht anders sein." Die BDS-Kampagne habe für ihn nichts mehr mit Kritik an Israel zu tun, vielmehr käme bei "Aufrufen zu kollektiven Aktionen gegen Juden, zumal in Deutschland, ein Grundmuster antisemitischer Deutungsweisen zur Anwendung".
Die Heidelberger CDU-Fraktion will Halpers Vortrag in der VHS zum Anlass nehmen, "um die Nutzungsbedingungen für städtische Räume noch einmal zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen". Meinungsfreiheit sei zwar ein hohes Gut, die Grenze aber bei antisemitistischer Agitation erreicht. Von der SPD-Fraktion heißt es, man bedaure zwar die Eskalation bei der Veranstaltung und stehe "an der Seite unserer jüdischen Mitbürger" - "wir meinen aber, dass aus diesem Ereignis kein Hausverbot gerechtfertigt wäre", so SPD-Stadträtin Monika Meissner. Dennoch ergänzt Stadtrat Michael Rochlitz, der im Beirat der VHS sitzt: "Jede Institution sollte darauf achten, dass Meinungs- und Informationsfreiheit nicht mit einseitiger Propaganda verwechselt wird." Grünen- Fraktionsvorsitzende Beate Deckwart-Boller sagt dagegen: "Wir möchten überhaupt keine Verbote aussprechen." Solange es sich nicht um Volksverhetzung handle, könne jeder seine Meinung frei äußern.
Auch die Stadtverwaltung hat sich der Frage angenommen. Ein Stadtsprecher sagte auf Anfrage, die Thematik werde beim nächsten interreligiösen Dialog im Frühjahr 2018 auf der Tagesordnung stehen.