Ende September begrüßte Oberbürgermeister Eckart Würzner (Mitte, grauer Anzug) die Bezirksbeiräte aus den 15 Stadtteilen im großen Saal des Rathauses zu einer Informationsveranstaltung. Foto: Philipp Rothe
Von Werner Popanda und Timo Teufert
Heidelberg. Es ist ein unscheinbares Schreiben über die Arbeit der Bezirksbeiräte, das Oberbürgermeister Eckart Würzner Anfang September an alle 210 Vertreter aus den Stadtteilen verschickte. Doch es bietet erheblichen Zündstoff. In dem Brief erklärt der OB zunächst kurz die Arbeit der Bezirksbeiräte, die dem Gemeinderat beratend zur Seite stehen, bevor es auf der zweiten Seite ans Eingemachte geht: Dort ist zu lesen, dass Sitzungen künftig nicht mehr unterbrochen werden dürfen, damit Bürger von den Zuschauerrängen ihre Anliegen oder Anregungen zu bestimmten Tagesordnungspunkten vorbringen können. Mehr als zwanzig Jahre lang war dies ohne Probleme möglich, jetzt verweist der OB auf die Gemeindeordnung. Zahlreiche Bezirksbeiräte und Vertreter der Stadtteilvereine kritisieren das Vorgehen des OBs.
Würzner besteht in dem Schreiben darauf, dass die Einwohner Heidelbergs nur im Rahmen des Tagesordnungspunkts "Fragestunde", der jeder Sitzung vorangestellt wird, "Fragen, Anregungen und Vorschläge zu wichtigen Angelegenheiten des Stadtbezirks an die Sitzungsleitung" richten dürfen. Zu inhaltlichen Punkten könnten geladene, sachkundige Personen zugezogen oder Betroffene gehört werden. "Außerhalb dieser Regelungen sieht die Gemeindeordnung eine Wortmeldung der Öffentlichkeit während der Sitzungen nicht vor", schreibt der OB. Weiter heißt es in dem Brief: "Auch eine Sitzungsunterbrechung, die darauf abzielt, Wortmeldungen der Öffentlichkeit zu Beratungsgegenständen zu ermöglichen, ist unzulässig."
Nur: Die bisher praktizierte Regelung ist in der Geschäftsordnung der Bezirksbeiräte, die vom Gemeinderat 1992 beschlossen wurde, verankert: "Der Bezirksbeirat kann betroffenen Personen oder Personengruppen Gelegenheit geben, ihre Auffassung im Bezirksbeirat vorzutragen (Anhörung). Die Anhörung wird außerhalb der Beratungen durchgeführt", heißt es darin unter dem Punkt "Mitwirkung im Bezirksbeirat". Zwar wird in der Geschäftsordnung nicht explizit der Begriff "Sitzungsunterbrechung" verwendet, der Passus belegt aber, dass Sitzungen sehr wohl unterbrochen werden dürfen, um Bürgern die Möglichkeit zu geben, zu gewissen Punkten Stellung zu nehmen oder Fragen zu stellen. Zumal in der Geschäftsordnung explizit noch einmal darauf verwiesen wird, dass der entsprechende Punkt aus der Geschäftsordnung des Gemeinderats - hier müssen die Stadträte der Anhörung von Fachleuten, aber auch von Betroffenen zustimmen - bei den Bezirksbeiräten keine Anwendung findet.
Und so ist der Ärger insbesondere beim Rohrbacher Bezirksbeirat groß: "Wir halten es für eine Beschneidung unserer Rechte, dass wir keine Sitzungsunterbrechung mehr beantragen können, um Bürger zu Wort kommen zu lassen", ärgerte sich etwa die Rohrbacher Bezirksbeirätin Karin Weidenheimer (CDU) in der letzten Sitzung des Gremiums. So werde das Gremium daran gehindert, an Informationen zu kommen, die für Entscheidung relevant seien. Und Bernd Knauber (SPD) sagte: "Das ist eine völlig absurde Sache."
Auch der Stadtteilvereinsvorsitzende Hans-Jürgen Fuchs, der selbst lange als Bezirksbeirat aktiv war, empörte sich: Die Regelung laufe dem Ansinnen, transparent zu machen, was in den Gremien laufe, völlig entgegen. "Es wird immer über Bürgerbeteiligung gesprochen und es werden dazu riesige Verfahren installiert und dann verbietet man so eine kleine, aber ungemein effektive Möglichkeit für Bürger, zu Wort zu kommen?", zeigte sich Fuchs völlig ratlos. Das Vorgehen des Oberbürgermeisters könne er nicht nachvollziehen. Denn in den fast 20 Jahren, in denen er ununterbrochen im Bezirksbeirat sitzt, habe er es kein einziges Mal erlebt, dass Bürger ihre Möglichkeit, in einer Sitzungsunterbrechung zu sprechen, missbraucht hätten. "Im Gegenteil hat dieses Verfahren immer der Sache gedient und war hilfreich", so Fuchs.
In Rohrbach will man das Schreiben des OBs daher nicht einfach hinnehmen und hat deshalb über die Parteigrenzen hinweg einstimmig beantragt, dass die Neuregelung auf den Prüfstand gestellt wird.