Die Klima-Rebellion beginnt

Aktivisten sorgten für Stau am Bismarckplatz

... und blockierten die Theodor-Heuss-Brücke - Heftige Kritik an Heidelberg Cement

16.04.2019 UPDATE: 17.04.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 6 Sekunden

Um 15.15 Uhr blockierten Aktivisten der "Extinction Rebellion" am Dienstag die Theodor-Heuss-Brücke. Damit wollten sie auf die Klimakrise aufmerksam machen. Foto: Rothe

Von Charmaine Utzig und Denis Schnur

Heidelberg. Um 15.16 Uhr war die Straße dicht. Rund 60 Aktivisten der "Extinction Rebellion"-Bewegung standen plötzlich mit Bannern, Plakaten und Trommeln am Neuenheimer Ende der Theodor-Heuss-Brücke - und in Richtung Norden ging nichts mehr: Auf beiden Spuren blieben die Autos stehen, stauten sich bis weit hinter den Bismarckplatz. Eine Polizeistreife, die vor Ort war, griff nicht ein, zeigte bloß den Autofahrern, dass sie anhalten mussten. Erst nach fünf Minuten fragte ein Beamter, wann die Straße wieder freigegeben werde. "Fünf Minuten! Versprochen!", rief einer der Aktivisten - und der Polizist ließ sie gewähren.

Während der Großteil der jungen Menschen lautstark auf ihr Anliegen - der entschlossene Kampf gegen den Klimawandel - aufmerksam machte, gingen immer wieder Einzelne zwischen den wartenden Fahrzeugen hindurch, erklärten, worum es ihnen geht, verteilten Kekse und Flyer. Viele Autofahrer fanden die Aktion überraschend gut, andere - ohnehin genervt vom Stau in der Innenstadt - zeigten deutlich, wie wenig sie von der Aktion hielten.

Nach zehn Minuten machten die Klimakämpfer die Straße wieder frei - um sie fünf Minuten später noch einmal für zehn Minuten zu blockieren. Erst gegen 15.40 Uhr verließen sie die Brücke. "Wir wollten den Alltagsfluss stoppen", erklärte Leonie, eine der Aktivistinnen, und das sei gelungen. Das sei das erklärte Ziel der "Extinction-Rebellion"-Bewegung, die durch Aktionen des zivilen Ungehorsams auf die Klimakrise aufmerksam machen will.

Noch fünf Minuten: Zumindest wussten die Autofahrer, wann es weitergeht. Foto: Rothe

Das tat sie am gestrigen Dienstag in Heidelberg zunächst mit einer ganz legalen Kundgebung um 12 Uhr auf dem Uniplatz. Dort sprachen Vertreter der Heidelberger Energiegenossenschaft, Metropol-Solar, des Klimakollektivs und anderen Umweltorganisationen und übten scharfe Kritik am Konzern Heidelberg Cement, der mit seinen Tochterunternehmen weltweit gegen Menschen- und Völkerrecht verstoße und Ökosysteme zerstöre. Acht Prozent der globalen CO2-Belastung werde durch die Zementindustrie verursacht - zuviel, finden die Klimaaktivisten.

Auch interessant
Fridays for Future: "Heidelbergs Klimaziele sind nicht ambitioniert" (plus Video)
"Fridays for Future"-Demo in Mannheim: 1300 Schüler gingen auf die Straße (plus Fotogalerie)

"Wir fordern eine klare Kommunikation der Medien und der Politik an die Bevölkerung, dass die Klimakrise existenziell ist", betonte Jochen Stadler. Er bemängelte, dass vielen das Ausmaß der Krise nicht bewusst sei. "Wir brauchen noch mehr Rückhalt in der Bevölkerung", sagte er. "Weniger Fleisch essen oder Fahrrad fahren ist zwar wunderbar, aber um etwas zu erreichen, müssen wir das ganze System ändern."

Hintergrund

Heidelberg Cement reagiert auf Vorwürfe der Klima-Aktivisten

Die Klima-Aktivisten von "Extinction-Rebellion" übten bei ihrer Protestaktion am gestrigen Dienstag heftige Kritik an der Zementproduktion und konkret am Heidelberger Konzern Heidelberg

[+] Lesen Sie mehr

Heidelberg Cement reagiert auf Vorwürfe der Klima-Aktivisten

Die Klima-Aktivisten von "Extinction-Rebellion" übten bei ihrer Protestaktion am gestrigen Dienstag heftige Kritik an der Zementproduktion und konkret am Heidelberger Konzern Heidelberg Cement. Dieser reagierte bereits am Nachmittag auf die Vorwürfe und bekräftigte in einer Stellungnahme an die RNZ die Rolle, die der Klimaschutz für das Unternehmen spiele.

"Heidelberg Cement unterstützt als einer der größten Baustoffproduzenten weltweit das Pariser Klimaabkommen", heißt es in dem Schreiben. Das Unternehmen wolle seinen Anteil zur Begrenzung des weltweiten Temperaturanstiegs leisten. So arbeite es "in einer Vielzahl von Forschungsprojekten an der Entwicklung eines CO2-neutralen Betons" mit.

Investitionen in Nachhaltigkeit

"Unser Ziel ist es, bis spätestens 2050 die Vision eines CO2-neutralen Betons zu realisieren. Dabei wollen wir bereits in den kommenden Jahren maßgebliche Fortschritte erzielen", wird der Vorstandsvorsitzende Bernd Scheifele zitiert. Das Unternehmen erkennt zwar an, dass bei der Produktion von Zement viel CO2 freigesetzt wird, betonte jedoch, dass für den Klimaschutz letztendlich die CO2-Bilanz des Baustoffs Betons über dessen gesamte Lebensdauer relevant sei.

Zudem habe der Konzern 2018 eine Klimaschutzrichtlinie erarbeitet und forciere die Erforschung nachhaltiger Produkte sowie die Erneuerung seiner Produktionsstätten. So seien in Deutschland in den letzten drei Jahren mehr als 300 Millionen Euro investiert worden, um Zementwerke zu modernisieren und den Anteil alternativer Brennstoffe auf 90 Prozent zu erhöhen. (utz)

[-] Weniger anzeigen

Entsprechend deutlich sind die Forderungen von "Extinction Rebellion". Die Bewegung fordert die Regierung auf, "die absolute Dringlichkeit des Wandels" an die Bevölkerung zu kommunizieren. Bis 2025 sollen dann die Treibhausgas-Emissionen in Deutschland auf null reduziert werden. Die Maßnahmen sollen zudem von Bürger-Versammlungen begleitet werden. Im Vergleich zur Jugendbewegung "Fridays for Future" tritt die Gruppe radikaler auf. "Wir sehen uns als die erwachsene Unterstützung von ,Fridays for Future’ und leisten unseren Beitrag dazu", erklärte Maike Linde. Die Studentin ist seit Gründung der "Extinction-Rebellion"-Gruppe in Heidelberg im Februar dabei und teilt die Kritik ihrer Mitstreiter an der Bauindustrie: "Es ist uns klar, dass man nicht ganz auf den mit enormen CO2-Emissionen verbundenen Zement verzichten kann, aber es gibt auch Alternativen: etwa Holzbauten oder Nullemissionshäuser."

Daniel Bannasch sieht dagegen vor allem in erneuerbaren Energien die Lösung der Klimakrise. Um das zu verdeutlichen, trug der Vorstand von Metropol-Solar, einem regionalen Klima-Netzwerk, bei der Kundgebung ein Solarmodul um den Hals. "Damit lade ich gerade mein Handy auf", erklärte er und betonte das Potenzial der Sonne: "Die Solarenergie, die ich aus nur einem Quadratmeter ernten kann, reicht für 1000 Kilometer elektrisches Autofahren."

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.