Kleine Gartenparadiese: Kleingärtnerverein Heidelberg-Stadt wird 75 Jahre alt

Mitten im Zweiten Weltkrieg, ist der "Kleingärtnerverein Heidelberg-Stadt" einer der wenigen Vereine, die tatsächlich in diesen Jahren aus der Taufe gehoben wurden

13.03.2017 UPDATE: 14.03.2017 06:00 Uhr 3 Minuten, 5 Sekunden

Die Kleingartenanlage "Kirchheimer Loch" von oben. Sie grenzt an die im Norden an die Weststadt, im Westen an Kirchheim und ist selbst Teil der Südstadt. Foto: Kay Sommer

Von Werner Popanda

Heidelberg-Südstadt. Allzu viele Vereine dürften es nicht sein, die in diesem Jahr auf ihre Gründung vor 75 Jahren zurückblicken können. Denn 1942, mitten im Zweiten Weltkrieg, trieb die Menschen sicher vieles um, aber wohl eher nicht so sehr die Gründung von Vereinen. Doch der "Kleingärtnerverein Heidelberg-Stadt" ist einer der wenigen, die tatsächlich in diesem Jahr aus der Taufe gehoben wurden. Am 9. März dieses Jahres und damit an einem Tag, für den die Kriegschronik "Luftangriffe auf das Ruhrgebiet" vermeldet, wurde der heutige Jubilar noch unter dem Namen "Kleingärtnerverein Dauerkolonie" in das Vereinsregister eingetragen.

Dem Registereintrag vorausgegangen war eine Versammlung am 28. Dezember 1941. Zu dieser wurden vom Kleingärtnerverein Heidelberg-West all jene ins Gasthaus "Nollert" an der Dreibogenbrücke eingeladen, die sich zwar um eine Parzelle in der vereinseigenen Kleingartenanlage beworben hatten, allerdings nicht zum Zug gekommen waren. Laut dem damaligen Bezirksfachberater Anton Söll waren nämlich in den Jahren 1938/39 so viele Mitglieder zum Verein gestoßen, dass "trotz der Erschließung von fünf kleineren Kolonien die Nachfrage nach Gärten nicht befriedigt werden konnte".

Am 27. Juli 2016 zeigten Helga Goos, Peter Stadler und Bernd Eder Staatssekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch ebenso wie Alfred Lüthin (von links), welch famose und fruchtbare Parzellen es auf der Anlage gibt. Foto: Popanda

Als Ursache für diesen enormen Mitgliederzuwachs nennt er zum einen das "steigende Interesse vieler Familien, als Stadtbewohner mit dem Boden und der Natur durch einen kleinen Garten verbunden zu sein". Zum anderen verweist er auf den "ausbrechenden Krieg mit seiner Rationierung der Lebensmittel". In der Tat waren ab dem 1. September 1939 Fett, Fleisch, Butter, Milch, Käse, Zucker und Marmelade nur noch gegen Lebensmittelkarten erhältlich, ab dem 25. September auch Brot und Eier.

Bei der Versammlung am 28. Dezember 1941 ging es aber nicht um die Erweiterung einer bestehenden Anlage unter dem Dach des Kleingärtnervereins Heidelberg-West. Sondern darum, den "Plan des damaligen Stadtgruppenleiters Gartenbaudirektor Diebolder zu verwirklichen, eine größere Dauergartenanlage zu errichten", so Söll. Möglich wurde dies durch "vom Reich für Daueranlagen bereitgestellte Darlehen", schreibt er weiter. Für die neue Daueranlage wurde das Gewann "Kirchheimer Loch" auserkoren - ein Gelände, das "allseitig von Bahnlinien umschlossen ist und im geplanten Grüngürtel der Stadt lag".

Vor diesem Hintergrund ging es bei der Gründungsversammlung darum, einen neuen Verein ins Leben zu rufen und das "Kirchheimer Loch" unter die Lupe zu nehmen. Zum ersten Vorsitzenden des neuen Vereins wurde der Turnlehrer Anton Söll gewählt, zu seinem Stellvertreter der Oberlehrer Fritz Gscheidlen. Beide blieben bis 1949 in ihren Ämtern. Nach den Wahlen wurde das Gelände von den 30 Versammlungsteilnehmern in Augenschein genommen und die abgesteckten Gärten vergeben. Im Frühling 1942 begann dann "trotz der Schwierigkeiten mit großem Eifer der Einbau der Gärten, die Umzäunung und das Legen der Wasserleitung".

Jedoch bestand das Hauptziel der frischgebackenen Kleingärtner in jener Zeit keineswegs in der "schönheitlichen Gestaltung eines Gartens mit Blumen und Zierpflanzen". Festgehalten wird dies von Richard Beck, dem Vorsitzenden des Landesbundes der Siedler und Kleingärtner Württemberg-Baden, in seinem Grußwort anlässlich des zehnten Vereinsgeburtstags im Jahr 1952. Vielmehr sei in der Kriegszeit die "Bepflanzung von der Sorge um die Ernährung beherrscht" gewesen. Dazu seien noch die "Sorgen des Bombenkrieges" gekommen. Folglich sei schon jede Menge Mühe und Arbeit sowie ein "großer Idealismus" nötig gewesen, "bis der Boden für die Dauergartenanlage bereitgestellt war".

Im "Kirchheimer Loch", in dem die neue "Dauerkolonie" ihre Heimat gefunden hatte, wurde seit 1750 Kies abgebaut. In die so "zusätzlich entstandene künstliche Senke" habe man im Jahr 1855 den Rohrbach geleitet, der "bis dahin in den ‚Kirchheimer See‘ geflossen war". Für die Rohrbacher Jugend sei das auf diese Weise gebildete Wasserloch "jahrzehntelang ein Badeparadies" gewesen, in dem sich aber auch zahlreiche Karpfen wohlgefühlt hätten. Nachdem dieses Gewässer zu Beginn des 20. Jahrhunderts allmählich verschlammt sei, habe man zunächst eine Kläranlage errichtet, dann aber das Wasser des Rohrbachs bei der Waggonfabrik Fuchs in ein Becken und von dort in den Neckar geleitet. Bald darauf sei die Wasserstelle im "Kirchheimer Loch" ausgetrocknet und "zunehmend unter den Pflug genommen und kultiviert" worden.

Wie Landwirte mit ihren Treckern und Pflügen bearbeiteten die "Dauerkolonisten", die sich am 23. Februar 1958 in "Kleingärtnerverein Heidelberg-Stadt umbenennen sollten, den Boden ihrer Kleingärten natürlich nicht. Doch das Kultivieren ihrer Anlagen lag ihnen sehr am Herzen. Im Lauf der Zeit wurden es sogar immer mehr Kleingärten, das Vereinsgelände wuchs und wuchs. 1952 und damit nach zehn Jahren umfasste es zwölf Hektar mit 350 Parzellen. Heute sind es 16 Hektar mit 401 Parzellen, auf denen 476 Mitglieder aktiv sind. Damit ist der Jubiläumsverein sowohl hinsichtlich der Größe seiner Anlage als auch seiner Mitgliederzahl der größte im Bezirksverband der Gartenfreunde Heidelberg.

Gewachsen ist auch das 1954 mit "einfachsten Mitteln in Eigenleistung" gebaute Vereinsheim in Form einer "Baracke mit kleinem Gaststättenbetrieb und Werkstatt". An deren Stelle steht seit 1984 ein schmuckes Gebäude samt Gaststätte, das natürlich "Kirchheimer Loch" heißt. Mit Blick auf die Vereinsgeschichte müssen natürlich auch die vielen Feste, Weihnachtsfeiern und -märkte, Ausflüge und Gartenfachvorträge erwähnt werden. Gartenführungen gab es auch zuhauf, etwa 2013 für eine Delegation japanischer Landwirtschaftsstudenten.

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