Windpark "Kornberg"

Bürgerinitiative übt heftige Kritik am Gutachten

Auf 62 Seiten begründen sie im Detail und mit dem Verweis auf eine Vielzahl an Quellen, weshalb das Gebiet "Kornberg"/"Dreimärker" nicht für den Bau von Windkraftanlagen geeignet sei

14.07.2017 UPDATE: 15.07.2017 06:00 Uhr 2 Minuten, 46 Sekunden

Von Rüdiger Busch

Hardheim/Walldürn. Es war eine bemerkenswerte Fleißarbeit der Bürgerinitiative für Gesundheit und Naturschutz Hardheim (BGN), ihrer Rechtsanwaltskanzlei Baumann (Würzburg) und des Gutachters für Artenschutz, Thomas Brötz (Sinzig): Auf 62 Seiten begründen sie im Detail und mit dem Verweis auf eine Vielzahl an Quellen, weshalb das Gebiet "Kornberg"/"Dreimärker" nicht für den Bau von Windkraftanlagen geeignet sei. Die Kritikpunkte reichen von einer fehlenden Windhöffigkeit bis zu möglichen Beeinträchtigungen für den Flugverkehr. Im Mittelpunkt steht aber das Thema Artenschutz: Und hier führt die BGN eine Reihe von Argumenten auf, die - falls sie von den Fachbehörden bestätigt werden - das Aus für die Pläne der beiden Gemeinden Hardheim und Höpfingen bedeuten würden.

Hintergrund

rüb. Neben dem Schwerpunktthema "Artenschutz" listet die Bürgerinitiative in ihrem Widerspruch eine ganze Reihe weiterer Argumente gegen den geplanten Windpark und die vorgesehenen Änderungen des Flächennutzungsplans auf, die wir aus Platzgründen nachfolgend nur auszugsweise

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rüb. Neben dem Schwerpunktthema "Artenschutz" listet die Bürgerinitiative in ihrem Widerspruch eine ganze Reihe weiterer Argumente gegen den geplanten Windpark und die vorgesehenen Änderungen des Flächennutzungsplans auf, die wir aus Platzgründen nachfolgend nur auszugsweise aufführen können:

Windhöffigkeit: "Die Windhöffigkeit liegt an der untersten kritischen Grenze. Gibt es ein Windgutachten, das belegt, dass am geplanten Standort tatsächlich genügend Wind weht? Sind die Windstärke und die Dauer hoch genug, um einen wirtschaftlichen Betrieb der Anlagen zu gewährleisten? Die Daten aus dem Windatlas können nicht verlässlich herangezogen werden, wie man an anderen Windkraftstandorten immer wieder feststellen muss. Die Lidar-Messung (Laser-Messmethode, d. Red.), die derzeit am Kornberg durchgeführt wird, ist bei komplexer Geländestruktur, wie hier gegeben, nicht geeignet."

Ungenügende Abstandsregelung: Der von der Stadt Walldürn vorgebrachte Einwand, die Abstände zu Wohn- und Mischbauflächen, einschließlich Kleinsiedlungen, auf mindestens 1000 Meter festzulegen, sei komplett ignoriert worden. Damit sollte eine Gleichbehandlung erzielt werden, nachdem sich der Regionalverband auf eben jenen Mindestabstand zur Wohnbebauung von mindestens 1000 Metern geeinigt hat. Die BGN fordert "eine angemessene und gesundheitlich unbedenkliche Abstandsregelung zu Wohngebieten": mindestens das zehnfache der Anlagenhöhe.

Überfrachtung der Landschaft: "Die Landschaft rund um Bretzingen, Waldstetten und Hardheim ist bereits ,verspargelt’. Fährt man von Höpfingen in Richtung Hardheim stehen bereits in allen Himmelsrichtungen über 40 Windkraftanlagen. Noch weitere und auch höhere Anlagen sind im Main-Tauber-Kreis bereits geplant, und werden in Pülfringen und Gerichtstetten bereits gebaut. Dies bedeutet schon heute eine maßlose Überfrachtung der Landschaft. Die Ausweisung von Vorranggebieten sollte die ,Verspargelung’ der Landschaft vermeiden. Doch was passiert heute: Durch die Häufung dieser Vorranggebiete in ländlichen Regionen werden Investoren geradezu angezogen und es kommt zu massenweisem Bau von Anlagen in Gebieten, die eigentlich dem Naturschutz vorbehalten waren."

Schall und Infraschall: "Das Vorranggebiet liegt inmitten mehrerer Wohngebiete. Die Betriebsgeräusche würden durch die Hauptwindrichtung direkt nach Bretzingen getrieben. Lärm, der im immer gleichen, stundenlangen monotonen Rauschen auf den Menschen einwirkt, kann krank machen." Zum Infraschall: "Die Auswirkungen auf den menschlichen Körper werden in Deutschland zwar immer noch abgestritten, sind aber faktisch vorhanden. Der eine reagiert weniger, ein anderer mehr auf diese Auswirkungen. Nichts desto trotz ist die Gemeindeverwaltung verpflichtet, Schaden von ihren Bürgern abzuwenden."

Entwertung der Immobilien: "Es wird gerügt, dass durch die mit dem Bau und dem Betrieb der Windkraftanlagen einhergehenden Belästigungen die Immobilienwerte drastisch sinken werden und dadurch die existenzielle Absicherung der anliegenden Bewohner, insbesondere von Bretzingen und Waldstetten, gefährden. Die Bürger der Niederlande bekamen das Recht auf Wertminderung ihrer Immobilie durch Windkraftanlagen inzwischen zugesprochen. Der Verband ,Haus & Grund’ fordert in Kenntnis der Immobilienwertverluste durch Windenergieanlagen von 30 Prozent und mehr bis zur Unverkäuflichkeit einen rechtlichen Ausgleich."

Verfahrensfehler: Die BGN weist auf einen möglichen Verfahrensfehler hin: Im Umweltbericht werde aufgeführt, dass im Verbandsgebiet substanziell Fläche bereitgestellt werden müsse. " Die angebliche umfangreiche Alternativprüfung wurde aber augenscheinlich nur in Hardheim und Höpfingen durchgeführt." Es sei zu prüfen, ob eine Alternativprüfung nicht auf das gesamte Gebiet des GVV ausgedehnt werden müsse. Und weiter: "Hardheim hat mit Windrädern in seinen Ortsteilen Erfeld und Gerichtstetten sein Soll mehr als ausreichend erfüllt."

Vorgriff auf Regionalplan: Im Teilregionalplan Region Rhein-Neckar sei der Kornberg als "Ausschlussgebiet für Windkraft" festgelegt. Dem in der Aufstellung befindlichen neuen Regionalplan vorzugreifen, bedeute eine Schlechterstellung der hiesigen Anwohner.

Bürger werden ignoriert: "Die Bürger haben sich bei zwei Umfragen gegen den Bau der Anlagen ausgesprochen. Auch der komplette Ortschaftsrat von Bretzingen hat sich dagegen ausgesprochen, ebenso MdB Alois Gerig und MdL Peter Hauk. All dies wurde und wird weiterhin komplett ignoriert."

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Bis zum gestrigen Freitag hatten Fachbehörden und Bürger die Möglichkeit, Stellungnahmen zu den geplanten Änderungen des Flächennutzungsplans beim Gemeindeverwaltungsverband in Walldürn einzureichen. Davon wurde reger Gebrauch gemacht, auch von Bürgern, die Widerspruch gegen das Vorhaben einlegten. Nach RNZ-Informationen bat eine der befragten Behörden um Fristverlängerung, so dass der Verband nicht wie geplant Ende Juli, sondern erst nach den Sommerferien über die Abwägung der Stellungnahmen befinden wird.

Die BGN kritisiert in ihrem Widerspruch eine "fehlerhafte, unvollständige Berücksichtigung des gesetzlichen Artenschutzes". Die vorgelegte artenschutzrechtliche Prüfung sei unvollständig, und es seien nicht alle Sachverhalte mit der rechtlich notwendigen Sorgfalt geprüft worden. "Nach unseren Untersuchungen konnten wesentlich mehr belegte Horste gefunden werden, als die Gutachter des Planungsbüros Beck in ihren Gutachten ausgewiesen haben", ist etwa zu lesen. Dazu zählen Horststandorte von Rotmilan, Schwarzmilan, Mäusebussard und Wespenbussard. Deshalb hat die BGN Ende Juni die zuständigen Fachbehörden des Kreises und des Landes über alle bisher bekannten Horststandorte mit GPS-Standort und Belegung informiert.

"Dabei fällt auf, dass es sich im untersuchten Bereich - entgegen den Darstellungen des Planungsbüros Beck - sehr wohl um ein Dichtezentrum des Rotmilans handelt", heißt es in dem Schreiben. Nach den seit 2015 laufenden Beobachtungen der BGN kämen innerhalb des Untersuchungsgebietes regelmäßig zumeist vier besetzte Horste vor. Weiter zitiert die BGN die Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz (LUBW): "In den Dichtezentren dürfen Ausnahmen vom Tötungsverbot nicht zugelassen werden."

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Neben dem Rotmilan zählt die BGN weitere dort brütende Vogelarten auf: Wespenbussard, Mäusebussard und Uhu. Letzterer werde recht häufig Opfer von Windenergieanlagen, weshalb bei allen vier geplanten Standorten ein erhöhtes Tötungsrisiko für den Uhu und weitere Vogelarten bestehe. Aber auch der Schwarzstorch und die Waldschnepfe seien am Kornberg gesichtet worden - Details zu den Beobachtungen seien an die Behörden weitergeleitet worden.

Deutliche Kritik übt die Bürgerinitiative an der Arbeitsweise des Büros Beck, das für die ZEAG AG (Heilbronn) die Gutachten angefertigt hat. In ihrer Schlussfolgerung sieht sich die BGN darin bestätigt, dass es sich bei den Beck’schen Arbeiten - wie von Anfang an von ihr behauptet - um reine "Gefälligkeitsgutachten" handle. So seien bei der Raumnutzungsanalyse wichtige Flächen unbeobachtet geblieben. Zudem wird auf "Unstimmigkeiten" im Bereich der Flugbewegungen hingewiesen. Der Verdacht: Es könne "nicht ausgeschlossen werden, dass Rotmilanflüge neu zugeordnet wurden, um den Forderungen der Genehmigungsbehörde nachzukommen".

Doch damit nicht genug: "Die BGN und unser Gutachter, Büro Brötz, konnten nun mehrfach den Beweis antreten, dass das Gutachten des Büros Beck vor Ungereimtheiten, Widersprüchen und Oberflächlichkeit geradezu strotzt. Für uns handelt es sich hierbei, dies haben wir auch immer wieder betont, um ein Gefälligkeitsgutachten für den Auftraggeber ZEAG. Deshalb zweifeln wir auch die Objektivität Becks an." Anders würden sich die festgestellten Verfehlungen nicht erklären lassen. Man habe geradezu den Eindruck, dass man regelrecht "blind" durch den Wald gelaufen sei.

Andere Bürgerinitiativen im Land hätten der BGN zudem von ähnlichen Erfahrungen mit Gutachten des Büros Beck berichtet. Auch dort sei fast ausschließlich die ZEAG der Auftraggeber. Deshalb strebe der Landesverband der Bürgerinitiativen eine rechtliche Überprüfung aller Gutachten des Büros Beck an.

Abschließend schreibt die BGN: "Wir behalten für uns und unsere Mitglieder vor, Schadenersatzansprüche geltend zu machen, sollte es durch den Bau oder den Betrieb der geplanten Windkraftanlagen zu negativen gesundheitlichen Auswirkungen, finanziellen Nachteilen oder Belästigungen kommen. Hiermit beantragen wir den Ausgleich sämtlicher dadurch entstehender Beeinträchtigungen und Schäden."

Info: Die Abwägung der eingegangenen Stellungnahmen in der Verbandsversammlung des Gemeindeverwaltungsverbands erfolgt nach den Sommerferien.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
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