Von Annette Steininger
Hirschberg. Seit 2019 ist die GLH stärkste Fraktion im Gemeinderat. Im RNZ-Interview geht Fraktionsvorsitzende Monika Maul-Vogt darauf ein, warum sich dadurch dennoch nicht viel verändert hat. Sie erklärt, warum sie findet, dass die Befürworter der Gewerbeparkserweiterung den Menschen mit ihren Argumenten "Sand in die Augen" streuen und wo die Gemeinde sparen könnte.
Frau Maul-Vogt, die GLH ist seit der letzten Kommunalwahl stärkste Fraktion. Hat sich dadurch etwas im Gemeinderat verändert?
Es hat sich nicht wesentlich etwas verändert. Die Personenanzahl in der Fraktion ist ja nicht so stark, dass wir die Mehrheit im Gemeinderat hätten entscheidend verändern können. Dadurch dass Freie Wähler, CDU und FDP quasi eine Allianz bilden, haben wir keine Mehrheit bei Streitpunkten. Unsere Schnittmengen waren auch in der Vergangenheit mit der SPD größer. Zählt man die Sitze zusammen, wird schnell klar: An den Mehrheitsverhältnissen hat sich nichts geändert. Was sich geändert hat, ist, dass wir mit Karlheinz Treiber den Ersten Bürgermeister-Stellvertreter stellen, der das auch mit viel Leidenschaft und Herzblut macht.
Haben Sie das Gefühl, dass durch den auch von der GLH unterstützen Bürgermeister Ralf Gänshirt mehr grüne Ideen verwirklicht werden?
Wir haben schon bei den Vorgesprächen zu seiner Kandidatur gesehen, dass wir hier Schnittmengen haben. Er hat auch grünere Vorstellungen als sein Vorgänger (Manuel Just, heute Oberbürgermeister von Weinheim, Anm. d. Red.), ist hierfür offener. Es konnte einiges an grünen Ideen angegangen werden, die Ralf Gänshirt vor seiner Wahl geäußert hatte. Eigentlich sollte 2020 auch das Klimaschutzkonzept kommen, aber es konnte eben nicht alles umgesetzt werden, auch durch die coronabedingt zurückgefahrene Kapazität im Rathaus.
2020 war, Corona-bedingt, ein hartes Jahr. Wo haben Sie besondere Herausforderungen in der Gemeinderatsarbeit wahrgenommen?
Wir konnten auch von Seiten unserer Fraktion nicht alle Vorhaben platzieren, die wir eigentlich gerne angegangen wären. Es war auch nicht möglich, zu forcieren – einmal haushaltstechnisch aufgrund der Finanzen, und die Verwaltung musste auf Coronamodus umstellen mit Homeoffice, Umorganisation, teilweise Zwangsurlaub der Mitarbeiter. Wir wollten die Ämter auch nicht überlasten. Da musste notgedrungen einiges zurückgestellt werden. Sonst wären wir aktiver gewesen, beispielsweise beim Klimaschutzkonzept. Auch das LED-Konzept für die Straßenbeleuchtung oder der zweite Zugang des Friedhofs Großsachsen waren zum Beispiel eigentlich für 2020 angedacht gewesen. Da ist vieles zurückgestellt worden, was wir aber 2021 nicht vergessen dürfen und angehen sollten.
Das Jahr war auch geprägt durch die Diskussionen um die Gewerbegebietserweiterung und den nun kommenden Bürgerentscheid. Die GLH hat sich ja beim Antrag zur Aufstellung des Bebauungsplans bis auf eine Gegenstimme von Jürgen Steinle enthalten. Warum hat die Fraktion nicht dagegen gestimmt?
Weil uns zu diesem Zeitpunkt einfach noch zu viele Informationen gefehlt haben. Es war ja völlig überraschend gewesen, als einige Tage vorher auf einmal von zehn Hektar die Rede war und nicht mehr von einer "moderaten Erweiterung", wie bis dahin kommuniziert wurde. Diesbezüglich hatte es im Vorfeld keine Gespräche gegeben. Klar war, dass wir das Ganze schon zum Zeitpunkt der Abstimmung sehr kritisch gesehen haben. Zum Zeitpunkt der Sitzung lagen noch nicht alle für uns nötigen Informationen auf dem Tisch; wir haben sie uns im Nachhinein angeeignet und eruiert. Dann haben wir doch recht schnell unsere Meinung geäußert.
Es gab allerdings dann noch eine Online-Mitgliederversammlung, in der kontrovers über den Bürgerentscheid und die Haltung zu einer Erweiterung um fünf Hektar diskutiert wurde.
Mich stört auch immer diese Zahl fünf. An ihr will ich mich nicht festmachen. Die Diskussion im Vorfeld drehte sich immer um die Frage: Wollen wir den Firmen am Ort, die gut laufen, eine Erweiterungsperspektive geben? Und dahinter stand auch die GLH-Fraktion. Das war auch Konsens im Gemeinderat. Etwas anderes ist aber: Müssen wir allen interessierten Firmen in der Metropolregion bei uns eine Plattform bieten? Ich denke, bevor man das im größtmöglichen Stil angeht, muss man auch über andere Dinge nachdenken: Wie kann ich innerörtlich Gewerbe stärken? Kann ich das bestehende Gewerbegebiet optimieren – verdichten oder umorganisieren? Dafür müssten Analysen stattfinden. Auch eine interkommunale Zusammenarbeit wäre wünschenswert. Die wird auch in Zukunft bei vielen weiteren Punkten wichtig sein, gerade wenn wie bei uns die Orte so nah zusammenliegen. Da müssen wir noch stärker werden.
Jetzt sagen aber die Befürworter, dass die fünf Hektar auch vor dem Hintergrund der jetzt schon bestehenden Anfragen von Firmen nicht reichen. Riskiert man denn nicht, dass sich die Unternehmen dann irgendwo anders ansiedeln?
Nein, das glaube ich nicht. Bis jetzt sind die definitiven Anfragen noch nicht mit Namen untermauert worden. Wir wissen also nicht, wie belastbar diese Aussage ist. Bislang hat sich nur eine Firma geoutet (Goldbeck Solar, Anm. d. Red.), dass sie Interesse an der Erweiterungsfläche hat. Ich glaube nicht, dass eine etablierte Firma, die hier gut läuft und einen attraktiven Gewerbesteuersatz vorfindet, so schnell weggehen wird. Die Bedingungen im bestehenden Gewerbegebiet sind gerade auch von der Infrastruktur her so gut, dass sich das ein Unternehmen überlegen wird.
Haushaltstechnisch ist die Situation der Gemeinde alles andere als rosig. Die Pro-Kopf-Verschuldung könnte sich bis Ende des Jahres verdreifachen. Wo soll die Gemeinde denn Geld herbekommen?
(lacht) Sie spielen jetzt auf die Argumentation der Befürworter an: Wir brauchen ein neues Gewerbegebiet, damit die Geldquelle wieder sprudelt. Also quasi eine Art Schlaraffenland: Dann kann ich alles bezahlen, was ich nur will. Diese Philosophie finde ich ein bisschen merkwürdig, gerade wenn man bedenkt: Wir hatten vor Corona erhebliche Einbrüche bei der Gewerbesteuer. Wir hatten in zwei Jahren Haushaltssperren, die nichts mit Corona zu tun hatten. Damit ist offensichtlich, dass die Gewerbesteuer nicht alles rettet und absolut schwankend ist. Wer den Menschen in den nächsten Jahren sprudelnde Gewerbesteuereinnahmen verspricht, streut ihnen Sand in die Augen. In den nächsten fünf bis zehn Jahren ist eher nicht viel zu erwarten, denn dann werden zunächst Investitionen abgeschrieben. Man darf dabei auch nicht vergessen: Je mehr Steuereinnahmen eine Gemeinde generiert, desto geringer werden die Zuschüsse und Zuweisungen. Worüber die Gemeinde wirklich nachdenken muss, ist Sparen.
Wie sehen denn Ihre Sparvorschläge aus?
Wir müssen Großprojekte deutlich entzerren. Man sollte nicht das nächste Millionen-Projekt angehen, wenn das letzte noch nicht abgeschlossen ist. Wir sollten die Großprojekte nicht ganz so "hektisch" angehen. Aber natürlich drängen die Hallen und deren Sanierung jetzt. Deutlich sparen können hätten wir beim Kindergarten-Neubau, für den wir seinerzeit einen Kostendeckel bei der Ausschreibung gefordert hatten. Man muss einfach schauen, wofür gebe ich das Geld aus. Bei solchen großen Projekten sollte man künftig darauf achten, mit Kostendeckel zu arbeiten. Auch einen Spielplatz wie denjenigen am Landwehrhagener Platz für 400.000 Euro zu sanieren – so etwas sollte man nicht tun. Das muss auch für 200.000 Euro gehen. Ich bin gerade jetzt wieder von Bürgern angesprochen worden, wie das bei der künftigen Verschuldung der Gemeinde sein kann.
Hätte man denn Ihrer Meinung nach die Hallensanierungen noch mal schieben müssen?
Nein, definitiv nicht. Das ist einer der wichtigsten Punkte aus dem kommunalpolitischen Jahr 2020. Die Grundsatzentscheidung, wie es mit den Hallen weitergeht, war richtig. Wir müssen aber anders arbeiten als beim Kindergarten. Wir können nicht ausschreiben nach dem Motto "Biete mir ein Schloss an – und dann schaue ich, wo ich einsparen kann". Da muss man genau hinschauen, was man will, und sollte gerade beim Neubau auch versuchen, einen Kostendeckel einzuziehen. Vielleicht sollte man auch bei den Honoraren genauer hinschauen. Mich stört es, dass bei unseren Projekten Architekten und Planer meist in die höchste Honorarzone einsortiert sind. Da sollten wir – wie andere Gemeinden – besser verhandeln. Aber auch auf Folgekosten achten, gerade bei den Hallen, die immens viel im Unterhalt kosten. Wenn wir die Hallensanierung angehen, müssen wir auch energetisch sanieren, weil sich das auf die Haushaltssituation in späteren Jahren auswirkt. Fördermittel sollten wir zudem konsequent im Auge behalten, wofür sich ja die neue Kämmerin Claudia Keil einsetzt. Vielleicht können wir hier auch eine interkommunale Zusammenarbeit anstreben.
Es gab in den letzten Jahren einige gemeinsame Anträge von GLH und SPD. Gibt es denn da auch noch Unterschiede?
Natürlich gibt es da Unterschiede (lacht). Ich glaube, wir werden uns heftig bei der Ortsrandstraße zoffen.
Einige der gemeinsam gestellten Anträge waren auch nicht erfolgreich. Bei welchem schmerzt Sie das am meisten?
Die Sozialstaffelung für die Kindergartenbeiträge hat schon sehr geschmerzt. Dass die Mehrheit den Antrag abgelehnt hat, konnte ich absolut nicht nachvollziehen. Die Staffelung sollte für die Gemeinde ja kostenneutral gestaltet werden. Bei der Zukunftswerkstatt hätten wir uns ein bisschen mehr Drive von Anfang an gewünscht. Aber ich bin guter Hoffnung, dass wir auf einem guten Weg sind.
Bei der Ortsrandstraße zum Beispiel ist die GLH ja allein als Gegner auf weiter Flur. Wie finden Sie es, dass die anderen Fraktionen diesbezüglich aufs Gaspedal gedrückt haben?
Das war ihr Anliegen, insofern war das verständlich. Wenn ich mir aber allein den finanziellen Aspekt ansehe, wüsste ich nicht, wo das nächste Zehn-Millionen-Projekt bei den vielen Wünschen, die noch auf dem Tisch liegen, untergebracht werden sollte.
In Bezug auf die Hallensanierung haben die Grünen als einzige gefordert, dass die Gemeinde prüfen soll, ob sich die SGL Handball GmbH nicht an den Kosten für die Ertüchtigung der Heinrich-Beck-Halle auf Zweit-Bundesliga-Niveau beteiligen soll. Finden Sie das erforderlich oder gehört das nicht zur Vereinspflege?
An dieser Stelle geht es ja nicht um den Verein SGL, den Breitensportverein. Sondern es geht um die Herstellung der Zweitliga-Tauglichkeit für die GmbH, die ja ein Unternehmen ist. An dieser Stelle stellt sich schon die Frage: Darf eine Gemeinde eine private Firma in so einer Weise unterstützen? Wir finden, das muss abgeklärt werden. Kann die Gemeinde hier Geld reinschießen, ohne Rückflüsse wie zum Beispiel entsprechende Mieten einzufordern? Das kennt man aus anderen Kommunen: Wenn Stadien gebaut werden, müssen entsprechende Mieten fließen. Das ist der eine Aspekt. Der andere: Wenn schon auch eine private Firma in dieser Form unterstützt wird, finde ich es legitim, nachzufragen: In welcher Weise willst du dich hier miteinbringen und beteiligen? Das tun wir ja im Grunde auch bei jedem Verein.
Auch das Bürgerhaus ist ein Wunschprojekt der Vereine. Nun gibt es eine Absichtserklärung des Gemeinderats. Glauben Sie daran, dass solch eine Realisierung in den kommenden Jahren möglich ist?
Ich meine, wir müssen erst die Hallensanierungen abschließen, bevor wir ein weiteres Großprojekt angehen. Und dann wird abzuwägen sein, welches es sein soll oder überhaupt sein kann. Wenn die Ortsrandstraße tatsächlich Thema sein sollte und die Bürger sie wollen, glaube ich nicht, dass beides gleichzeitig zu stemmen ist. Jetzt werden uns aber die Hallen erst einmal die nächsten vier bis fünf Jahre beschäftigen.
Was würden Sie der Fraktionsarbeit der GLH 2020 für eine Note geben und warum?
Eine komische Frage. Ich denke, man muss unterscheiden zwischen dem, was wir geleistet haben, und dem, was wir erreicht haben beziehungsweise zu erreichen war. Für unsere Arbeit können wir uns schon eine richtig gute Note geben. Wir haben einiges an Anträgen gestellt, wir haben die Sitzungen gut vorbereitet, waren in alle Sachverhalte bestens eingearbeitet und wir waren auch jenseits der von der Verwaltung platzierten Themen aktiv. Siehe die Anträge zur Sozialstaffelung, Zukunftswerkstatt oder zum Gewerbegebiet. Aber statt Noten sind heute doch Verbalbeurteilungen üblich.
Und was würden die Grünen denn gerne in diesem Jahr erreichen?
Der Lärmaktionsplan, den wir gerade beschlossen haben, war im vergangenen Jahr ein wichtiges Thema. Denn Lärm ist ein großes Umweltproblem. Jetzt muss in 2021 auch der Klimaschutz wieder mehr in den Fokus rücken. Der Kreis hat ja gerade beschlossen, die Klimaneutralität bis 2040 zu erreichen. Und das schafft er nicht allein; das muss vor allem in Städten und Gemeinden umgesetzt werden, auch in Hirschberg. Klimaschutz muss künftig bei allen Entscheidungen, Maßnahmen und Projekten mitgedacht werden. Wie eben die energetische Sanierung bei den Hallen und auch bei Sanierungen aller anderen öffentlichen Liegenschaften. Aber auch bei der Entwicklung eines etwaigen neuen Gewerbegebiets. Zudem sollten wir das Klimaschutzkonzept angehen, das wir schon für 2020 beschlossen hatten, und hier auch konkret einige Maßnahmen in diesem Jahr umsetzen.