Hilfe für Ahrweiler

Wie Ladenburg in Katastrophengebieten hilft

Das Technische Hilfswerk und die Feuerwehr waren vor Ort. Eine Gruppe freiwilliger Helfer brachte Spenden.

30.07.2021 UPDATE: 31.07.2021 06:00 Uhr 3 Minuten, 44 Sekunden
Daniel Rubusch (linkes Bild) ist beim THW Ladenburg Beauftragter für Öffentlichkeitsarbeit. Aktuell unterstützt er das Mediateam der Landesverbände Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland im Katastrophengebiet und dokumentiert die Einsätze. Fotos (3): Daniel Rubusch, Mediateam THW LV BaWü/HERPSL

Von Silke Beckmann und Katharina Schröder

Ladenburg. Rund 200 Kilometer trennen die Römerstadt und Bad Neuenahr-Ahrweiler in Rheinland-Pfalz. Seit der Unwetterkatastrophe dort legten schon mehrfach Helfer aus Ladenburg diese Strecke zurück: Das THW ist inzwischen zum zweiten Mal vor Ort, die Freiwillige Feuerwehr kam Anfang der Woche zurück, und auch private Helfer brachten kürzlich Spenden in den verwüsteten Kreis Ahrweiler.

Drei Tage lang unterstützten die Feuerwehrleute Melina Grimm, Clemens Tiemann und Jan Roß die Einsatzleitung im Stadtteil Heimersheim. Bürgermeister Stefan Schmutz sei an die Wehr herangetreten, berichtet Kommandant Pascal Löffelhardt. Schmutz wiederum sei von der Firma KTS Krankentransport angesprochen worden, die auch die Schnelltests in der Römerstadt anbietet. "Wir wurden gefragt, ob wir die Technik und Logistik vor Ort unterstützen können", erzählt Löffelhardt. Die Bereitschaft sei sofort hoch gewesen. "Die Kameraden haben gleich reagiert und angeboten mehrere Tage zu helfen."

Noch immer müssen sich die professionellen Helfer einen Überblick über die zahlreichen Einsatzstellen verschaffen. Fotos (3): Daniel Rubusch, Mediateam THW LV BaWü/HERPSL

An ihrem Ankunftstag befreiten Grimm, Tiemann und Roß erst einmal den Keller eines 92-Jährigen vom Schlamm. "Das war die praktische Arbeit mit Händen und Füßen", sagt Löffelhardt. Danach haben sie die Einsatzleitung dabei unterstützt, sich einen Überblick zu verschaffen. "Das ist ein Katastrophengebiet, da sind wirklich viele Einsätze nötig, und man muss dabei leider Prioritäten setzen", erklärt Löffelhardt. Die drei Ladenburger Wehrleute fuhren die verschiedenen gemeldeten Einsatzstellen ab und entschieden, wie dringend der Einsatz dort ist.

"Das ist natürlich schwer nachzuvollziehen", sagt Löffelhardt. "So hart es klingt, manche Orte muss man einfach abschreiben." Ein Kennzeichnungssystem an den Gebäuden zeigt an, welche schon begutachtet wurden und welche noch nicht – und wo man aufräumen kann und was nicht mehr zu retten ist. "Die professionelle Hilfe muss sich erst einmal einen Überblick verschaffen und die priorisierten Einsätze abarbeiten", sagt Löffelhardt, und er kommt auf ein Problem bei privaten Helfern zu sprechen. "Ohne selbst in einem Krieg gewesen zu sein", schickt er voraus. "Dort sieht es aus wie im Krieg. Und wenn man dort jemanden kennt, ist klar, dass man demjenigen zuerst hilft, auch wenn die Hilfe woanders gerade dringender wäre", sagt Löffelhardt. Auch Sachspenden sieht er kritisch. "Wo sollen die Leute denn beispielsweise die ganzen Klamotten hinlegen, wenn sie gar kein Haus mehr haben?"

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Daniel Rubusch (linkes Bild) ist beim THW Ladenburg Beauftragter für Öffentlichkeitsarbeit. Aktuell unterstützt er das Mediateam der Landesverbände Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland im Katastrophengebiet und dokumentiert die Einsätze. Fotos (3): Daniel Rubusch, Mediateam THW LV BaWü/HERPSL

In Sachen Organisationsstruktur habe sich seit der Katastrophe aber schon einiges getan. "Unsere Kameraden waren in einer Schule untergebracht, und dort gab es auch wieder fließendes Wasser", erzählt der Kommandant. "Und auch die Verpflegung sei super gewesen, haben sie gesagt." Man unterstütze sich vor Ort. "Ein Bauer hat 60 Kilogramm Fleisch gebracht, ein anderer 600 Kilogramm Kartoffeln." Abends sei auch jemand mit Gitarre dort gewesen, und die Leute hätten zusammen gesungen. "So etwas ist gut für die Psyche, das ist in solchen Situationen ja auch wichtig."

Angegangen wurden die drei Ladenburger nicht, aber die Einsatzleitung habe vor Querdenkern und rechten Aktivisten gewarnt. "Die Kollegen sollten ihre Namensschilder von der Kleidung machen, weil Querdenker oder sonstige Leute dort wohl Fotos machen, sie in Sozialen Medien hochladen und Shitstorms auslösen." Solche Erfahrungen blieben Grimm, Tiemann und Roß jedoch erspart.

Das Ladenburger THW lässt die Frage nach solchen Erfahrungen unbeantwortet. Aktuell sind drei Einsatzkräfte des Zugtrupps und drei Sprechfunker zur Unterstützung des Fachzugs Führung und Kommunikation aus Heidelberg im Einsatz, erklärt der Ortsverband auf Anfrage. Daniel Rubusch, Beauftragter für Öffentlichkeitsarbeit, unterstützt das Mediateam der Landesverbände Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland. Zusammen mit dem Ortsverband Lampertheim führt der Zugtrupp den Meldekopf in Bad Neuenahr. Dort werden Einheiten lokal erfasst und Aufträge koordiniert. Das Ladenburger THW ist damit schon zum zweiten Mal im Katastrophengebiet. Die einsatzspezifische Lage habe sich jedoch nicht verändert.

Ein privat organisierter Hilfstrupp machte sich mit acht Transportern und Pritschenwagen voller Hilfsgüter ebenfalls aus Ladenburg und Umgebung auf den Weg ins Katastrophengebiet. Dabei war auch das Ladenburger Ehepaar Monika Gelle und Thorsten Kirsch. Angestoßen hatte das Projekt ihre Freundin Nicole Ufer aus Schriesheim, die bereits vier Tage nach der Flutkatastrophe im Ahrtal war, im Gepäck erste Sach- und Geldspenden aus dem Bekanntenkreis. In Ahrweiler habe sie sich gewundert, wenig offizielle, dafür umso mehr private Helfer zu sehen. Wieder zu Hause, reifte der Beschluss: "Da müssen wir was tun, da müssen wir hinfahren", berichtet Kirsch. Der Vorteil: Sowohl Listen mit dringend Benötigtem als auch Adressen von Sammellagern, wo die Hilfsmittel abgegeben werden können, hatte Ufer mitgebracht. Die Hilfsbereitschaft und Solidarität der hiesigen Firmen und Unternehmer war enorm. Und so startete der Konvoi ausgestattet mit Diesel, Benzin, Gas und Wasser. "Das alles wurde am meisten gebraucht". Außerdem: Hygieneartikel jeglicher Art, Lebensmittel, Rettungsdecken, Einweghandschuhe, Schaufeln. Von Spendengeldern konnten Solarduschen und Campingtoiletten sowie ein raumgreifender Kühl- und Gefrierschrank samt Generator organisiert werden. Letzterer steht inzwischen in Dernau, wo die Rot-Kreuz-Helfer aus Bonn ein Versorgungslager betreiben.

Ganz einfach lief es aber nicht: "Ich habe gedacht, wir laden alles ab und packen direkt mit an", erzählt Monika Gelle. Doch schon eine halbe Stunde vor Ankunft reihten sich Hilfsfahrzeuge auf der Autobahn aneinander, es ging stockend voran, die erste anvisierte Station in Ahrweiler konnte gar nicht angefahren werden. Die Gruppe steuerte weitere betroffene Orte und deren Hilfslager an, "riesige, privat organisierte Lagerhallen, in denen auf Paletten alle Güter übersichtlich vorsortiert waren".

Ihre Spenden brachten sie letztlich gut unter, und doch verlief der Tag anders als erwartet: "Wir dachten ursprünglich, wir fahren in irgendein Dorf und unterstützen zwei Familien beispielsweise mit Kühlschrank und Stromaggregat", so Kirsch. Aber: "Da wohnt ja niemand mehr, die Leidtragenden sind alle in Notunterkünften."

"Du bist total fassungslos, wenn du das siehst", sagt Gelle. Und sie appelliert, nicht auf Helfer zu schimpfen, weil diese die Straßen verstopften. In den Orten sei man dankbar, es seien viele Plakate mit Botschaften wie "Ihr seid Engel" aufgehängt. Allerdings müssten die Abläufe anders koordiniert werden, meint Kirsch. Sie denke an einen Shuttle-Ausbau für Helfer, damit deren Autos außen vor bleiben. Die Gruppe will den Kontakt zu einem Ansprechpartner in Dernau aufrechterhalten und bald wieder dort helfen.

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