"Beam me up, Scotty!"

Vor 50 Jahren hob "Raumschiff Enterprise" ab

Die Enterprise brach 1972 zum ersten Mal in die unendlichen Weiten des Weltraums auf und eroberte seitdem die Herzen vieler Fans.

25.05.2022 UPDATE: 29.05.2022 06:00 Uhr 4 Minuten, 11 Sekunden
Die legendäre USS Enterprise. Foto: Paramount

Von Michael Ossenkopp und Martin Weber

Viele Lichtjahre von der Erde entfernt dringt die Enterprise in Galaxien vor, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat." Nach diesem Vorspann rauschte die Crew um den schlitzohrigen Captain Kirk, den spitzohrigen "Vulkanier" Spock, Bordarzt Pille und Ingenieur Scotty erstmals am 27. Mai 1972 über die deutschen Fernsehschirme. Wie keine andere prägte die Science-Fiction-Serie "Star Trek" – hierzulande lief sie unter dem Titel "Raumschiff Enterprise" – fortan ein ganzes Genre.

In den USA nach nur drei Staffeln wieder abgesetzt, sollten in den folgenden Jahren noch zwölf Realfilm-Serien, drei animierte Serien sowie 13 Kinofilme folgen und das Star-Trek-Universum zum langlebigsten Weltraumschauplatz der Film- und Fernsehgeschichte machen. Eingefleischte Fans, die selbst ernannten "Trekkies", entdeckten auf ihren Zusammenkünften, den "Conventions", sogar ein eigenes Lebensgefühl.

In vielerlei Beziehungen betrat die Serie Neuland. Schöpfer Gene Roddenberry hatte die nahezu revolutionäre Vision, dass auf der Erde Armut, Kriege und soziale Ungerechtigkeiten der Vergangenheit angehören. Alle Missionen der Enterprise waren daher grundsätzlich der friedlichen Koexistenz mit anderen Völkern verpflichtet. Die Mannschaft auf der Brücke bestand aus einem multikulturell zusammengesetzten Haufen: zwei Amerikanern, einem Russen, einem Japaner, einem Schotten, einer Afroamerikanerin und einem Außerirdischen.

Ganz bewusst hatte Roddenberry für sein TV-Raumschiff eine fähige Multikulti-Truppe zusammengestellt, um damit ein Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus zu setzen. Während in vielen Science-Fiction-Filmen und -Serien der erbitterte Kampf zwischen Menschen und Aliens geschildert wird, propagierte die grundsätzlich positive Zukunftsvision von "Raumschiff Enterprise" Völkerverständigung und Zusammenarbeit.

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Die Programmverantwortlichen in den USA begegneten jedoch der Utopie Roddenberrys anfangs skeptisch. Ein erster Pilotfilm mit Captain Pike (Jeffrey Hunter) unter dem Titel "The Cage" verschwand 1964 in den Archiven. Erst der zweite Pilot "Where No Man Has Gone Before" mit Captain James T. Kirk (William Shatner) in der Hauptrolle kam ins Fernsehen. Ab 1966 wurden von NBC schließlich 79 Episoden produziert. Doch erst der Verkauf an lokale Privatsender, die alle Folgen ständig wiederholten, brachte den Kult um die Abenteuer in fremden Welten richtig in Schwung und ließ die Fangemeinde wachsen.

Auch wenn die Serie nach heutigen Ansprüchen hoffnungslos überholt scheint – ähnlich der Ausstattung im deutschen Zukunftsklassiker "Raumpatrouille" –, resultiert die Anziehungskraft von Star Trek vor allem aus dem eigenwilligen Charme der Hauptcharaktere. Beispielsweise stimmt die Chemie zwischen dem hemdsärmeligen Kirk und seinem einzig der Logik verhafteten ersten Offizier, Spitzohr Mr. Spock (Leonard Nimoy).

Dessen emotionsloser Ausspruch "faszinierend" und sein gefürchteter vulkanischer Betäubungsgriff gerieten ebenso zu Markenzeichen wie der Befehl "Energie", wenn Kirk und Bordarzt McCoy ("Pille", gespielt von DeForest Kelley) von Ingenieur Scotty (James Doohan) vom Transporterraum in entlegene Welten gebeamt wurden.

Die Idee zu der futuristischen Transportart war aus der Not heraus geboren, so konnten die Figuren direkt an neuen Schauplätzen auftauchen. "Beam me up, Scotty" ... wohl kaum ein Satz wird so sehr mit der Star-Trek-Saga assoziiert wie Captain Kirks Anweisung an seinen schrulligen Ingenieur. Auch technische Neuerungen wie das Mobiltelefon, der Laptop oder Videokonferenzen wurden vorausgesehen – in dieser Hinsicht bewies die Serie visionäre Qualität.

Das Raumschiff aus dem 23. Jahrhundert verfügt zudem über einen Warp-Antrieb mit Antimaterie, der die Enterprise auf vielfache Lichtgeschwindigkeit beschleunigen lässt; als Waffen dienen Photonentorpedos und handliche Phaser. Die erklärten Erzfeinde der Föderation sind die außerirdischen Klingonen und Romulaner. Bei den Auseinandersetzungen mit ihnen kommen von der Enterprise-Besatzung zum Glück meist nur ein paar Redshirts (einfache Mannschaftsmitglieder in roten Hemden) um. Der Captain löst die Probleme vor Ort am liebsten gewaltlos und setzt bei weiblichen Gegenspielerinnen gern einen betörenden Flirt ein, um die Geschicke der 430-köpfigen Besatzung in die richtigen Bahnen zu lenken.

Das ZDF zeigte vor genau 50 Jahren die erste Episode der Weltraumserie, nachdem die Fangemeinde von "Raumschiff Enterprise" in Deutschland stetig gewachsen war. Bei der Deutschland-Premiere erhielt der Sender allerdings von den Fans herbe Kritik. Die Mainzer hatten die ursprüngliche Sendefolge geändert, zuerst zeigten sie die Episode 19 "Morgen ist gestern" ("Tomorrow is Yesterday"). Außerdem wurden die Folgen gekürzt und mit "lustigen" Dialogen synchronisiert. Das führte zum Teil zu haarsträubenden Ungereimtheiten, wie die Umbenennung von Chekovs Vornamen von Pavel in Pane. Die Folge "Schablonen der Gewalt" ("Patterns of Force") erinnerte an die Nazi-Diktatur. Das war fürs ZDF offenbar zu gewagt und die Folge landete im Giftschrank.

Für besonderen Ärger bei Puristen sorgte zudem die Entstellung der Geschichte "Weltraumfieber" ("Amok Time"), als Spock nicht wie im Original mit seinen plötzlich auftretenden sexuellen Trieben zu kämpfen hat, sondern an einer unerklärlichen Krankheit leidet. Das Ganze wird am Ende mit einem Fiebertraum des Vulkaniers erklärt. Eine Sensation im US-Fernsehen war ebenso der erste "interracial kiss" zwischen dem weißen Kirk und der schwarzen Kommunikationsoffizierin Lieutenant Uhura (Nichelle Nichols), selbst wenn sie dabei von außerirdischen Kräften gesteuert worden waren. Mittlerweile sind die früher nicht ausgestrahlten Folgen bei uns nachsynchronisiert auf DVD erhältlich.

Ab 1970 entwickelte sich die Serie zum Publikumsrenner und lief in mehr als 170 Ländern. Im Anschluss folgten Zeichentrick-Episoden der "Animated Series" sowie die TV-Serien "The Next Generation" (1987–1994), "Deep Space Nine" (1993–1999), "Voyager" (1995–2001) und "Enterprise" (2001–2005). Allerdings waren die Schauspieler aus der Original-Serie nicht mehr dabei. Sie traten aber noch in den ersten sechs der parallel produzierten Kinofilme auf. Der bekannteste Nachfolger von Kirk und Co. ist Captain Jean-Luc Picard (Patrick Stewart) aus der "Next Generation".

2016 kam mit "Star Trek Beyond" ein weiterer Film in die Lichtspielhäuser. Der floppte zwar an den Kinokassen, aber die Serien "Star Trek: Discovery" (seit 2017) und "Picard" (seit 2020) fachten nach mehr als zehnjähriger Abstinenz das Interesse am Star-Trek-Universum erneut an. Mit "Lower Decks" und "Prodigy" folgten zwei weitere Ableger. In den USA sind alle Star-Trek-Serien und -Filme beim Streamingdienst Paramount+ zu finden. Dieser will noch in diesem Sommer auch nach Deutschland expandieren und wird dann auch hier alle Star-Trek-Neuerscheinungen unter einem Streaming-Dach vereinen. Der Beginn der Serien "Star Trek: Starfleet Academy" sowie "Star Trek: Sektion 31" ist zurzeit noch unbekannt.

Mit "Star Trek Strange New Worlds" ist erst vor wenigen Wochen am 5. Mai in den USA eine neue Serie im Stream gestartet. Die Geschichten spielen zehn Jahre vor den Abenteuern von Kirk und Co. und passen damit zum Trend des Retro-TV, der auch hierzulande im Kommen ist. Am 21. Dezember nächsten Jahres soll dann mit "Star Trek 4" der 14. Film aus dem Star Trek-Universum an den Start gehen. Unter Regie von Matt Shakman gibt es ein Wiedersehen mit Chris Pine, Zachary Quinto, Zoe Saldana, Karl Urban, John Cho und Simon Pegg.

Noch in diesem Jahr findet vom 23. bis zum 25. September unter dem Titel "Destination Star Trek Germany" in Dortmund eine offizielle Star-Trek-Convention statt. Die Westfalenhallen werden zur Trekkie-Hochburg, gefeiert wird das 25-jährige Jubiläum von "Star Trek: Voyager". Als Gäste werden zahlreiche Hauptdarstellerinnen und Hauptdarsteller erwartet, darunter Kate Mulgrew, Roxann Dawson, Robert Picardo und Robert Beltran. Neben Autogrammstunden und Panels werden auch interaktive Ausstellungen zu Kostümen und Requisiten geboten.