Sound der Woche

Miley Cyrus führt ganz großes Kino auf

Miley Cyrus festigt ihren Ruf als Pop-Visionärin. Außerdem reingehört haben wir auch bei Feine Sahne Fischfilet, Sophie May, Balbina und Reinhold Heil.

28.05.2025 UPDATE: 01.06.2025 04:00 Uhr 3 Minuten, 4 Sekunden
Foto: Glen Luchford​

Von Steffen Rüth

Kein Geringerer als Indiana Jones persönlich brachte sie auf den Trichter. Ursprünglich hatte Miley Cyrus angesichts der großen Songs über existenzielle Themen, die sie zuletzt geschrieben hatte, überlegt, ob man diese nicht, aufwendig inszeniert, in unberührten Wäldern oder an den Pyramiden aufführen könnte. Sie zeigte Harrison Ford also bei einer Preisverleihung ihr Konzept auf dem Handy. Doch der entgegnete freundlich, aber klar: "Keine Chance. Zu teuer." Miley, mittlerweile 32, aber bereits seit ihren Anfängen vor fast 20 Jahren in der Disneyserie "Hannah Montana" ein Pop-Superstar, ließ sich etwas Neues einfallen.

Sie baute ihr neuntes Album "Something Beautiful" zu einer multimedialen Rundum-Sause aus. In deren Zentrum steht ein Kinofilm, der ebenfalls "Something Beautiful" heißt und am 6. Juni Premiere feiern wird. Cyrus verspricht nicht weniger als ein immersives Erlebnis im Geiste von Alan Parkers Pink-Floyd-Hommage "The Wall" von 1982. Beim Dreh auf dem nächtlichen Hollywood Boulevard zog sie sich herumrobbend eine so fiese Knieinfektion zu, dass selbst der behandelnde Chirurg angewidert das Gesicht verzogen habe, erzählte sie jüngst in einer Latenight-Show.

Das Schöne: Miley hat nicht vergeblich gelitten! Allein das Album ist – zusammen mit den bereits veröffentlichten Videos – von atemberaubender Brillanz. Musikalisch springt sie, angespornt von ihrem 2023er-Welthit "Flowers" durch alle erdenklichen Reifen. Elf Songs und zwei Zwischenspiele ("Interludes") ist "Something Beautiful" lang. Aber meine Fresse, da ist echt was los ...

Das Titellied beginnt wie eine gediegene Soul-Jazz-Nummer zwischen Norah Jones und Nina Simone, um dann im Refrain zu einem verzerrten Rocksong zu explodieren, bevor es wieder lieblich wird. "End Of The World" erinnert dagegen an Abba und Stevie Nicks – und auch das Weichzeichner-Video ruft Achtziger-Erinnerungen wach, genau wie das Haute-Couture-Kleid von Thierry Mugler, in dem sich Miley hier windet. "More To Lose", die aktuelle Single, hat dann etwas grandios Überwältigendes – Adele sagt freundlich Hallo. Und ähnlich ereignisreich geht es weiter.

In "Walk Of Fame" trifft Club-Pop auf einen Hauch von Bronski Beats "Smalltown Boy", dazu singt Brittany Howard mit. Und wer bei der Uptempo-Nummer "Every Girl You’ve Ever Loved", verziert von einer Spoken-Word-Einlage von Naomi Campbell, nicht an Madonna denkt, braucht Pop-Nachhilfe. Im sechsminütigen "Reborn" (noch so ein Electrokracher) geht es dann um nicht weniger als Leben und Tod, bevor die herzerwärmende Akustikgitarrenhymne "Give Me Love" dieses grandiose Album abschließt.


Info: "Something Beautiful" erscheint am Freitag. Der dazugehörige Film wird im Juni im Luxor, Heidelberg, gezeigt.








Skunk Anansie und mehr. Hier geht es zum Sound der letzten Woche.


Sound der Woche

Feine Sahne Fischfilet

Wir kommen in Frieden

Punkrock Noch auf der Tour zum 2023er-Album "Alles glänzt" fingen FSF zu schreiben an. Klar, als staatlich besiegelte Linkspunks (Verfassungsschutzbericht!) fliegen einem derzeit die Themen zu. Und wenn es nur die Erinnerung daran ist, wie Skinheads einen als 15-Jährigen mal halbtot geprügelt haben. Aber ganz so kompromisslos und auf das Antifa-Thema zu reduzieren, wie es Punkhymnen wie "Grüße ins Neandertal" erlauben, sind FSF nicht (mehr). Da mischen sich Selbstironie ("Manchmal finde ich dich scheiße") und Zwischentöne ("Awarenesskonzept") ins Selbstbild. Überraschend und umso bewegender ist auch "Haut an Haut", für Jan "Monchi" Gorkows neugeborene Tochter. (hol) ●●

Für Fans von: Lumpenpack

Bester Song: Haut an Haut


Sophie May

Half Songs 2

Songwriter Ein Jahr ist es her. Da hat Sophie May mit ihrer unkonventionellen Art, die Gitarre zu stimmen, die Gäste des Maifeld Derbys amüsiert – um sie danach mit viel Humor und noch mehr Melancholie auch musikalisch zu verzücken. Jetzt legt die Britin den zweiten Teil ihrer "Half Songs"-Serie vor: zehn zarte Liedchen, insgesamt nur 16 Minuten lang. Das perfekte Projekt für die Generation Tiktok? Ja. Aber Sophies Charme schlägt auch alle anderen in seinen Bann! (dasch)

Für Fans von: Phoebe Bridgers

Bester Song: Dingo


Balbina

Infinity Tunes

R&B/Soul Nein, dieser "Vatertag" passt nicht zu Bollerwagen und Flaschenbier: Gleich im Eröffnungssong ihres fünften Albums verarbeitet die Berliner Musikerin Balbina den Tod ihres Vaters – berührend in dieser Mischung aus Banalität und tiefer Verunsicherung. Auch auf den weiteren sieben Stücken geht es um Veränderung und Erinnerung, mit präzisem Text und souliger Melancholie. Die 42-Jährige liefert großen Pop, kunstvoll ausbalanciert zwischen Pomp und Zerbrechlichkeit. (sös) 

Für Fans von: Kate Bush

Bester Song: Samtvorhangstille


Reinhold Heil

Freiheit Geilheit Männlichkeit

Electropop Bekannt als Sänger und Keyboarder der Achtziger-Heroen Spliff ("Carbonara"), legt Reinhold Heil, inzwischen 70, das wohl absurdeste Debütalbum der deutschen Musikgeschichte vor. Eine Stunde lang wühlt sich einer der wichtigsten Vordenker der Neuen Deutschen Welle mit aufrichtiger Empörung durch die Verwerfungen der Postmoderne: Er macht sich über Corona-Leugner, Incels und die katholische Kirche lustig – nie unter der Gürtellinie, selten klamaukig, immer wundersam pointiert. Das alles ist so groovig, so dicht produziert, dass man gar nicht nicht tanzen kann, wenn Heil sich NFT-Bros vorknöpft und die gesamte Discogeschichte in die Waagschale wirft. Wider dem neuen Faschismus. (han) ●●

Für Fans von: Spliff

Bester Song: Serielle Monogamie