Pfarrkirche St. Marien - Der Heiland schaut mit magischem Blick
St. Marien wirkt zunächst schlicht. Doch hinter der Pforte wartet mehr als eine Überraschung.

Von Diana Deutsch
Heidelberg. Der Christus hinter dem Altar ist riesig, und seine Augen vergisst man nie mehr. Weil sich in ihnen Vorwurf und Zärtlichkeit, Schmerz und Vergebung in verwirrender Weise mischen. Der Künstler Paul Hirt hat den Heiland mit dem magischen Blick auf die Stirnwand der katholischen Kirche im Heidelberger Pfaffengrund gezaubert.
Für den gehörlosen Hirt war die Malerei eine Möglichkeit, sich der Welt mitzuteilen. Wahrscheinlich rührt daher die Intensität seines Werks. In den 1920er-Jahren war Hirt so berühmt, dass selbst der Papst sich von ihm porträtieren ließ. Der Pfaffengrund befindet sich also in bester Gesellschaft. Zeit für einen Ausflug in dieses Viertel und die katholische Kirche Sankt Marien.

Der Pfaffengrund war einst der grünste Stadtteil Heidelbergs. Sehr bewusst hat man hier die Häuser nicht an die Straßen gebaut, sondern mitten in die Gärten hinein. Früher besaß jede Familie auch noch einen Stall, doch die Zeit der Selbstversorgung ist auch im äußersten Westen Heidelbergs vorbei.
Ganz anders 1921. Damals war die "Gartenstadt" Pfaffengrund ein Zufluchtsort für Fabrikarbeiter, die sich einen Rest dörflichen Lebens bewahren wollten.
Knapp 400 Siedlungshäuschen, allesamt mit fließendem Wasser und Obstbaum, bildeten den Kern des neuen Stadtteils direkt bei den Fabriken. Jeder Weg im Pfaffengrund mündete in einen Spielplatz; es gab ein Gemeinschaftshaus, eine Schule und eine evangelische Kirche.
Nur das Erzbistum Freiburg tat sich schwer mit dem Arbeiterstadtteil. Jahrelang musste die Baracke eines ehemaligen Gefangenenlagers als Notkirche herhalten.
Dann kam Anton Klausmann. Der junge Priester besaß ebenso viel Unternehmergeist wie Charisma. Beherzt schritt er zum Kirchenbau, direkt neben der Baracke.
St. Marien ist ein schlichtes, aber eindringliches Gotteshaus. Verputzt, zurückhaltend, prunklos, bescheiden. Nur der Turm verrät die Bestimmung. Vielleicht deshalb hat man ihn 1994 knallrot gestrichen. Jetzt leuchtet er wie eine Fackel, wenn die Sonne darauf fällt.

Die Schlichtheit St. Mariens passt zwar gut zum Selbstverständnis der Pfaffengrunder, sie ist aber eigentlich der Materialknappheit des Jahres 1937 geschuldet. Deutschland rüstete damals schon wieder zum Krieg.
Dank massiver Stahlträger kam St. Marien ohne Pfeiler aus. Und der Altarraum hat sogar kathedrale Dimension.
Offiziell geweiht wurde die Kirche erst nach dem Zweiten Weltkrieg, im Mai 1947. Der Pfarrer hieß immer noch Anton Klausmann. Seine Gemeinde war inzwischen auf 1400 Gläubige angewachsen. An Hochfesten musste man die Tür zum Platz öffnen, damit alle der Messe folgen konnten.
Nach dem Gottesdienst griff der Pfarrer gern noch zum Saxofon und musizierte ein Stündchen mit der Blaskapelle. So ging der Sommer im Pfaffengrund.

Und der Winter? Wie konnte man den Pfaffengrundern da eine Freude machen? Diese Frage beschäftigte Gertrud Schaab monatelang.
Bis der Katholikin ihr Bruder einfiel. Walter Ohlhäuser war ein begabter Schnitzer. Mit geübter Hand fertigte er eine Krippenlandschaft für St. Marien. Das war der Beginn einer großen Karriere, die Ohlhäuser zum gefragtesten Krippenschnitzer Deutschlands machte.
Sein "Prototyp" im Pfaffengrund besteht heute aus 43 Figuren. Jede hat einen eigenen Charakter und ist liebevoll ausgearbeitet. Und: Die Pfaffengrunder Krippe ist weltweit die einzige, die ein komplettes Blasorchester besitzt. Man munkelt, Pfarrer Klausmann habe die Bläser geordert und selbst bezahlt.
ST. MARIEN
- Adresse: Schützenstraße 20, 69123 Heidelberg
- Konfession: katholisch
- Baujahr: 1938
- Baustil: Moderne
- Öffnungszeiten: Seiteneingang tagsüber geöffnet
- Kontakt: Pfarrbüro St. Marien, Marktstraße 43, 69123 Heidelberg
- Telefon: 06221/43-52510
- E-Mail: st.marien@kath-hd.de
- Webseite: stadtkirche-heidelberg.de/st-marien