"Meine Comedy ist ohne Filter"
Comedian Oliver Polak fühlt sich als Gast in seiner eigenen Show.

Von Oliver Neumann
Oliver Polak, mit dem Grimme-Preis ausgezeichneter Stand-up-Star aus Berlin, erschüttert die etablierten Strukturen mit schamlosem Humor und extravaganter Mode wie Jogginghose und Adiletten. In seiner neuen Bühnenshow "Comedy" (ab 15. Oktober, unter anderem Frankfurt und Stuttgart) geht er wieder an die Grenzen des guten Geschmacks. Mit Polak, 49, sprach Olaf Neumann via Zoom über Auftritte in den USA und Depressionen.
Sie sind ab Januar 2026 Thomas Mann-Stipendiat, also einer von den begnadeten Menschen, die drei Monate in der ehemaligen Villa des Schriftstellers in Los Angeles verbringen dürfen. Was haben Sie dort vor?
Mein Plan ist, Stand-up-Comedy auf Englisch zu machen, was ich schon vor Jahren in New York getan habe. Ich bin damals in Theatern wie Carolines on Broadway oder The Stand aufgetreten. Das Oberthema vom Thomas Mann-Haus lautet "Across Boundaries". Ich finde, dass Humor über Grenzen hinweg geht und gleichzeitig verbindet. "Verbindet" hört sich immer so doof an, aber meine Erfahrung ist, dass in Berlin im Mad Monkey Room, wo ich immer gerne auftrete, das Publikum sehr gemischt ist. Da sind junge Leute deren Eltern aus Türkei kommen neben Kurden aus dem Iran. Da sind Menschen aus Afghanistan, aus Palästina, aus Amerika und aus Deutschland. Ich mache auf der Bühne sehr viel Crowd-work, also spontane Sachen. Das ist wie ein Spinnennetz, das man mit seinen Gags über den Leuten webt. Das Schöne an einer Comedy-Show ist, dass Menschen, die sich vielleicht draußen bekriegen würden, gemeinsam über sich selbst lachen können und über den Irrsinn in der Welt.
Sie haben des Ruf eines harten und kompromisslosen deutsch-jüdischen Stand-up-Comedians. Zu recht?
Viele sagen, mein Humor sei hart, aber am Ende ist das, was ich erzähle ein Witz oder die Realität.Von Leuten, die vielleicht Probleme wie Depressionen haben oder psychisch anders sind, heißt es, sie seien krank. Ich weiß gar nicht, ob sie wirklich krank sind. Ich würde sagen, dass Menschen mit psychischen Problemen eher gesund sind, weil wir die Welt tatsächlich spüren, weil wir empathisch sind. Wenn man das, was in der Welt passiert, wirklich fühlt, dann kann man ja nur krank werden. Meine Comedy ist ohne Filter, und da gibt es halt viele Interpretationsmöglichkeiten.
Sie stammen aus dem Emsland. Auf welche Weise hat Ihre Herkunft Sie geprägt?
Das Emsland ist auch in mir, weil es immer ungefiltert war. Wenn da jemand zu dir sagte: "Ich hau dir gleich auf’s Maul!", dann hat er dir auch gleich aufs Maul gehauen ohne sich zu fragen, was das für Konsequenzen haben könnte. Vor 15 Jahren saß ich mal in Papenburg am Tresen einer Fußballbar, wo gerade Premiere, Sky lief. Jemand sagte zu mir: "Ey, du bist ja der Sohn vom Polak. Dein Vater, der ist doch schon tot". Ich: "Nee, der lebt noch!" Allein das ist lustig. Einfach mal raushauen und nicht nachfragen. Ich liebe es! Im Fernsehen war gerade ein Freistoß von Torsten Frings zu sehen. Der trug ja immer ein Stirnband, weil er längere Haare hatte. Da guckt dieser Kneipen-Typ mich an und sagt: "Du, der Frings, der ist aber auch ein schöner Mann. Stell dir den mal nackt in einer Latzhose vor!" Dann sitzt du da und brauchst gar keine Pointe mehr. Dieses Ungefilterte ist defintiv ein Teil meiner Comedy.
Wir leben ja in sehr merkwürdigen, chaotischen Zeiten. Ist das für den Comedy-Künstler Oliver Polak inspirierend?
Ich verstehe die Frage, aber ich bin anders. Als Mensch reagiere ich auf das Außen. Es passiert gerade sehr viel, wie Sie schon angedeutet haben, aber es gibt ja insgesamt über 59 Kriege in der Welt. Das wird oft vergessen, weil man sich gerne auf ein oder zwei Sachen einschießt. Genau da reagiere ich drauf. Durch TikTok oder Instagram hat man das Gefühl, dass alles viel irrer geworden und viel schneller an einem dran ist. Es ist auch viel zu viel. Aber es sind manchmal nur die kleinen Dinge. Ich gehe jedenfalls nie durch die Welt und denke: "Oh, wo finde ich denn jetzt Material für meine Comedy?" So funktioniere ich nicht. Denn man ist doch von allem permanent umgeben.
Schon vor Jahren haben Sie ein Buch über Ihre Depressionen geschrieben. Wie geht es Ihnen heute?
Ich befinde mich grade in einer Phase wo der Tag mein größter Feind ist, und abends, wenn ich die Bühne betrete, ist alles in Ordnung, weil die Leute lachen. Ich denke dann: "Oh, habe ich die jetzt um Lachen gebracht?" Ich realisiere manchmal gar nicht, dass ich der Komiker bin und fühle mich als Gast in meiner eigenen Show.
"Ein Abend mit Oliver Polak ist wie ein Flugzeugabsturz in Zeitlupe – nur dass dabei alle lachen." Wann hat Robin Williams, der ja auch an Depressionen litt, das über Sie gesagt?
Das war bei meinem allerersten Auftritt auf Englisch im Herbst 2013 im Nuyorican Poets Cafe an der Lower East Side. Das ist kein Comedy-, sondern ein Slam Poetry-Club. Ich hatte im Netz nachgeguckt, wo es in New York offene Bühnen gibt. Und da kommen die krassesten Leute hin. Ich habe selber nicht mit Robin Williams gesprochen, aber er saß im Publikum, und ich war einer der wenigen Comedians, die dort aufgetreten sind. Und dann haben sich viele Zuschauer über mich aufgeregt, weil das schon auch krasser Humor war. Ich hörte, dass die Leute über mich redeten, und im Vorbeigehen sagte Robin Williams: "An evening with this guy is like a plane crash in slow motion, but where people are laughing."
In Ihrem neuen Programm "Comedy" fragen Sie sich, wie man seinen Hund beerdigt und danach seine Tante. Gemeint sind Ihr Schnauzerterriermix Arthur und Ihre Tante Ilse aus New York. Haben Sie für beide Verstorbene Trauerreden gehalten?
Beim Judentum ist es so, dass jemand am Grab reden soll, der die verstorbene Person gut kannte. Da hab’ ich ein paar Lacher gehabt, weil ich natürlich auch lustige Geschichten über meine Tante erzählte. Bei der Beerdigung von meinem Hund Arthur habe ich auch über ihn gesprochen, über seine Wesenszüge. Meine Ex-Freundin, der der Hund vorher gehörte, war unter den Trauergästen und hat ebenfalls etwas erzählt. In den letzten Jahren habe ich auch einen Film über meine Tante und mich gedreht. "Ilse und Ich", die Aufnahmen liegen hier noch rum. Ich habe gerade keine Zeit, den Film fertigzustellen.
Wollen Sie das Projekt noch angehen?
Das steht auf jeden Fall noch auf meiner Bucketlist. Ich kenne einen Cutter, den ich sehr gut finde. Vielleicht bringe ich ihn bei YouTube raus. Es ist aber ein sehr simpler Film. Ich habe das Handy immer auf Selfie-Mode gestellt, wenn wir zusammen an einem Tisch saßen, etwas gegessen oder getrunken und uns einfach nur unterhalten haben. Ich habe gefilmt, wie ich mit Ilse ins Casino gefahren bin oder an den Ort, wo sie einst mit dem Schiff aus Europa ankam. Wir sind auch mal zu Katz’s Delicatessen gegangen, wo ich dann auch gefilmt habe.