Neustadt an der Weinstraße

Paul Potts spielt "Nessun Dorma" immer am Ende

Ohne Musik wäre Paul Potts nicht der, der er ist. Am 7. September tritt im Saalbau in Neustadt an der Weinstraße auf.

04.09.2025 UPDATE: 04.09.2025 04:00 Uhr 4 Minuten, 9 Sekunden
Foto: Max Dodson

Von Robin Höltzcke

2007 wurde Paul Potts mit "Britain’s Got Talent" über Nacht weltberühmt. Doch hinter dem plötzlichen Ruhm steckt eine Geschichte von Rückschlägen, Krankheit und Selbstzweifeln. Im Interview spricht der Tenor über seine Anfänge, den Umgang mit Lampenfieber – und erklärt, warum er jeden Auftritt bis heute als Geschenk betrachtet.

Herr Potts, Sie wurden über Nacht zum Star – was hat sich seit Ihrem Gewinn bei "Britain’s Got Talent" 2007 am meisten für Sie verändert?

Die größte Veränderung ist, dass ich nun als Beruf das tue, was mich als Mensch erfüllt. Ich habe großes Glück, dass ich das, was ich liebe, als "Job" machen darf. Singen ist nicht nur mein Beruf, sondern ein grundlegender Teil dessen, wer ich bin.

Wie blicken Sie heute auf diesen plötzlichen Erfolg? Hat er Sie überrascht oder sogar manchmal überwältigt?

Er hat mich auf jeden Fall überrascht! Ich hätte nie erwartet, dass mein Auftritt in Cardiff dorthin führen würde, wo ich heute stehe. Ich dachte, es würde mein letzter Auftritt sein – und nun stehe ich über 18 Jahre später immer noch auf der Bühne!

Gab es jemals einen Moment, in dem Sie beinahe aufgegeben hätten – in der Musik oder im Leben? Was hat Sie weitermachen lassen?

Ich hatte das Singen bereits aufgegeben, als ich zum Casting ging. Ich dachte, ich hätte meine Chance im Leben verpasst und dass mein Talent in einem Musikgenre liege, das weit entfernt von allgemeiner Popularität ist. Ich hatte viel Pech mit Krankheit und Verletzungen und dachte, es sollte einfach nicht sein. Im Leben selbst hatte ich auch mehrfach aufgegeben, wegen des Mobbings, das ich in der Schule durch Mitschüler erlebte. Ich bin mit wenig Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl aufgewachsen und hatte oft das Gefühl, dass mein Leben kaum Sinn habe.

Ihre Stimme berührt so viele Menschen – was bedeutet Ihnen das Singen persönlich?

Singen ist wie eine Erweiterung meiner Persönlichkeit. Es war viele Jahre lang mein einziger Freund und die einzige Konstante in meinem Leben – das eine, auf das ich mich verlassen konnte und das immer da war.

Gibt es ein Musikstück, das Sie emotional besonders fordert oder auf eine besondere Weise berührt?

Puccinis Oper "La Bohème" bewegt mich jedes Mal. Meine Frau sagte mir früher, ich solle aufhören, sie in der Öffentlichkeit zu hören, weil die Leute dachten, sie würde mich schlagen – so sehr liefen mir die Tränen übers Gesicht!

Wie gehen Sie mit Lampenfieber um – gerade angesichts Ihrer oft erwähnten Schüchternheit zu Beginn Ihrer Karriere?

Ich versuche, mir vor dem Auftritt keine Zeit zum Nachdenken zu geben. Das bedeutet, dass ich fünf Minuten vor Beginn oft noch in meinen Anzug schlüpfe und die letzten Einsingübungen mache. Dann gehe ich auf die Bühne und versuche es einfach.

Was war bislang die herausforderndste Aufführung Ihrer Karriere – und warum?

Am schwierigsten war es am Anfang meiner Tourneen. Ich hatte zuvor kaum lange Konzertserien gemacht und war plötzlich von der Vielzahl an Auftritten überwältigt. Ich muss zugeben, dass ich eine Weile ziemlich durchgedreht war. Es brauchte etwas Zeit, bis ich mich daran gewöhnte. Anspannung ist der größte Feind des Sängers – es dauerte, bis ich die Nervosität und die Erwartungen loslassen und anfangen konnte, wirklich Freude an meinen Auftritten zu haben.

Gibt es einen Bühnenmoment, den Sie nie vergessen werden?

Der Moment meines ersten TV-Castings. Ich wusste damals nicht, dass dies der Wendepunkt meines Lebens war. Zum Guten oder zum Schlechten – mein Leben sollte sich ab diesem Moment verändern.

Sie treten in der ganzen Welt auf – gibt es ein Land oder Publikum, das Sie besonders beeindruckt hat?

Zwei Länder, in denen ich viel Zeit verbringe, sind Deutschland und Südkorea. Ich bin sehr bewegt von der Loyalität und der Herzlichkeit der Menschen dort – nicht nur während meiner Konzerte, sondern auch, wenn ich einfach so zu Besuch bin. In beiden Ländern fühle ich mich zuhause, und ich liebe es, Gegenden zu entdecken, die abseits der üblichen Touristenrouten liegen.

Wie gehen Sie mit der Erwartung um, "Nessun Dorma" singen zu müssen?

Es gab Gelegenheiten, bei denen ich es krankheitsbedingt nicht gesungen habe – das ist aber sehr selten. Wenn ich es nur mit Klavierbegleitung singe, habe ich die Möglichkeit, es jeden Abend ein wenig anders zu gestalten, sodass es nie gleich klingt – nicht, dass ich je müde davon werden würde! Aber es ist ein Stück, das fast unmöglich zu übertreffen ist. Bei Firmenauftritten musste ich die Veranstalter schon überreden, nicht damit zu beginnen. Es ist Musik, die alles danach überstrahlen kann – deshalb singe ich sie immer als Letztes.

Wie schaffen Sie es, trotz Ihres Erfolgs ein bodenständiges Leben zu führen?

Ich habe immer im Hier und Jetzt gelebt – und die Unterhaltungsbranche ist sehr launisch, man darf nichts als selbstverständlich ansehen. Dass ich nach der Schule 18 Jahre lang andere Dinge gemacht habe, hat mir ein "echtes" Leben vermittelt. Ich habe nie vergessen, wie glücklich ich mich schätzen darf, das tun zu können, was ich liebe.

Sie gelten als sehr bescheiden – ist das eine bewusste Entscheidung oder einfach Teil Ihrer Persönlichkeit?

Ich halte mich lieber zurück, statt lautstark aufzutreten. Wenn man ein aufgeblähtes Bild von sich erschafft, muss man diesem auch gerecht werden – sonst fällt man umso härter.

Wie wichtig war Ihre Familie – besonders Ihre Frau – auf Ihrem bisherigen Weg?

Julz war immer eine Konstante, und meine Familie stand stets an meiner Seite. Die Familie sagt einem oft, was sie wirklich denkt – das hilft, am Boden zu bleiben.

Welche Botschaft möchten Sie Menschen mitgeben, die an sich selbst zweifeln?

Setzt euch realistische Ziele, damit ihr euch nicht gleich am Anfang selbst entmutigt – und gebt nicht auf. Nutzt die Erfahrung, etwas nicht zu erreichen, als Grundlage für ein dauerhaftes Leben im Einklang mit dem, wer ihr wirklich seid.

Woran arbeiten Sie aktuell? Gibt es ein neues Album, ein Projekt oder vielleicht noch einen Traum, den Sie verwirklichen möchten?

Ich lerne ständig neue Musik, um mein Programm abwechslungsreich und schön zu halten. Ich habe viel Zeit im Studio verbracht – sowohl in Wales als auch in Korea. Besonders interessiert mich gerade die Balladenmusik aus dem frühen 20. Jahrhundert. Ich habe festgestellt, dass gerade das Publikum in Deutschland diese Stücke sehr schätzt, auch wenn sie sie vorher noch nie gehört haben.

Wenn Sie sich selbst vor Ihrem ersten Casting treffen könnten – was würden Sie sich sagen?

Lächeln, auch mit diesen Zähnen!

Info: Sonntag, 7. September, um 18 Uhr im Saalbau, Neustadt an der Weinstraße. Tickets ab 58,40 Euro unter www.eventim.de 

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