Museum für nachhaltige Kunst

Mit Weitsicht Zukunft denken

Museum für nachhaltige Kunst und Design in einem ehemaligen Tabakhof in Wiesenbach eröffnet

01.02.2019 UPDATE: 03.02.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 18 Sekunden

Im Wiesenbacher Museum für nachhaltige Kunst und Design: der Museumsgründer und Aktionskünstler Samul Fleiner (links) zusammen mit dem Designer Friedo Stucke. Beide stehen hinter dem imposanten Fahrrad-Objekt "Wolkenreise" des Künstlers Axel Ewen. Foto: Alex

Von Julia Behrens

Wiesenbach. Der Künstler und Kurator Samuel Fleiner ist ein Visionär. Lange bevor das Ausmaß von Klimawandel und Plastikschwemme ins öffentliche Bewusstsein drang, realisierte er Aktionen und Projekte zum Thema Nachhaltigkeit. Mit den von der Unesco geförderten Wander-Ausstellungen "Re-Art-One" und "Arte Sustenibile" begann Fleiner vor 15 Jahren, mittels Kunst und Design über einen innovativen und umsichtigen Umgang mit der Erde zu informieren. In Nairobi, San Francisco, Bonn, Berlin, Heidelberg und Ihlienworth bei Cuxhaven machte er deutlich, wie weit der 1992 von der UNO als Leitbild definierte Begriff der Nachhaltigkeit gefasst ist. Er beinhaltet nicht nur, dass wir unseren Nachkommen einen sauberen Planeten hinterlassen, sondern dass Generationengerechtigkeit auch sozial und ökonomisch funktionieren muss.

Mit der Eröffnung des "Museum für nachhaltige Kunst und Design" in Wiesenbach hat der Allrounder jetzt eine dauerhafte Plattform für Wechselausstellungen geschaffen, die Alternativen zu unserem heutigen, wenig ressourcenschonenden Lebensstil aufzeigen. Verortet ist das Ganze in der großen Scheune des ehemaligen Antoniushofes in Wiesenbach, der unter der Leitung des Künstler-Kurators und der Beteiligung vieler ehrenamtlicher Kräfte von dem Verein "kunst.gesundheit.bildung e.V." nachhaltig renoviert wurde. Und der zusätzlich ein Tagungshaus, ein Gästehaus für ausländische Arbeitnehmer und Akademiker, einen Skulpturengarten sowie zukünftig auch einen Laden für regionale Produkte umfasst.

Mit unverputzten Sandsteinwänden, einem offenen Dachstuhl und großen, von Friedo Stucke entworfenen Stellwänden aus Holzfaser-Dämmplatten bietet das neue Museum kein White-Cube-Ambiente, sondern einen eher rustikalen Rahmen für die Pilotausstellung, die sich unter dem Titel "Arte Sustemobile 2.0" mit Bewegung und Mobilität beschäftigt. Darin setzen sich Malerei, Skulptur und Objektkunst sowie Videos, Plakaten und Prototypen zu einem bunten Mix aus künstlerischen Positionen und Design-Entwürfen zusammen.

Gleich im Eingangsbereich steht das futuristische Brennstoffzellen-Fahrzeug Hysun 3000, das 2004 mit 3,3 kg Wasserstoff von Berlin nach Barcelona fuhr und dessen Verbrauch damit einem Äquivalent von 0,4 Litern Benzin pro 100 km entspricht. Daneben finden sich Informationen zu dem Solarluftschiff LOTTE, das an der Universität Stuttgart in den 1990er Jahren entwickelt wurde und für den Frachtverkehr ideal geeignet wäre, weil es ohne Landebahn auskommt. Zwei von vielen Beispielen mit hohem Klimaschutz-Potential.

Auch per Muskelkraft betriebene Vehikel spielen bei "Arte Sustemobile" eine Rolle, denn der Multifunktionalität von Fahrrad und Dreirad sind - zum Beispiel als Rikscha, Handbike oder Rowbike - keine Grenzen gesetzt. Besonders eindrucksvoll: Das "High Horse" der amerikanischen Kinetik-Künstlerin Billie Grace Lynn, ein elegantes Pferd aus Metallschrott; es verbraucht kein Futter. Auch als überlebenswichtiges, oft sehr kreativ genutztes Lastenfahrzeug tritt das Fahrrad - zum Beispiel in einem Gemälde des Kenianers Patrick Mukabi - in Erscheinung. Viele afrikanische Künstler sind vertreten, da der Aspekt nachhaltiger Mobilität auch Entwicklungsgedanken mit einschließt. Allerdings scheint im Falle des Südafrikaners Vincent Osemwegie nur dessen gestische Malweise "Bewegung" zu enthalten. Das Motto ist hier eher stilistisch als inhaltlich fassbar.

Außerdem fragt Fleiner mit dem Untertitel seiner Schau "was bewegt uns in Zukunft?" nach dem, was die Menschen emotional umtreibt. Und in diesen Rahmen passt eigentlich jede Facette der Nachhaltigkeit. Wie das Thema Armut, das der Deutsch-Afrikaner Adom Tetteh in Form demutsvoll gefalteter Hände aus Lumpen aufgreift, oder das der sozialen Ausgrenzung, das der Mannheimer Künstler Michael Kleinböhl in seiner Malerei vermittelt: wichtige Gesichtspunkte, die den gewohnt breiten Ansatz von "Re-Art-One" spiegeln, die hier nur etwas deplatziert wirken.

Auch wenn eine klare Eingrenzung auf das Feld der Mobilität der Pilotausstellung, die aus den "Fonds Nachhaltigkeitskultur der Bundesregierung" gefördert wurde, gutgetan hätte: Durch das neue Museum wird unsere Region mit einer Institution bereichert, die - höchst aktuell - neue Perspektiven und Wege aus einer globalen, gesellschaftspolitischen Sackgasse aufzeigt.

Museum für nachhaltige Kunst, Hauptstr. 77, 69257 Wiesenbach, Tel.: 0179/7049445. www.arte-sustenibile.org. Di.-So. 10-17 Uhr, Führungen nach Vereinbarung.

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