Gegen die Schwere unserer Zeit
Auf seinem neuen Album "Glück auf den Straßen" feiert Max Giesinger handgemachte Musik mit autobiografischen Songs.

Von Olaf Neumann
Seine Lieder "80 Millionen" und "Wenn sie tanzt" kommen auf mehrere Hundert Millionen Klicks. Für die Show "The Masked Singer" wurde Max Giesinger mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet. Mit dem 36 Jahre alten Sänger aus dem Schwarzwald sprach Olaf Neumann über sein neues Album, übers Unterwegssein, sein Duett mit Johannes Oerding, die Liebe und das, was Musik bei kranken Kindern bewirkt.
In Ihrem neuen Album singen Sie vom Unterwegssein, vom "Glück auf den Straßen". Sind Sie lieber unterwegs als zu Hause?
Max Giesinger: Das hängt von meinen Phasen ab. Nach vier, fünf Tagen in Hamburg habe ich wieder total Bock loszufahren. Nach drei, vier Wochen auf Tour oder Reisen sehne ich mich wieder nach meiner schönen Kaffeemaschine und dem eigenen Bett. Aktuell mag ich‘s aber lieber, unterwegs zu sein. Ich bin vor kurzem umgezogen. Mein neues Zuhause ist immer noch eine kleine Baustelle, weil ich der König im Aufschieben von Dingen bin. Wenn ich unterwegs bin, muss ich mich damit nicht beschäftigen.
Worauf legen Sie bei Ihrer Musik Wert? Ist Gesang das Wichtigste?
Zuerst einmal muss ich mir die Songs selber gerne anhören. Ich will keine belanglose 08/15-Scheiße singen, sondern Storys direkt aus meinem Leben. Auch der Sound muss stimmen. Du kannst einen super Song haben, der jedoch komisch produziert ist und nicht zahnt. Aber ich habe bei dem Album das Gefühl, dass alles passt. Ich wollte ein Platte machen, die man sich bei heruntergekurbelten Scheiben von vorne bis hinten anhören kann.
Hatten Sie beim Schreiben der Songs einen bestimmten Sound im Ohr?
Ja. Die Idee entstand in den Bergen während einer Reise, wo wir komplett zugeschneit waren. Wir saßen am Kamin, und nachdem wir einen Song geschrieben hatten, der klang wie alles, was ich davor schon mal gemacht hatte, stellte mir mein Produzent die Frage, was ich aktuell so höre und was mich berührt. Ich war total im Fleetwood Mac-Fieber und habe viel organische Musik angehört. Dann war die Reise schnell klar. Ich wollte schon immer so klingen, weil das die Musik war, mit der meine Mutter mich als Kind gefüttert hat.
Erzählt die Musik auf Ihrem Album auch etwas über die Gegenwart?
Primär geht es bei dem Album um persönliche Dinge, die ich erlebt habe. Aber vielleicht ist es auch ein Gegenentwurf zu der Schwere unserer Zeit. Ich habe mir die Frage gestellt, gehe ich da jetzt volle Kanone rein und schreibe ein Album über den aktuellen Weltschmerz, über alles, was irgendwie schief läuft und all die Dramen, die sich gerade abspielen, oder gebe ich den Leuten lieber die Möglichkeit, mal kurz davon loslassen zu können. Klar, das Album ist nicht nur happy, sondern es gibt auch melancholische Momente. Aber trotzdem geht es um die urmenschlichen Emotionen im Hier und Jetzt.
Mit Johannes Oerding verbindet Sie enge Freundschaft. Sie waren gemeinsam auf Tour, bei "Sing meinen Song" und haben sich oft live unterstützt. Für die Single "Wimpernschlag" haben Sie Oerding erstmals als Duettpartner ins Studio geholt.
In dem Song geht es um eine durchzechte Nacht, wo du mit den richtigen Leuten unterwegs bist und morgens auf dem Fischmarkt landest. Die Sonne geht auf und es ist plötzlich 25 Grad. Alle sind leicht angetrunken, torkeln zusammen nach Hause und denken ,Ey, gutes Leben oder?’ Eigentlich arbeiten wir alle immer auf diese Momente hin. Aber es ist natürlich schwierig, positiv zu bleiben bei einer Welt, die gerade so verrückt ist. Allein in der Stadt zu leben, ist ja schon stressig. Vielleicht schafft das Album es, das Gefühl zu vermitteln, dass alles auch mal okay sein kann.
"Flugangst" ist vielleicht das zarteste Stück, das Sie je gemacht haben. Sie erzählen in weniger als drei Minuten das ganze Spektrum einer Beziehung. Alles selbst erlebt?
Jeder Satz hat sich genauso zugetragen, vom ersten Kennenlernen an, wo ich dachte, oh, das fühlt sich ganz schön gut an. Vielleicht ist sie das. Um dann aber auch zu merken, da ist etwas in mir drin, was dagegen ankämpft. Meine bester Freund sagte, ich hätte noch nie jemanden so angesehen. Das sind wirklich genau die Sätze, die gefallen sind. Ich habe es ihr auch vorgespielt. Das war ein krass berührender Moment, weil sie genau gecheckt hat, ey, okay, das ist ja eins zu eins unsere Kennenlerngeschichte, unser Thema. Das werd ich nie vergessen.
Wie sehr stellt Ihr Beruf Ihr Liebesglück auf die Probe?
Musiker zu sein ist nicht der beziehungsfreundlichste Beruf. Dazu liebe ich auch noch meine Autonomie und die Option, spontan verreisen zu können. Aber da gibt‘s sicher irgendwo auch den passenden Deckel.
Sie singen "Lass uns aufhören, wenn’s am schönsten ist". Haben Sie das bislang immer so gehalten?
Meistens habe ich irgendwann die Reißleine gezogen, auch, wenn’s cool war. Aus dem Unvermögen heraus, mir vorzustellen, dass das mal eine längere Beziehung wird mit allem was dazugehört. Und zu einer Beziehung gehören ja auch Phasen, in denen es nicht so cool ist. Am Ende des Liedes gibt‘s aber ein Happy End.
Angeblich sind Sie durchaus offen für eine eigene Familie. Ließe sich das denn mit Ihrem Leben verbinden?
Vielleicht brauche ich noch zwei, drei Jahre, bis ich dazu bereit bin. Ich sehe mich nicht als ewigen Junggesellen. Aber ich müsste dann mein Leben ordentlich umgestalten. Denn von Anfang Juni bis Ende August war ich gerade Mal zehn Tage hier in Hamburg.
Sie spielen auch in Kliniken für kranke Kinder und ihre Familien.
Ja, ich spiele manchmal in Stationen vor 50, 60 Leuten. Da sind dann die Kids mit ihren Eltern. Ich gehe hin und wieder zu den schweren Fällen, die sich nicht mehr bewegen können und mache dort Musik am Bett. Das habe ich mit Nico Santos getan und auch alleine. Für die Kinderklinik Konzerte e.V., deren Schirmherr ich bin, sammle ich Geld bei TV-Shows oder karitativen Veranstaltungen.
Wie gehen Kinder mit Krankheit um?
Ich bin da ja nur kurz für das Konzert und dann wieder weg. Was ich aber sehe ist, was Musik mit Kids macht. Was sie ihnen geben kann und wie sie aufblühen können, wenn sie ihren Lieblingssong hören. Mir sind schon Geschichten zu Ohren bekommen, dass Kids noch monatelang von dem Erlebnis erzählen und es ein absolutes Highlight in ihrem Leben war. Dass sie dadurch einen richtigen positiven Push bekommen haben.Info: "Glück auf den Straßen" von Max Giesinger erscheint am Freitag. Auf Tour mit Band geht es im November.