Ausstellung "Schweben_Neuland" im Kunstraum Vincke-Liepmann
Abtauchen ins tiefe Blau mit den Werken von Barbara Ehrmann: Sie hat sich Unterwasser-Welten verschrieben.
Von Matthias Roth
Heidelberg. Seit ein paar Jahren hat sich Barbara Ehrmann den Unterwasser-Welten verschrieben. Die verlangsamten Bewegungen, die minimierten Geräusche, die gleichmäßigen Wellenbewegungen, mit denen Pflanzen, Tiere und schwebende Gegenstände tanzen — das alles fasziniert die Künstlerin aus Ravensburg, die sich gern selbst dem nassen Element ausliefert, wie man in einigen Videos sehen kann.
Zusammen mit Alexander Nelles realisierte sie seit 2013 Unterwasserprojekte wie "breathing water", "Fragile Balance" oder "Beyond". Neben Arbeiten auf Papier kann man auch diese Videofilme nun im Kunstraum Vincke-Liepmann in der Heidelberger Weststadt sehen, wo Barbara Ehrmann zum wiederholten Mal ausstellt.
Auch die jetzt gezeigten Papierarbeiten sind von den Eindrücken unter Wasser geprägt: Als Artist in Residence war sie 2022 — nach Studium in Stuttgart, Stipendien in Paris und Basel sowie Kunstpreisen in Stuttgart, Nagold, Weingarten oder Ravensburg — längere Zeit an der türkischen Ägäisküste gewesen und hatte dort zahlreiche Eindrücke unter Wasser sammeln können.
Sie zeigt Werke, die in diesem Zusammenhang entstanden sind, aber auch frühere Arbeiten ähnlicher ästhetischer Provenienz. So zeichnet sich diese Ausstellung durch eine besondere Geschlossenheit in Farbe, Form und Technik aus.
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Der Blick unter Wasser ist ein anderer als in der Luft: Auch mit entsprechenden Brillen ist er diffus, farblich eingeschränkt und optisch verzerrt. Dass Fische im Wasser größer erscheinen, ist kein Anglerlatein, sondern eine Folge der anderen optischen Brechung des Lichts.
Um solche Effekte zu erreichen, arbeitet Barbara Ehrmann mit wachsgetränkten Materialien: meist Japanpapier, bisweilen aber auch Leinwand oder Holz. In mehreren Schichten bettet sie Farben, Zeichnungen oder Briefe sowie Fragmente von Druckerzeugnissen ins Paraffin ("nicht selten mit dem Bügeleisen", verrät Galerist Hans Vincke) und erreicht so dreidimensionale Wirkungen von großer Plastizität.
Das Sehen des Betrachters wird dadurch zu einer Herausforderung, denn mit oder ohne Lesebrille verschwimmt ein Teil des Bildes immer im Undeutlichen, während Anderes überraschend hervortritt. Das Schauen wird zum Abenteuer, und nicht zuletzt befürchtet man bei aller Friedfertigkeit des nassen Elements, dass da ein Weißer Hai plötzlich um die Ecke kommen könnte.
Die Acryl-Farben sind dünn aufgetragen: Blau herrscht vor, changiert aber wie das Meer mal ins Grünblau, mal ins Blaugrün. Als Kontrast tritt ein zartes Orange auf, und mit schwarzer Tusche oder weißem Lackstift bilden sich Zeichnungen, oft perlenden Luftbläschen ähnlich. Auch Menschengestalten schweben durch die Bilder, losgelöst von Schwerkraft und persönlicher Zeichnung.
Es ist klar: Hier bewegt sich etwas Fremdes im Reich der Tiefe, wo es nur zu Besuch ist. Und etwas anderes wird ebenso deutlich: Die Glückserfahrung des Abgetauchten. "Schweben_Neuland" heißt denn auch diese Schau über das Meer, wo andere Gesetze gelten und andere Wahrnehmungen möglich sind.
Info: Kunstraum Vincke-Liepmann, Häusserstr. 25 in Heidelberg. Bis 22. Dezember. Donnerstag und Freitag 15 bis 18 Uhr, Samstag und Sonntag 12 bis 16 Uhr. Telefon 0172/6158497.