Übersetzerpreises Ginkgo-Biloba

Verblüfft sein, staunen und dann bewundern

Verleihung des Übersetzerpreises Ginkgo-Biloba an Andrea Schellinger - Übertragung der Logbücher des Griechen Giorgos Seferis

14.09.2018 UPDATE: 15.09.2018 06:00 Uhr 1 Minute, 53 Sekunden

Andrea Schellinger

Foto: Hentschel

Von Franz Schneider

Heidelberg. Ungefähr 750 Preise werden in Deutschland jährlich an Autoren verliehen. Aber wo bleiben die Übersetzer? Wo vor allem die für Lyrik? Da Übersetzung allgemein zur interkulturellen Verständigung beiträgt und Heidelberg als City of Literature schon lange auch als Hochburg des literarischen Übersetzens gilt, ist es Zeit für die erstmalige Verleihung des Übersetzerpreises Ginkgo-Biloba für Lyrik. Beim Namen sei natürlich an den interkulturellen Goethe gedacht.

Andrea Schellinger darf sich freuen. Als Preisträgerin wird sie belohnt für ihre Übertragung der Logbücher des Griechen Giorgos Seferis. Dieser lebte von 1900 bis 1971, wurde noch im Osmanischen Reich geboren und führte ein unstetes Leben als Diplomat. Seine drei "Logbücher", erschienen von 1940 bis 1955, sind Kern seines lyrischen Schaffens, freie Formen voll kraftvoll spröder Schönheit, in denen sich eine poetische Existenz an der Welt reibt.

Zusammenhängend und als Ganzes, dazu noch kommentiert, wurden sie ins Deutsche noch nie übertragen. Dank sei darum dem Elfenbein Verlag und Andrea Schellinger. Verblüfft sein, staunen und dann bewundern würde sie ihren Annäherungsprozess an den Nobelpreisträger von 1963 beschreiben. Die Idee dazu kam ihr 2009, aber die Vorgeschichte begann für die Wahl-Athenerin auf ihrem Karlsruher Gymnasium mit sechs Jahren Altgriechisch. Ihr damaliger Lehrer war Günter Dietz, später Schulleiter am Heidelberger KFG und selbst renommierter Übersetzer aus dem Neugriechischen.

Was einst so begann, endet jetzt festlich: mit Blumen geschmückt die Heidelberger Stadtbücherei, der Saal gefüllt mit Rang und Namen, betörende Musik von Serap Giritli und Muhittin Kemal. Dazwischen Begrüßungen von Peter Staengle vom Freundeskreis Literaturhaus Heidelberg und Christine Sass, der Direktorin der Stadtbücherei. Man erwähnte Sponsoren und Oberbürgermeister Würzner als Schirmherrn. Die Laudatio hielt Holger Pils von der Münchner "Stiftung Lyrik Kabinett", der die dichterische Inspiration von Giorgos Seferis aus den Schrecken des Krieges ableitete: "Was ist das für eine Kultur, in der so etwas geschehen darf?"

Zu Fragen der Übersetzbarkeit seiner Poeme meinte Seferis dagegen einst frech, die beste Übertragung sei für ihn die ins Chinesische, denn diese könne er am wenigsten verstehen und kontrollieren.

Holger Pils selbst betonte zudem das Wesen des Gedichts als Textbild und Klangkörper. Als permanenter Versuch, die eigene Sprache dabei in den Griff zu bekommen, habe eine Übersetzung gerade dem gerecht zu werden. Zuletzt vergaß er nicht, auch Andrea Schellingers Kunst des Kommentars zu würdigen, die gestützt sei auf reiches Originalmaterial aus Briefen und Aufzeichnungen.

Das Gespräch danach zwischen Andrea Schellinger und Andreas F. Kelletat kreiste zunächst um das Verhältnis der neugriechischen Literatur zur großen Tradition der Antike, den Gelehrten Seferis vor dem Hintergrund eines scheinbar übermächtigen Homer und seiner berühmten Kollegen. Denn prinzipiell wäre bislang alles aus dem Altgriechischen ins Neugriechische übersetzt worden.

Von dieser "kleinen" Literatur, entstanden im Schatten der großen, gab es zum Finale noch eine Probe. Denn man durfte in der Stadtbücherei als eigentlichen Höhepunkt einer sehr würdevollen Veranstaltung noch dialogisch eine neugriechisch-deutsche Lesung eines Seferis-Poems genussvoll vernehmen. Damit aus Zweien eins werde.

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