Hintergrund Hitlerglocke Herxheim
Herxheim machte weltweit Schlagzeilen
Seit 1934 hing die 240 Kilogramm schwere Bronzeglocke mit Hakenkreuz und der Inschrift "Alles fuer’s Vaterland – Adolf Hitler" ziemlich unbeachtet oder zumindest geduldet im Turm und gehörte zum Geläut der Jakobskirche. Bis eine pensionierte Lehrerin, die hin und wieder die Orgel der Jakobskirche spielte, Anfang 2017 die Sache ins Rollen brachte. In einer Zeitung hatte sie scharf kritisiert, dass es die Glocke im Turm noch immer gibt. Nachdem dann am 31. August 2017 das ARD-Magazin "Kontraste" über die Sache und die Stimmung im Dorf berichtet hatte, wurde Herxheim endgültig zum Thema – bundesweit und auch international. Diese Aufmerksamkeit überforderte das Weinörtchen. Auch den damaligen Bürgermeister Ronald Becker (Freie Wähler).
Dieser verstieg sich in der "Kontraste"-Sendung zu relativierenden Äußerungen über die NS-Zeit. Das kostete ihn den Posten und die Mitgliedschaft in der Wählervereinigung. Der Gemeinderat und das evangelische Presbyterium beschlossen, die Glocke zum Schweigen zu bringen. Den Streit um ihre Zukunft löste das nicht. Das ging so weit, dass nicht mal mehr klar war, wem das Instrument eigentlich gehört – hatte es im Laufe der Jahrzehnte doch verschiedene Funktionen. Etwa als Polizeiglocke.
Der Ortsgemeinderat entschied im Frühjahr 2018 jedenfalls, den Klangkörper im Turm hängen zu lassen und auch wieder zum Läuten zu bringen. Im Gedenken an die NS-Opfer, wie damals der neue Ortsbürgermeister und ehemalige evangelische Gemeindepfarrer Georg Welker (parteilos) sagte. Was wiederum den Zentralrat der Juden in Deutschland erzürnte. Eine Glocke mit dieser Inschrift könne niemals der Opfer gedenken. Die Landeskirche hatte zuvor angeboten, eine neue Glocke zu bezahlen – ohne Erfolg.
Selbst die Glockensachverständige der Evangelische Landeskirche, Birgit Müller, gab nach entsprechendem Auftrag ihre Expertise ab: Die Glocke sei ein Denkmal, müsse in ein Museum oder eben im Turm bleiben. Entsorgung sei keine Lösung, sondern Flucht vor einer angemessenen Erinnerungskultur. Am Ende schloss sich das Presbyterium, also der Kirchengemeinderat, dem Beschluss des Gemeinderats an: Die Glocke bleibt als "Mahnmal gegen Gewalt und Unrecht" hängen. Sie wird aber nicht mehr geläutet. Daran änderte auch die Klage des Aktivisten Gilbert Kallenborn gegen den Beschluss nichts. Der Deutsche jüdischen Glaubens sah "eine unzumutbare Verspottung und Verhöhnung der Opfer des Hitlerterrors und des Holocaust" sowie deren Nachfahren. Das Oberverwaltungsgericht in Koblenz entschied aber, dass der Gemeinderatsbeschluss rechtlich nicht zu beanstanden sei und bestätigte damit ein Urteil des Verwaltungsgerichts in Neustadt an der Weinstraße.
So hängt die Glocke nun weiterhin in der Herxheimer Jakobskirche und sorgt für Streit. Seit März 2019 weist eine Infotafel auf dem Vorplatz auf die schwere Altlast im Turm hin.