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Das sagt die Fraktion "Die Linke" zum Haushalt

Die Rede von Sahra Mirow im Wortlaut.

21.07.2023 UPDATE: 21.07.2023 13:49 Uhr 6 Minuten, 20 Sekunden
Sahra Mirow. Foto: RNZ

Heidelberg. (RNZ) Für die Linken-Fraktion hielt Sahra Mirow die Haushaltsrede:

"Liebe Bürgerinnen und Bürger, liebe Verwaltung, liebe Kolleginnen und Kollegen,

Die Aufstellung dieses Haushaltes war unter verschiedenen Aspekten ein bemerkenswerter Prozess. Angefangen damit, dass wir den Haushaltsentwurf bemerkenswert spät bekommen haben, um dann darin bemerkenswert wenig Spielraum zur eigentlichen politischen Gestaltung vorzufinden. Bemerkenswert war auch die Kürze der Zeit, die wir als Stadträtinnen und Stadträte hatten, um unsere Änderungen zu erarbeiten und gemeinsam abzustimmen.

Daher ist es ebenfalls, dieses Mal positiv bemerkenswert, dass wir dennoch zu einem guten Paket gekommen sind. CDU und FDP haben sich auf den letzten Metern noch angeschlossen, so dass wir dann ein doch breit getragenes Paket heute abstimmen können.

Der Haushalt gliedert sich ja dieses Mal in zwei Teile. Einem Konsenspaket und einem Paket, bei dem nicht alle mitgegangen sind. In dem Konsenspaket sind viele gute Projekte drin, daher heißt es ja auch Konsenspaket.

Uns war wichtig, die Stärkung des Frauennotrufs. Die Corona-Pandemie hatte viele negative Auswirkungen auf uns als Gesellschaft. Eine davon ist eine erschreckende Zunahme von häuslicher Gewalt und Gewalt an Frauen. Dies ist Ausdruck einer Retraditionalisierung der Geschlechterverhältnisse. Die konsequente Umsetzung der Istanbul-Konvention und die Stärkung von Frauenhilfs- und Beratungsstrukturen wie dem Frauennotruf muss unsere Antwort darauf sein. 

Wichtig war uns auch die zusätzliche Unterstützung des Migrationsbeirats, die zusätzliche halbe Stelle zur Umsetzung der Istanbul Konvention, ein Sonderbudget zur Ausrichtung für inklusive Veranstaltung, die Anschlussfinanzierung des Café-Talk, und die Mittelaufstockung für das Hip-Hop-Forum, um nur einige zu nennen. 

Außerdem werden wir nun ein Pilotprojekt starten: Es werden 25 Plätze für städtische Stipendien für Azubis in Erziehungsberufen eingerichtet. Das ist eine gute Sache, denn gerade auch hier herrscht enormer Fachkräftemangel und da ist es sicher hilfreich, angehende Erzieherinnen und Erzieher frühzeitig zu unterstützen.

Das zweite Paket enthält vieles, was für uns essenziell war. Unser zentraler Antrag war die deutliche Aufstockung des Grundstücksfonds. Durch eine strategische und aktive Bodenpolitik sind wir als Stadt besser in der Lage, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. 

Wohnen wird immer mehr zur zentralen sozialen Frage unserer Zeit. Die Hälfte der teuersten Städte bundesweit liegt hier in Baden-Württemberg, und wer den Heidelberger Wohnungsmarkt kennt, spürt das sehr deutlich. Der Zugang zu ausreichend Wohnraum wird in den urbanen Zentren zum Ausschlusskriterium für kleine und zunehmend auch für mittlere Einkommen. Dass inzwischen rund die Hälfte der Bevölkerung Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein hat, spricht Bände. 

Wir wollten hier daher ein deutliches Signal in diesem Haushalt und freuen uns, dass unser Antrag, den Grundstücksfonds für 2024 um zwei Millionen zu erhöhen, in dem Paket enthalten ist. Wichtig war uns auch unser Antrag auf Erstellung eines Konzeptes für "Housing First" Projekte. Housing First ist ein unbürokratischer und daher schneller Hilfsansatz bei Wohnungslosigkeit. Solche Projekte, auch für Heidelberg, lagen uns sehr am Herzen, auch um perspektivisch wegkommen zu können vom herkömmlichen System der Notunterkünfte.

Bei den vielen Bautätigkeiten in Heidelberg dürfen wir neben der sozialen Dimension aber auch nicht die ökologische vergessen. Gerade beim Abriss bestehender Gebäude wird schließlich viel CO2 frei. Wir freuen uns daher, dass es der Fachtag zur grauen Energie in das Konsenspaket geschafft hat. Ebenfalls drin ist unsere beantragte zusätzliche Stelle als Ansprechebene für gemeinschaftliche Wohnprojekte, die es dringend braucht. 

Wohnungspolitisch gibt es also Fortschritte, wobei der große Durchbruch erst noch erkämpft werden muss. Entscheidend wird auch sein, dass diese Beschlüsse auch umgesetzt werden, wie zum Beispiel der Leitantrag Wohnungspolitik. Der sieht unter anderem vor, dass eine konzeptionelle Anwendung des Vorkaufsrechts der Stadt, ein aktiver Aufkauf von Grundstücken und eine Vergabe in Form von Erbbaurechten erfolgt. 

Wir werden nun eine breit angelegte Imagekampagne zur Bekanntmachung des Heidelberg Passes und des Passes+ starten. Längst nicht alle Menschen, die Anspruch auf die damit einhergehenden Vergünstigungen haben, nutzen diese. Mit einer stadtweiten Kampagne wollen wir sicherstellen, dass die Nutzer:innenzahlen künftig steigen.

Wenn die Ungleichheit steigt, müssen die Kommunen diesen Verwerfungen vor Ort entgegenwirken. Der Heidelberg Pass ist ein solches Instrument und diesen zu stärken und wenn nötig auch zu enttabuisieren, das soll Inhalt dieser Kampagne sein.

Ein großes Anliegen war uns auch die möglichst günstige Fortführung des 3-Euro-Tickets. Insbesondere, nachdem im zuständigen Fachausschuss Diskussionen liefen, dieses auf 19 Euro zu erhöhen. Wir wären gerne bei drei Euro geblieben, das war leider nicht mehrheitsfähig, konnten uns aber mit anderen dafür einsetzen, dass das Ticket nur auf neun Euro erhöht wird. Das finden wir aber mit Blick auf Heidelberg-Pass (*) Inhaber:innen und Schüler:innen immer noch zu hoch und werden daher hier dranbleiben.

Gegen Rassismus gilt es, als Gesellschaft entgegenzutreten. Unser Antrag, eine Befragung zu Rassismuserfahrung in Heidelberg durchzuführen, ist ebenfalls im Paket, das ist gut. Solche Befragungen sind wertvolle Basen, um Zustände und Verbesserungsbedarfe zu eruieren und Maßnahmen auf ein solides Fundament zu stellen. 

Auch eine Umfrage an Schulen zum Schulklima ist enthalten. Hier soll es um die Wahrnehmung von Schüler:innen und Lehrkräften gehen und wie wir das allgemeine Schulklima verbessern können. Das schafft eine gute Lernatmosphäre und trägt zur Bildungsgerechtigkeit bei.

Neben den vielen Kulturinitiativen und Trägern, die wir unterstützen, war uns die finanzielle Absicherung der muslimischen Akademie, des Literaturherbstes und des Queer-Festivals wichtig. Heidelberg ist "City of Literature" und soll es auch bleiben. Das Literaturnetzwerk und der Literaturherbst tragen maßgeblich dazu bei. Zudem muss queeres Leben in Heidelberg sichtbarer werden, hierfür das international anerkannte Queer-Festival ein wichtiger Pfeiler.

Sehr unterstützt haben wir die Kürzungsanträge zum DAI und zur Kulturhauptstadt, das möchte ich erläutern. 

Das DAI ist eine wichtige Kultureinrichtung der Stadt, die wir stets unterstützt haben. Leider wurde das Gutachten zu den Missständen im Haus nicht öffentlich gemacht, sondern wurde unter Verschluss gehalten. Die vielfache Kritik der Beschäftigten führte zu keinerlei tatsächlichen personellen Konsequenzen. Unter diesen Umständen ist es richtig, die Kosten für das Gutachten nicht als Stadt zu übernehmen und durch diese Kürzung ein Zeichen zu setzen. Schade, dass dieser Schritt notwendig war!

Was die Kulturhauptstadt betrifft, so finden wir als Fraktion DIE LINKE, da kann man grundsätzlich drüber sprechen. Das ist ja an sich eine spannende Idee. Nur leider ist genau das ja nicht passiert, es wurde nicht darüber gesprochen. Vielmehr hat der Oberbürgermeister das im Alleingang als Projekt vorangebracht und obendrauf noch mit einer höchst problematischen Personalie versehen, nämlich Herrn Spuhler. Ich möchte daran erinnern, dass 300 Beschäftigte gegen ihn in seiner damaligen Rolle als Intendant des Karlsruher Theaters auf die Straße gegangen sind. Ein recht beispielloser Vorgang, der im Übrigen auch zu seinem Weggang geführt hat. 

Ungeschickter kann ein Start für ein an sich so spannendes Projekt wie eine Kulturhauptstadt gar nicht laufen. Die Kürzung der Mittel für Aufwendungen im Zusammenhang mit diesem Projekt, die irgendwo sicher budgetiert sind, ist daher für uns eine klare Kritik an diesem Vorgang und der Personalie Spuhler. Als LINKE sagen wir deutlich, über die Hauptstadt können wir gerne im zuständigen Fachausschuss sprechen, wir werden uns dort konstruktiv einbringen, aber nur mit einer personellen Neuaufstellung!

Tatsächlich müssten wir am Ende nur wenige Anträge zurückziehen, das ist doch ein gutes Zeichen. Von den zurückgezogenen Anträgen werden wir auch nächstes Jahr – wie in jedem Haushalt – erneut einbringen, dass die Gewerbesteuer moderat erhöht wird. Heidelberg hat hier im interkommunalen Vergleich nach wie vor Spielraum nach oben, den wir angesichts der auch in Heidelberg zunehmend angespannten Haushaltslage irgendwann werden ziehen müssen. Unseren Antrag, die Schulsozialarbeit an allen Schulen weiter zu erhöhen, werden wir ebenfalls wieder einbringen. Schulsozialarbeit genießt als Förderinstrument zu Recht zunehmend an Bedeutung, eine Vollzeitstelle an allen Schulen ist daher durchaus angebracht. In diesem Haushalt wird zumindest aber schon einmal an den beruflichen Schulen die Schulsozialarbeit ausgebaut, und das ist ja auch schon was.

Unsere beiden Anträge zu den Reinigungskräften werden wir über als Antrag in die Fachgremien einbringen. Das war der Wunsch aus der Haushaltsberatung, dem kommen wir gerne nach. In dem Zusammenhang sollten wir auch das Thema Ausschreibekriterien- und Verfahren wieder aufgreifen, hierzu gab es ja bereits eine Arbeitsgruppe. Es kann nicht sein, dass Reinigungskräfte im Prinzip dauerbefristet sind, wenn sie alle 18 Monate für einige Monate gekündigt werden. Das unterläuft systematisch faire Arbeitsbedingungen und darüber sollten wir als Gemeinderat dann an geeigneter Stelle diskutieren.

Insgesamt können wir als DIE LINKE sehr zufrieden sein mit diesem zweiten Paket. Aber das nicht nur, weil die meisten unserer Anträge enthalten sind, auch von den anderen Fraktionen kamen gute Ideen rein, die wir gerne unterstützt haben. Beispielsweise die Beschleunigung der Schulsanierungen oder der Ausbau von Hitzeschutzräumen in der Stadt. 

Am Ende müssen wir aber auch feststellen, dass wir nur einen sehr begrenzten Teil des Gesamthaushaltes mit diesen beiden Paketen bewegen. Der politische Gestaltungsspielraum, ich sagte es eingangs, war bemerkenswert begrenzt. Die Choreografie dieses Haushalts war sicher kein Glanzstück, da erwarten wir beim nächsten Mal eine zeitigere Einreichung seitens des Oberbürgermeisters. Ich möchte feststellen, dass das Haushaltsjahr bereits halb rum ist und wir erst heute den Haushalt verabschieden. Das liegt nicht am Gemeinderat, möchte ich hier nachdrücklich feststellen. Vielmehr durften wir das ausbaden, indem wir in Rekordeile unsere Änderungen aufgestellt haben. So machen wir das nicht noch einmal!

Abschließend bleibt mir zu sagen: Wir haben’s geschafft, leicht war es nicht, aber hätte schlimmer kommen können."



Das sagt die Grünen-Fraktion zum Haushalt: https://www.rnz.de/ar.1156007

Das sagt die CDU-Fraktion zum Haushalt: https://www.rnz.de/ar.1156019

Das sagt die SPD-Fraktion zum Haushalt: https://www.rnz.de/ar.1156010

Das sagt die Fraktion "Die Heidelberger" zum Haushalt: https://www.rnz.de/ar.1156025

Das sagt die FDP-Fraktion zum Haushalt: https://www.rnz.de/ar.1156061

Das sagt die Fraktion GAL/Freie Wähler zum Haushalt: https://www.rnz.de/ar.1156076

Das sagt die Fraktion "Bunte Linke" zum Haushalt: https://www.rnz.de/ar.1156079

Das sagt Waseem Butt (Heidelberg in Bewegung) zum Haushalt: https://www.rnz.de/ar.1156067