Seit Jahren unter einer Glasglocke
Holger Stanislawski hat erkannt, wo die Probleme bei 1899 Hoffenheim sind
Holger Stanislawski hat erkannt, wo die Probleme bei 1899 Hoffenheim sind
Wäre statt Holger Stanislawski gestern Mittag Giovanni Trapattoni auf dem Podium gesessen, er hät-te wahrscheinlich gesagt: "Was erlauben Obasi?" Dass der nigerianische Angreifer von 1899 Hoffenheim die letzte Runde fast komplett ausfiel, dass er von fast jedem Ausflug zur Nationalmannschaft mit einer Verletzung zurückkehrte, dass er nun auch in den restlichen drei Spielen des Jahres morgen in Nürnberg, am Samstag in einer Woche gegen Berlin und am darauf folgenden Dienstag im Pokal gegen Augsburg wegen eines gerissenen Bandes im Knöchel nicht zur Verfügung stehen wird, dafür kann er nichts.
Doch dass ein Spitzenverdiener wie Obasi, der mit rund drei Millionen Euro in einem Jahr mehr einstreicht als mancher Zeitgenosse in seinem ganzem Leben, zuletzt mehrmals durch Unpünktlichkeit aufgefallen ist, das lässt sich beim besten Willen nicht nachvollziehen. Auf großer Unverständnis stößt auch eine Meldung in nigerianischen Medien, wonach sich der Stürmer Gedanken über einen Vereinswechsel macht. Obasi behauptet, er sei falsch zitiert worden, doch in der Bildzeitung hatte er sich vor kurzem ähnlich geäußert.
"Wir brauchen Spieler, die sich mit dem Verein identifizieren. Denn sonst macht es keinen Spaß und ohne Spaß geht es nicht so gut", erklärt dazu Manager Ernst Tanner. Das Beste wäre, Obasi schon in der Winterpause abzugeben, doch ein zahlungskräftiger Abnehmer ist weit und breit nicht in Sicht. 5,5 Millionen Euro Ablöse musste Hoffenheim 2007 für den Afrikaner zahlen. Sein letztes Bundesligator hat der Angreifer, dessen gut dotierter Vertrag bis 2014 datiert ist, vor mehr als eineinhalb Jahren erzielt.
Veränderungen in der Winterpause sind wahrscheinlich. Sie könnten Profis wie Andreas Ibertsberger, Sejad Salihovic oder Tobias Weis betreffen, deren Ver- träge am Saisonende ohnehin auslaufen. Auch Vedad Ibisevic, dessen Sommerflirt mit den Blackburn Rovers an einer Verletzung scheiterte, ist ein möglicher Kandidat. "Wir werden eine Halbjahres- Analyse machen", sagte gestern Stanislawski, "und wenn wir glauben, etwas tun zu müssen, werden wir es tun."
Neuzugänge schloss der Trainer er- neut aus. Denn die sind im Winter ein gu- tes Stück teuerer als im Sommer, zumal sie erheblich besser sein müssten als die Spieler, die im Kader sind. Stanislawski hat die Probleme erkannt. "Die Spieler wurden hier jahrelang unter eine Glasglocke gehalten", sagte der Trainer dem kicker. Im RNZ-Interview meinte er: "Einige treten seit Jahren auf der Stelle."
Nur schwarz sehen mag Stanislawski aber nicht. "Im Kern haben die Jungs ei- nen guten Charakter", wiederholte er auch gestern. Zu den Leidensgenossen nach Nürnberg – der Club hat in den letzten Spielen noch weniger Punkte geholt als Hoffenheim und tut sich mit dem Tore- schießen noch ein bisschen schwerer – fahren die Kraichgauer mit vielen guten Vorsätzen. "Wir wollen es besser machen als in den letzten fünf Auswärtsspielen, wollen in Nürnberg aggressiv, kämpferisch und offensiv auftreten", hofft Stanislawski auf ein Ende der Negativserie.
Daran sei im übrigen der Trainer schuldlos, stellte Tanner fest und fügte aus gegebenem Anlass an: "Mein Verhältnis zu Stanislawski ist perfekt." In verschiedenen Medien war über "atmosphärische Störungen" spekuliert worden. "Davon weiß ich nichts", dementierte auch der Fußballlehrer, "mal abgesehen davon, dass der Ernst Auto fährt wie Walter Röhrl zu seinen besten Zeiten, während ich über die Autobahn schwebe." Gut, dass in Hoffenheim nicht Trapattoni auf dem Podium sitzt, sondern Stani mit seinem Sinn für Späße.