Markus Babbel hat das Hauptübel in Hoffenheim erkannt

Bei der TSG Hoffenheim wird sich wohl einiges ändern

07.05.2012 UPDATE: 07.05.2012 05:37 Uhr 2 Minuten, 26 Sekunden
Babbel: "Dann gibt's auch mal eine vor's Hirn!"

Bei der TSG Hoffenheim wird sich wohl einiges ändern

In der unglaublichen Aufregung verlor Otto Rehhagel (73) einen Moment lang die Orientierung. Für den verletzten Pierre-Michel Lasogga winkte der alte Fahrensmann nach einem Ersatzspieler hinterm Tor. Nur, die Berliner Reservisten befanden sich auf der gegenüberliegenden Seite.

Lasogga erlitt einen Kreuzbandriss. Damit zahlte der Stürmer einen hohen Preis für den 3:1 Sieg über Hoffenheim, mit dem sich Hertha BSC in die Relegation rettete.

Solche Opfer mussten die Hoffenheimer am Samstag nicht bringen. Die Frage an Markus Babbel, ob er, der Trainer, beim dramatischen Abstiegsfinale mehr motiviert gewesen sei als seine Mannschaft, war sehr berechtigt.

"Ich will mit aller Macht gewinnen, weil ganz Deutschland auf uns schaut", hatte der Fußballlehrer vor seiner Rückkehr zum Ex-Klub angekündigt. Doch im Nachhinein behielt Jürgen Röber Recht. Der ehemalige Hertha-Trainer hatte prophezeit, dass "Hoffenheim keine Mannschaft ist, die sich bis zum Schluss voll reinhaut."

Der unberechtigte frühe Platzverweis von Ryan Babel (41.) schien als Alibi geradezu willkommen. Er beendete eine kurze Drangperiode, in der die TSG – nach dem 1:0 durch Änis Ben Hatira (14.) – dem Ausgleich nahe war. "Aber danach war es mit nur noch Zehn sehr schwer", entschuldigte Marvin Compper. Er sprach wie von einem Naturgesetz.

Es hat schon Mannschaften gegeben, die Spiele in Unterzahl gewonnen haben. Doch Widerstände zu überwinden, über die Schmerzgrenze zu gehen, ist keine Hoffenheimer Spezialität.

Wenigstens durften sich die Ehefrauen und Freundinnen über den Ausgang des Spiels freuen. Denn ihre Helden sind gesund und unversehrt nach Hause zurückgekehrt. So kurz vor dem Urlaub. Klinik statt Karibik – was wäre das für eine Katastrophe gewesen.

Markus Babbel hat das Problem erkannt: "Es ist wie bei Pferden, die nur so hoch springen, wie sie müssen. Es gibt zu viel Bequemlichkeit. Man ist zu genügsam. Die Spieler müssen raus aus der Komfortzone." Der erfolgsverwöhnte Ex- Bayer hasst Mittelmaß. Wie festgeklebt beendeten die Kraichgauer erneut die Saison im Niemandsland. Babbel will verhindern, dass Wikipedia mal schreibt: Die Bundesliga ist eine deutsche Spielklasse, in der Dortmund und Bayern um die Meisterschaft kämpfen und 1899 Hoffenheim immer den elften Platz belegt. 

Typisch für limitierten Ehrgeiz war das Spiel im Olympiastadion: Man sah ein paar gefällige Kombinationen, aber dort, wo es wehtut, gehen die Badener nun mal ungern hin. "Es fehlt die Gier, Tore zu machen", bedauert der Trainer. Der Angriff verdient seinen Namen nicht – schon lange nicht mehr.

Talent und Qualität, sagt Babbel, reichten nicht aus. Deshalb fordert er eine andere Mentalität. Sieger-Mentalität. Neuzugänge wie Matthieu Delpierre, Eren Derdiyok, Stephan Schröck, Kevin Volland und Tim Wiese sollen dem blutleer wirkenden Ensemble Leben einhauchen. Ob Lasogga dazu kommt, ist nach dessen Kreuzbandriss unwahrscheinlich. Babbel will den Konkurrenzdruck erhöhen und die Fitness verbessern, um den Kraichgau international hoffähig zu machen.

Für einige Profis wird kein Platz mehr sein. Babel, Edson Braafheid und Dominik Kaiser gaben in Berlin vermutlich ihre Abschiedsvorstellung. Torwart Tom Starke hilft es nicht, dass er nach dem Anschlusstreffer von Marvin Compper (85.) – vorausgegangen war das 2:0 durch Ben Hatiri (78.) – am Ende mitstürmte und beinahe den Ausgleich geköpft hätte. Raffael kickte stattdessen beim Konter den Ball ins verlassene Tor (92.).

Starke wird wohl gehen. Tim Wiese, der Nationaltorwart, wurde nicht für die Ersatzbank geholt.

Und Babbel? Der hat jetzt keinen Koffer mehr in Berlin. Denkt nicht mehr an Hertha, sondern nur noch an "Hoffe". Das Vereinswappen der TSG will er sich im Urlaub, wenn er dazu kommt, bei seinem Regensburger Tätowierer stechen lassen.

In Berlin geht derweil die Aufregung weiter. Am Samstag hatten die Untergangsszenarien rund um den Hauptstadt-Klub in einer Drohung von nahezu apokalyptischem Ausmaß gegipfelt. Eine Berliner Zeitung titelte: "Drei Punkte – oder die Reise geht nach Sandhausen."

Das kann zwar immer noch passieren. Ganz sicher wird sich aber der 1. FC Köln, der vergeblich auf Hoffenheimer Schützenhilfe hoffte, auf den Weg machen müssen. Und feststellen, dass es schlimmere Plätze auf der Welt gibt als den Hardtwald. 

 

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