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Gewerbetreibende verlangen Bebauung der "Hinteren Mult"

Es gehe um Wohlstand und Jobs, denn "geht das Gewerbe, geht der Handel".

17.10.2022 UPDATE: 17.10.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 25 Sekunden
Die „Hintere Mult“ wird derzeit landwirtschaftlich genutzt. Foto: Kreutzer

Weinheim. (web) Verwaltung und Stadträte wollen im November darüber beraten, wie es nach dem Scheitern des bisherigen Bebauungsplans für die "Hintere Mult" vor dem Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg weitergeht. Stadtgesellschaftlich sind die Fronten verhärtet. Die lokale Wirtschaft plädiert mit großer Vehemenz für eine gewerbliche Bebauung des bisher landwirtschaftlich genutzten Gebiets und beklagt eine "zunehmend wirtschaftsfeindliche Stimmung", die bewusst geschürt werde. Der Vorstand der Bürgerinitiative (BI) Breitwiesen, der Gewerbe in der "Hinteren Mult" kritisch sieht, spricht dagegen schon von Bürgerbegehren und Bürgerentscheid.

In einer Pressemitteilung weisen die Vereinigung Weinheimer Unternehmer (VWU) und der Gewerbeverein Weinheim darauf hin, dass der VGH den Bebauungsplan wegen formaler Mängel für unwirksam erklärt und damit das Vorhaben "zunächst einmal" gekippt habe. Die Stadt habe Einwendungen von Privatpersonen aus der frühzeitigen Beteiligung der Öffentlichkeit unter der Angabe von Namen und Adressen ausgelegt, ohne dass hierfür eine Notwendigkeit bestand. Weil man dies auch in weiteren Verfahrensschritten so handhaben wollte, habe die fehlende Anonymisierung Menschen davon abhalten können, Stellung zu nehmen. Außerdem hatte die Stadt den Planentwurf nach der Offenlage noch einmal mit Blick auf die Ökokonto-Maßnahmen in einem wesentlichen Punkt geändert, sodass laut VGH eine erneute Offenlage erforderlich gewesen wäre, die aber nicht erfolgte.

Diese "handwerklichen Fehler" der Stadt bedauere man, so Bertram Trauth (VWU) und Manfred Müller-Jehle (Gewerbeverein). Weinheim sei aber auf die Ausweisung weiterer Gewerbegebiete angewiesen. Mit der befürchteten zurückgehenden Wirtschaftskraft durch das Fehlen zusätzlicher Gewerbetreibender würden die Gewerbesteuereinnahmen der Stadt sinken. Wenn auch nur einer der bisher in Weinheim ansässigen Betriebe wegziehe, weil er mittelfristig keine Chancen auf Erweiterung sieht, zögen andere nach. Man habe nichts gegen Landwirte und deren Arbeit, die Nahrung für unzählige Menschen sichert, so Müller-Jehle: "Bauer zu sein, ist ein harter Beruf." Man müsse aber auch sehen, dass der Wohlstand Weinheims auf Dauer nur durch die Wirtschaftskraft seiner rund 2200 Unternehmen gesichert bleibe: "Die Gewerbesteuer ist mit Abstand die größte Einnahmequelle der Großen Kreisstadt." Von jedem Betrieb, der abwandert, verliere Weinheim die Gewerbesteuerzahlungen. Diese fehlten im Haushalt. "Zuschüsse entfallen, das Leben in der Stadt wird teurer. Wer in Weinheim wohnt und bisher dort arbeitete, wird zum Pendler."

Gehe das Gewerbe, gehe auch der Einzelhandel, weil die Pendler am neuen Arbeitsort einkaufen. Pendler aus dem Odenwald durchquerten Weinheim nur noch. Vereine, Schulen, Betreuungsangebote: Weinheim müsse Soziales, Kultur und Freizeitqualität bieten und für jede Altersgruppe erschwinglich bleiben. An der Weinheimer Gesamtfläche von 5811 Hektar habe die Landwirtschaft mit 2434 Hektar den größten Anteil. Wald (1768 Hektar), Wohnen (530 Hektar) und Verkehr (465 Hektar) folgten, Industrie und Gewerbe kämen erst an fünfter Stelle, mit 243 Hektar Fläche. Die Bebauung der 11,36 Hektar großen "Hinteren Mult" verringere die landwirtschaftliche Fläche Weinheims um weniger als 0,5 Prozent, so Trauth. Es gehe nicht um die letzten grünen Flächen. "Landwirtschaft ist wichtig, aber nicht das Maß aller Dinge." Wer Wohlstand wolle, müsse anspruchsvolle und qualifizierte, aber auch einfache Arbeitsplätze anbieten. VWU und Gewerbeverein seien nicht daran interessiert, Lagerhallen zu erstellen. Es gehe darum, "das Niveau und den Status Weinheims nicht nur zu erhalten, sondern zu erhöhen".

Die BI Breitwiesen sieht das anders. Der VGH habe den Bebauungsplan für die "Hintere Mult" insgesamt für unwirksam erklärt, teilt die BI mit. Das Urteil sei rechtskräftig. Nur auf eben diesen Bebauungsplan beziehe sich aber der einleitende Aufstellungsbeschluss, der im April 2017 erging. Einen erneuten, nachgebesserten Bebauungsplan auf Grundlage des Aufstellungsbeschlusses von 2017 könne es nicht geben (auch wenn die Verwaltung die entscheidenden Fehler erst im weiteren Verlauf des Verfahrens machte). Doch warum ist das wichtig? Die BI dazu: "Das bedeutet, dass der Gemeinderat auf jeden Fall einen neuen einleitenden Beschluss fassen muss, um das Verfahren zur ,Hinteren Mult’ wieder in Gang zu setzen. Damit wäre die Möglichkeit eines Bürgerbegehrens eröffnet." Wäre dieses erfolgreich, könne es einen Bürgerentscheid geben.

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