Von Schriesheim bis Weinheim

Genug Kaufkraft wäre schon mal da

Aber sie wird nicht überall an Bergstraße und Neckar vor Ort abgeschöpft. Weinheim gelingt das am besten, Schriesheim eher nicht.

27.08.2022 UPDATE: 27.08.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 52 Sekunden
Die Heidelberger Straße in Schriesheim. Foto: Kreutzer

Von Micha Hörnle

Bergstraße-Neckar. Gerade in Schriesheim ist die Zukunft des Einzelhandels momentan ein heißes Eisen – auch wegen des Events "Schriesheim neu entdecken" am 14. und 15. Oktober. Und nicht erst seit der Pandemie fragen sich viele, wie es mit dem innerstädtischen Handel weitergeht – gerade angesichts der übermächtigen Internet-Konkurrenz. Insofern kommt die Kaufkraftanalyse der Industrie- und Handelskammer (IHK) Rhein-Neckar zur richtigen Zeit. Sie untersuchte alle Kommunen des Rhein-Neckar-Kreises (54) und des Neckar-Odenwald-Kreises (28) anhand ihrer Kaufkraft, des Einzelhandelsumsatzes und der Fähigkeit des jeweiligen Einzelhandels, die Kaufkraft auch vor Ort zu binden (siehe unten).

Entscheidend sind diese beiden Ziffern: die Kaufkraftbindungsquote und der Zentralitätswert (also das Verhältnis des Einzelhandelsumsatzes in einer Kommune zur vor Ort vorhandenen einzelhandelsrelevanten Kaufkraft): Werte von über 100 deuten auf einen besonders attraktiven Einzelhandelsstandort hin. Allerdings sind diese Daten mit Vorsicht zu genießen, wie IHK-Sprecher Matthias Schmitt betont: Denn ein Zentralitätswert von über 100 muss noch nichts über eine attraktive Innenstadt aussagen. Denn, so zeigt das Beispiel Schwetzingens und Walldorfs, die mit Werten von 192,8 und 188,9 an der Spitze liegen, dass es in diesem Fall die großen Möbelhäuser am Stadtrand sind, die die Kaufkraft von außen hierher fließen lassen.

Die Hauptstraße in Weinheim. Foto: Kreutzer

In einem kann man an Neckar und Bergstraße beruhigt sein: Kaufkraft an sich ist genug da, alle fünf Kommunen liegen deutlich über dem deutschen Durchschnitt (gemessen durch den Kaufkraftindex). Bemerkenswert ist der starke Anstieg der Kaufkraft in Ladenburg, gerade seit dem letzten Jahr – was wiederum an den Neubaugebieten mit seinen eher zahlungskräftigen Einwohnern liegt. Doch die beunruhigende Nachricht ist, dass die Kaufkraft meist stärker steigt als die Umsätze vor Ort. Der Ausreißer, so sagt Schmitt, ist Weinheim, denn "hier gelingt es, die Kaufkraft vor Ort zu binden", auch durch das Einzugsgebiet, das bis in den Odenwald reicht: Der Zentralitätswert liegt bei über 119, deutlich höher als Mannheim (115) oder Heidelberg (96) – ein klares Indiz für einen starken Einkaufsstandort. Aber auch hier: Es sind vor allem die großen Märkte am Stadtrand, die für diesen hohen Wert verantwortlich sind, in diesem Fall zugleich auch die attraktive Innenstadt. Schwerer haben es da die kleineren Kommunen, die zwischen den großen Einzelhandelsstandorten Mannheim und Heidelberg, aber auch dem Rhein-Neckar-Zentrum eingezwängt sind. Gerade bei ihnen gibt es seit Jahren, so die IHK, die Tendenz, dass sie weiter ausbluten: Die Geschäfte werden eher weniger, die Attraktivität des Einzelhandels nimmt ab, es setzt eine Abwärtsspirale ein.

Und so schneidet Schriesheim in der IHK-Kaufkraftanalyse eher mittelmäßig ab: Die Kaufkraft ist zwar enorm, mit fast 33.000 Euro pro Kopf ist sie die höchste im ganzen Kreis, dicht gefolgt von Hirschberg und Gaiberg. Doch, und auch das eint diese drei Kommunen mit reichen Bürgern: Das Geld wird kaum vor Ort ausgegeben: Immerhin noch knapp die Hälfte der Schriesheimer Kaufkraft landet in den Geschäften vor Ort, in Hirschberg noch nicht mal ein Drittel, in Gaiberg nur 14 Prozent. Das liegt vor allem an fehlenden Geschäften, zumindest den großen. Aber auch hier sagt das, zumindest im Falle Schriesheims, wenig über ein attraktives Zentrum aus: In der Innenstadt gibt es zwar verhältnismäßig viele, eher kleinere Geschäfte, aber die können die hohe Kaufkraft kaum binden.

Ladenburg hingegen hat zwar eine Altstadt mit touristischer Anziehungskraft, aber für den hohen Zentralitätswert sind eher die größeren Märkte am Stadtrand verantwortlich. Ähnlich, nur noch krasser, ist es in Edingen-Neckarhausen: Dort sorgt "Kaufland" in Neu-Edingen für hohe Werte. Insofern, und das mag die Schriesheimer beruhigen, erklärt Schmitt: "Ein attraktiver Einzelhandelsstandort ist nicht gleichzusetzen mit einer attraktiven Innenstadt." Das beste Beispiel ist Viernheim: Die Innenstadt ist zwar völlig verödet, allein das Rhein-Neckar-Zentrum sorgt hier für einen hohen Zentralitätswert von 189,1.


Hintergrund: Kaufkraft in Zahlen

> Schriesheim: Einwohner: 14.921 (2021) – allgemeine Kaufkraft: 492,3 Millionen Euro, 32.823,90 Euro pro Kopf, Kaufkraftindex: 129,6 (Bundesschnitt: 100) – einzelhandelsrelevante Kaufkraft: 128,2 Millionen Euro – 8549,70 Euro pro Kopf, Einzelhandelskaufkraftindex 117,4 – Einzelhandelsumsatz: 59,4 Millionen Euro, 3958,50 Euro pro Kopf – Umsatzkennziffer 66,3 (Bundesschnitt: 100) – Kaufkraftbindungsquote: 46 % – Zentralitätswert: 56,4.

> Hirschberg: Einwohner: 9888 (2021) – allgemeine Kaufkraft: 321,9 Millionen Euro, 32.367,60 Euro pro Kopf, Kaufkraftindex: 127,8 (Bundesschnitt: 100) – einzelhandelsrelevante Kaufkraft: 84,4 Millionen Euro – 8484,60 Euro pro Kopf, Einzelhandelskaufkraftindex 116,5 – Einzelhandelsumsatz: 23,7 Millionen Euro, 2382,60 Euro pro Kopf – Umsatzkennziffer 39,9 (Bundesschnitt: 100) – Kaufkraftbindungsquote: 28 % – Zentralitätswert: 34,2.

> Weinheim: Einwohner: 45.335 (2021) – allgemeine Kaufkraft: 1349,6 Millionen Euro, 29.552,10 Euro pro Kopf, Kaufkraftindex: 116,7 (Bundesschnitt: 100) – einzelhandelsrelevante Kaufkraft: 363,6 Millionen Euro – 7961,70 Euro pro Kopf, Einzelhandelskaufkraftindex 109,3 – Einzelhandelsumsatz: 355,7 Millionen Euro, 7788,30 Euro pro Kopf – Umsatzkennziffer 130,4 (Bundesschnitt: 100) – Kaufkraftbindungsquote: 98 % – Zentralitätswert: 119,3.

> Ladenburg: Einwohner: 11.880 (2021) – allgemeine Kaufkraft: 352,7 Millionen Euro, 29.484,40 Euro pro Kopf, Kaufkraftindex: 116,4 (Bundesschnitt: 100) – einzelhandelsrelevante Kaufkraft: 95,3 Millionen Euro – 7963,20 Euro pro Kopf, Einzelhandelskaufkraftindex 109,4 – Einzelhandelsumsatz: 71,1 Millionen Euro, 5947,70 Euro pro Kopf – Umsatzkennziffer 99,6 (Bundesschnitt: 100) – Kaufkraftbindungsquote: 75 % – Zentralitätswert: 91,1.

> Edingen-Neckarhausen: Einwohner: 14.131 (2021) – allgemeine Kaufkraft: 391,4 Millionen Euro, 27.503 Euro pro Kopf, Kaufkraftindex: 108,6 (Bundesschnitt: 100) – einzelhandelsrelevante Kaufkraft: 108,4 Millionen Euro – 7617,60 Euro pro Kopf, Einzelhandelskaufkraftindex 104,6 – Einzelhandelsumsatz: 89,0 Millionen Euro, 6253,50 Euro pro Kopf – Umsatzkennziffer 104,7 (Bundesschnitt: 100) – Kaufkraftbindungsquote: 82 % – Zentralitätswert: 100,1. hö

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