Man kann es nicht allen recht machen
Ilvesheim diskutiert über Radschnellweg Heidelberg-Mannheim

Von Carsten Blaue
Ilvesheim. Rund 23 Kilometer lang soll er werden, der Radschnellweg zwischen Heidelberg und Mannheim. Die Route ist seit vergangenem Juli klar. Zumindest, wenn es nach dem Regierungspräsidium Karlsruhe (RP) und den Planern geht. Sie brüten derzeit über den Details des Vorentwurfs. Noch vieles ist in der Schwebe. Zudem muss sich das RP immer wieder mit kritischen Stimmen auseinandersetzen. Auch in Ilvesheim. Bei einem digitalen Info-Termin des RP für die örtliche Bürgerinitiative (BI), an dem auch Gemeinderäte und Bürgermeister Andreas Metz teilnahmen, wurde ziemlich schnell klar: Die Planer werden es niemals allen recht machen können.
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Sie müssen im Entwurf möglichst viele Risiken und Konflikte in Bezug auf Verkehr und Umwelteingriffe abwägen und umkurven, trotzdem einen attraktiven Radweg bauen und sich zur Not auch mal durchsetzen. So kommt’s, dass die Route entlang der nördlichen Seite des Neckarkanals von Feudenheim her in Richtung Ladenburg verlaufen soll – und nicht durch die viel befahrene Feudenheimer Straße, die zudem auch noch Landesstraße ist.
Diese führt mitten durch den Teil der Inselgemeinde, der quasi auf dem nördlichen "Festland" liegt. Hier gibt es wenig Platz, viele Ampeln, mindestens eine gefährliche Kreuzung, Parkplätze und in der Goethestraße zudem noch einen Kindergarten und ein Seniorenheim. Das alles spricht nach Ansicht der Planer nicht für konfliktfreies Radfahren. Daher setzen sie auf die Kanal-Route. Diese werde jetzt schon viel genutzt und sei Schulweg nach Ladenburg, sagte RP-Projektleiterin Stephanie Schumann. Außerdem, ergänzte Katrin Zima von der beauftragten Schüßler-Plan Ingenieurgesellschaft, könnten hier die Standards einer Radschnellverbindung – darunter gerade Linie, ausreichende Breite, Trennung von Radfahrern und Fußgängern sowie wenig Begegnung mit anderem Verkehr – besser verwirklicht werden.
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Und doch müssen die Planer auf dem Ilvesheimer Teilstück Kompromisse machen, die exemplarisch sind für den ganzen Radschnellweg. So gibt es Stellen, an denen sich Radler und Fußgänger den Weg teilen müssen. Die Hebel- und die Stettiner Straße müssen als Fahrradstraßen mit Tempo 30 ausgewiesen werden, in denen sich Autos, Fahrräder und Fußgänger den Platz zu teilen haben. Bei der Hebelstraße gibt es zudem eine Unterführung als schmales Nadelöhr. Am "Blindenbad", einer Ausbuchtung des Neckarkanals, die einst als Freibad der Blindenschule genutzt wurde, muss die Feuerwehr die Trasse queren, um ihre Boote zu Wasser lassen zu können. An manchen Stellen entfallen zudem Parkplätze ersatzlos, und auch der eine oder andere Baum und Busch wird für den Radschnellweg weichen müssen, was besonders Grünen-Gemeinderätin Sarah Nick-Toma später kritisch hinterfragte.
Dagegen würde die Trasse auf Höhe der Berliner Straße, an der "Promenade", besonders hübsch. Der Fußweg würde etwas tiefer, direkt am Neckarkanal verlegt, abgestützt in der Böschung von Steinkörben und Sitzgelegenheiten. Darüber würde ein Grünstreifen als Trennung zum Radweg angelegt – alles zusammen auf einer Breite von 7,44 Metern. Genau an diesem Teilstück wohnt Claudius Karch.
"Ich bin sprachlos", sagte der Ilvesheimer in der Fragerunde nach der Präsentation. "Was ist mit den betroffenen Anwohnern? Warum der Vollausbau gerade an der Promenade? Wem bringen die Sitzgelegenheiten was? Ich dachte, wir wollen einen Radweg bauen. Außerdem kann ich Ihnen sagen, wie schnell Rennräder und Pedelecs fahren." Auch die geplante, an die Lichtverhältnisse angepasste Beleuchtung störte ihn: "Wenn ich abends im Garten sitze, und alle paar Minuten geht das Licht an, stelle ich mir das nicht schön vor." Ihm sei "schnuppe", dass es nur für bestimmte Standards Fördergelder gebe. Und schließlich sei man schon vor 30 Jahren mit dem Rad nach Feudenheim gekommen. Auch ohne Radschnellweg. Wenn schon, müsse dieser auf einer weiter nördlich gelegenen Trasse, oberhalb der Feudenheimer Straße, angelegt werden: "Hier ist schon alles vorhanden." Er war nicht der einzige der gut 30 zugeschalteten Teilnehmer, der das alles so sah. Zima sagte zu Karch, sein Garten werde sicher nicht beleuchtet, und man rechne mit drei bis vier Radfahrern pro Minute in Spitzenzeiten von 7 bis 9 Uhr und 16 bis 17 Uhr. "Wenn hier keiner fährt, brauche ich auch keinen vier Meter breiten Radweg", erwiderte Karch.
Eine Teilnehmerin meinte noch, man könne an der Promenade doch wenigstens den Radweg an den Neckar verlegen und die Fußgänger oben an der Wohnbebauung entlangführen, um beim Queren die Risiken zu minimieren. "Sie werden nicht sofort von Radfahrern überfahren", konterte Baudirektor Axel Speer, Leiter des RP-Straßenplanungsreferats. Außerdem sorge der Fußweg direkt am Wasser für eine Aufwertung des Neckarkanals. Auch ein Anwohner des "Blindenbads" schaltete sich ein: "Was Sie uns hier verkaufen wollen, stimmt so alles nicht." Schüler würden andere Wege nehmen, außerdem könne es zu Konflikten mit Fußgängern kommen: "Ich habe nichts gegen Radfahrer, aber gegen Radrennfahrer." Wo sei überdies angesichts der Baumverluste die grüne Politik des Landes, wollte er wissen. "Und was soll das alles kosten?". Nach Schätzungen sind es rund 300.000 Euro pro Kilometer, je nach Ausführung.
Am Ende konnten sicher nicht alle Fragen beantwortet werden. Das wusste auch Bürgermeister Metz. Er war aber froh, dass das RP jetzt seine Sicht der Dinge darstellen konnte – zumal Corona einen Termin vor Ort im September verhindert hatte. Außerdem hat die BI seit ihrer Gründung im vergangenen Jahr wohl mächtig Druck gemacht im Ort.
"Eine Abwägung der Interessen ist immer nötig", sagte Metz. "Woanders, etwa in der Goethestraße, hätte es auch Betroffenheit gegeben. Und höheres Konfliktpotenzial. Wir werden mit der Planung nicht alle glücklich machen." Recht hatte er, der Bürgermeister.