Erst über den Neckar und dann über den Rhein?
Projektleiterin der Mannheimer Buga-Seilbahn bringt Nachnutzungen in der Region ins Spiel - Bislang stießen solche Pläne auf Skepsis

Von Alexander Albrecht
Mannheim. Sie ist rund 20 km/h schnell, steht auf zehn Stützen und schwebt in 40 Metern Höhe fast geräuschlos mehr als zwei Kilometer über Mannheim hinweg: die Seilbahn der Bundesgartenschau 2023. Projektleiterin Nadine Haas (28) vom österreichischen Weltmarktführer Doppelmayr hat die Pläne jetzt vorgestellt. Und gleichzeitig ins Spiel gebracht, dass das spektakuläre Transportmittel auch nach dem Großereignis in der Region zum Einsatz kommen könnte.
"Es lohnt sich, das genauer zu untersuchen", sagt die Maschinenbau-Ingenieurin bei einem Online-Vortrag. Als Beispiel nennt Haas die Stadt Koblenz. Die Seilbahn hat während der Buga 2011 sechs Millionen Fahrgäste befördert – und kam so gut an, dass sie zur Dauerlösung wurde. Die Gondeln verbinden über den Rhein das Deutsche Eck mit der Festung Ehrenbreitstein. "Busse würden für die Strecke 25 Minuten brauchen, die Seilbahn schafft’s in vier", erklärt Haas.

Dieses Argument hat auch in Mannheim gezogen, dort gibt es wie in Koblenz ebenfalls zwei Austragungsorte: das ehemalige US-Militärgelände Spinelli bei Feudenheim/Käfertal und den Luisenpark. Die Bahn soll unter anderem den Neckar, die Maulbeerinsel und die Feudenheimer Au überfliegen, die Fahrzeit beträgt voraussichtlich sieben Minuten.
Viele Besucher der letzten Mannheimer Bundesgartenschau vor rund 45 Jahren erinnern sich noch gerne an die Schwebebahn zwischen Luisen- und Herzogenriedpark. Damals schon sprach man vom "Verkehrsmittel der Zukunft", doch hielt die Gesellschaft trotz überstandener Ölkrise am Auto fest.
Auch interessant
In Zeiten des Klimawandels sind umweltschonende Transportmittel mehr denn je gefragt. Während die Seilbahn in Deutschland im urbanen Raum noch ein Schattendasein fristet, ergänzt sie in anderen Ländern wie der Schweiz oder Frankreich punktuell den öffentlichen Nahverkehr.
Im bolivianischen La Paz wird sogar ein 30 Kilometer langes Streckennetz mit Doppelmayr-Gondeln betrieben. Insgesamt hat das Unternehmen mit Hauptsitz in Vorarlberg und 3000 Mitarbeitern weltweit bereits 15.000 Seilbahnen in 95 Ländern rund um den Globus installiert. Die Ökobilanz kann sich sehen lassen. "Seilbahnen verursachen deutlich weniger Schadstoffe, da das Antriebswerk in der Station auf dem Boden bleibt. Bei einer Fahrt mit voller Beladung über einen Kilometer verbraucht sie so viel Strom wie zehn Minuten Föhnen", sagt Haas. Der "ökologische Fußbabdruck" liege in La Paz bei einem Viertel einer Straßenbahn und bei nur einem Fünftel von Bussen. Zudem wollen die Mannheimer Buga-Organisatoren die Verbindung mit "grünem Strom" betreiben. "Die Menschen wissen es zu schätzen, ohne Staus und Stress sicher und bequem zum Ziel zu kommen", sagt Haas. Bei der Mannheimer Buga kommen 65 gebrauchte Kabinen zum Einsatz. Die Gondeln des Typs Omega fahren bereits bei der Gartenbau-Weltausstellung "Floriade Expo" vom 14. April bis 9. Oktober 2022 im niederländischen Almere.
Voraussichtlich im Frühjahr desselben Jahres werden in der Quadratestadt die Stützen für die Seilbahn gebaut und aufgestellt. Fünf davon sind in der Feudenheimer Au vorgesehen. Wobei Haas verspricht, dass auf die Brutzeit der Vögel in dem Landschaftsschutzgebiet Rücksicht genommen werde. Die Arbeiten dauern vermutlich ein Jahr, der Zeitplan sei also "recht eng", wie die Ingenieurin sagt. Die Kosten beziffert die Firma Doppelmayr auf acht Millionen Euro.
Die beiden Seilbahn-Stationen auf Spinelli – das ist die größere mit dem Antriebswerk – und dem Luisenpark (Freizeitwiese am Teehaus) sind laut der Projektleiterin über Treppen oder barrierefrei über Rampen erreichbar. Die Kabinen fahren mit stark gedrosseltem Tempo im Halbminutentakt ein. Ein- und Ausstiege befinden sich an verschiedenen Stellen. "Durch die Einbahnstraßenregelung können längere Wartezeiten verhindert werden", so Haas.
Die Gondeln seien ausreichend beleuchtet, mit einer Klimaanlage, Wlan und Videoüberwachung ausgestattet. "Und sie bieten genug Platz, damit Rollstuhlfahrer wenden können", erklärt die Projektleiterin. Insgesamt 2800 Menschen werden sie pro Stunde und Richtung bei der Buga befördern. Im Januar nächsten Jahres sollen die Unterlagen für das Planfeststellungsverfahren beim Regierungspräsidium Karlsruhe eingehen. Die Buga-Gesellschaft leiht lediglich die Seilbahn und bezahlt eine Pauschale für die Beförderungsleistung.
Aufgrund der Verkehrsprobleme zwischen Mannheim und Ludwigshafen wird der Ruf nach einer dritten Rheinquerung in der Region wieder laut. Eine Seilbahn hätte durchaus Charme, zumal eine Brücke technisch und finanziell kaum vorstellbar ist. Allerdings hatte der Verkehrsverbund Rhein-Neckar (VRN) 2016 dazu bereits ein Gutachten in Auftrag gegeben. Danach würde eine in den Nahverkehr integrierte Personenseilbahn im Wesentlichen zu Fahrgastverlagerungen innerhalb der öffentlichen Verkehrsträger führen.
Vielleicht ist das Transportmittel dafür woanders denkbar. Seilbahnen werden derzeit zur Anbindung an das Hambacher Schloss und ins Neuenheimer Feld in Heidelberg geprüft. Beide Projekte sind jedoch nicht unumstritten. "Die größten Probleme gibt es in der Planungsphase durch Widerstände innerhalb der Bevölkerung", weiß Haas. Wenn die Seilbahn aber erstmal fahre, steige auch die Akzeptanz.



