In Feudenheim wächst die Zukunft der Stadt
Hier treffen Tradition und moderne Stadtentwicklung aufeinander. Das bietet Konfliktpotenzial.

Von Marco Partner
Mannheim. Es ist fast schon ein Politikum. Wenn es um die großen Themen der Stadt geht, kommt man mittlerweile an Feudenheim gar nicht mehr vorbei. Radschnellweg, Umwandlung der US-Kasernen, Grünzug Nord-Ost und natürlich die Bundesgartenschau (Buga) 2023: Blickt man in Mannheims Zukunft, schaut derzeit alles auch ein wenig auf den Stadtteil. Zweifelsohne wächst der von Wiesen und Feldern vom Zentrum getrennte Stadtteil zumindest entwicklungspolitisch immer mehr an die City heran. Feudenheim gehört zu den Stadtteilen, die schon viele Jahrhunderte vor der Stadtgründung existierten und wird 766 im Lorscher Codex erwähnt.
Es ist ein autarkes Viertel, das ein wenig an so manche Londoner Suburbs erinnert. Die Straßenbahn tingelt die Hauptstraße entlang, vorbei an individuellen Läden: Cafés, mehrere Obstläden und Bäckereien, Schreibwarenhändler und Schuhgeschäft. Eine richtige kleine Einkaufsmeile gibt es – mit Kleiderboutiquen, Spielzeugladen, Buchhandlung und heimischem Metzger, der sonst in vielen Vierteln verschwunden ist. Das seit 1632 existierenden Gasthaus zum Ochsen ist Mannheims ältestes Restaurant. Neben Optiker und Hörakustiker haben sich in den letzten Jahren ein Barbier und ein CBD-Hanf-Shop hinzugesellt. Tradition wird durch neue Einflüsse herausgeputzt.

"Es gibt viele Nischengeschäfte und kaum Franchise. Vom Ladensterben ist der Stadtteil kaum betroffen. Wenn ein Geschäft verschwindet, macht schnell ein Neues auf", sagt Jochen Stien. Der Bezirksbeiratssprecher der Grünen lebt seit 2011 in Feudenheim. Als der ältere Sohn vor der Einschulung stand, habe man etwas gesucht, um sesshaft zu werden. "Feudenheim stand ganz oben auf der Liste", erklärt der Psychotherapeut, "es ist familienfreundlich, die Grundschule liegt im Zentrum und ist leicht und sicher zu erreichen."
Hintergrund
> Fläche: 6,1 Km2
> Einwohner: 14.688
> Einwohner pro Km2: 2421
> Altersschnitt: 45,9
> Migration: 25,2
> Fläche: 6,1 Km2
> Einwohner: 14.688
> Einwohner pro Km2: 2421
> Altersschnitt: 45,9
> Migration: 25,2
Jedes Jahr rund 125 neue Schüler zählt die fünfzügige Brüder-Grimm-Schule. Mit der Feudenheim-Schule gibt es zudem noch eine von wenig verbliebenen Realschulen mit Gymnasiumzweig. Einer der Gründe, warum der fast 15.000 Einwohner zählende Stadtteil bei jungen Familien immer beliebter wird. "Es gibt belebte Spielplätze, volle Kindergärten und viele Trampoline in den Gärten", weiß Stien. Dementsprechend treibt es aber auch die Preise nach oben.
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Die Wohnqualität reicht von schicken Einfamilienhäusern bis zu den Sozialbauten im Aubuckel. In den 1960er-Jahren galten sie noch als Vorzeigeprojekt. Mit der zwischen Käfertal und Feudenheim gelegenen Spinelli-Konversionsfläche soll der Stadtteil weiter wachsen. "Es gibt viele Ideen, mit Wohngebiet, Altenheim, Sport- und Kulturanlage. Dort liegt aber auch der Grünzug Nord-Ost, die Frischluftschneise für die Innenstadt. Diese Großprojekte bergen Chancen und Risiken", so Stien.
Die Zukunft Feudenheims liegt auf der grünen Wiese, das Herz und die Geschichte aber schlägt im Zentrum. Am Rathausplatz grüßen die in Bronze gegossenen Feudenheimer Originale "Vetter Schorsch" und "Baas Kathrine" vom Lallehaag, dem Lattenzaun. Ein Symbol für das dörfliche Leben und gelebte Ratsch- und Tratsch-Kommunikation.
Das Vereinsleben reicht von Sport über Karnevalsverein bis zu Chören. Die Bürgergemeinschaft betreibt eine Kulturhalle, und die Kerwe genießt ein hohes Ansehen. "Sie ist traditionell die letzte in Mannheim, aber lustigerweise immer mit gutem Wetter gesegnet", sagt Jochen Stien.
Mit dem Olympiastützpunkt in Sichtweite zählen streng genommen auch der Hockeyclub und der Tennisclub Grün-Weiß mit Ex-Tennis-Ass Thommy Haas zu Feudenheim. Die Natur lockt mit den Auen, der Maulbeerinsel sowie dem Bürgerpark, den man sich mit Vogelstang und Wallstadt teilt.
Und bald kommt ja die Buga als blühende Perspektive hinzu. "Für Jugendliche jedoch gibt es außer den Sportvereinen wenig Angebote", findet der Grünen-Sprecher. Gerade der Platz an der Haltestelle der Straßenbahn unweit des Gymnasiums könnte sich als offizieller Jugendtreff erweisen. "Es wäre ein legaler Treffpunkt, wo sie abhängen und chillen können, ohne unbedingt in die Quadrate zu fahren."
Zu einer der Problemzonen Feudenheims zählt nämlich die Infrastruktur. Die Straßenbahn fährt nicht zum Hauptbahnhof, daran wird auch die Buga nichts ändern. Der geplante Radschnellweg gen Heidelberg sorgt zudem für hitzige Diskussionen in der Bevölkerung, da die Trasse Schulkinder gefährden könnte.
Über den Neckarradweg pendeln viele Berufstätige jetzt schon zum Universitätsklinikum und weiter in die Stadt. Innerorts ist es mit dem Radeln jedoch so eine Sache. "Gerade die Bahnlinie mit ihren Rillen ist gefährlich", betont Stien. Nicht nur deshalb holt der Grünen-Politiker trotz seiner Liebe zur Umwelt anreisende Freunde und Verwandte vom Hauptbahnhof mit dem Auto ab. "Wenn wir dann an der Klinik vorbeifahren, denken viele, sie wären schon aus der Stadt raus."
Genau das sei einer der Vorzüge des 1910 eingemeindeten Vororts: "Man ist raus aus der Stadt und doch nahe dran. Feudenheim ist immer noch dörflich im positiven Sinn. Es ist ruhig und grün, und doch ist man in gut 20 Minuten im Zentrum. Das hat Charme." Aber auch zunehmend seinen Preis. Zu einem Wahrzeichen Feudenheims zählt auch der Wasserturm. Der in den 1970er-Jahren zu einer 300 Quadratmeter großen Wohnung umgewandelte Turm sucht derzeit einen neuen Bewohner. Die Kaltmiete beträgt stolze 2900 Euro.



