Geothermieprojekt Oberrheingraben

Neue Pläne, alte Sorgen

MVV und EnBW wollen das Geothermieprojekt auf den Weg bringen. Eine Bürgerinitiative befürchtet, dass dies Erdbeben verursachen könnte.

19.10.2020 UPDATE: 20.10.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 34 Sekunden
Rohrkrepierer: Das Geothermiekraftwerk in Brühl ist am Widerstand der Bürger und der Pleite des Betreibers gescheitert. Ob die Konzerne MVV und EnBW das Bohrloch nutzen können, steht noch nicht fest. Foto: Lenhardt

Von Alexander Albrecht

Brühl/Schwetzingen. Uwe Rötges ist in Habachtstellung. Der Vorsitzende der Bürgerinitiative (BI) Geothermie Brühl/Ketsch verfolgt mit Sorge die Pläne der Energiekonzerne MVV und EnBW, die für ein mögliches Erdwärmeprojekt ein knapp 270 Quadratkilometer großes Gebiet im Oberrheingraben erkunden wollen. Es reicht rechtsrheinisch vom Mannheimer Süden bis Reilingen. Tangiert sind auch Teile von Heidelberg, Brühl, Edingen-Neckarhausen, Eppelheim, Hockenheim, Ketsch, Ladenburg, Oftersheim, Plankstadt, Sandhausen, Schwetzingen, Altlußheim und Neulußheim. Inzwischen hat das Landesbergamt in Freiburg den Energieversorgern eine entsprechende Konzession erteilt.

"Wir schauen nach wie vor sehr skeptisch auf die Tiefengeothermie. Bis heute hat es keiner geschafft, ein Kraftwerk wirtschaftlich und nachhaltig im Oberrheingraben zu betreiben, und die Gefahren sind immer noch die gleichen", sagt Rötges. Nur noch eine Brache mit einem großen Bohrloch erinnert in der Gemeinde Brühl an ein hochambitioniertes Projekt – das vor 16 Jahren startete, mehr als 16 Millionen Euro verschlang, auf großen Widerstand der Bürger stieß und schließlich an der Insolvenz des Betreibers scheiterte.

Die Firma Geoenergy wollte mit einer Geothermieanlage heißes Wasser aus der Tiefe nach oben befördern, um über einen Generator umweltfreundlich Strom und Wärme zu erzeugen. Danach sollte es wieder in den Untergrund gebracht werden. Das Ziel: ein Kraftwerk, das mehr als 30 Jahre lang bis zu acht Megawatt Energie für 12.500 Vier-Personen-Haushalte produziert.

Eine erste, 3800 Meter tiefe Bohrung im Jahr 2013 verlief erfolgversprechend, ebenso Tests in Bezug auf Druck und Temperatur des Wassers. Doch inzwischen hatte sich in Brühl und im ebenfalls betroffenen Ketsch die Stimmung gedreht, eine Bürgerinitiative gegen die Anlage gründete sich. Der Grund dafür waren Erdstöße bei Projekten in Landau und vor allem in Staufen, wo viele Gebäude enorme Schäden nahmen.

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Der anfangs noch fast euphorische Brühler Gemeinderat stellte sich mehrheitlich gegen das von Bürgermeister Ralf Göck (SPD) verteidigte Kraftwerk, das Landratsamt kassierte den entsprechenden Beschluss aber wieder. Geoenergy ging allerdings Pleite. Eine gerichtliche Entscheidung, ob die Kommune Geld an den Insolvenzverwalter zahlen muss, steht noch aus.

Jetzt also ein neuer Anlauf: Nach Ende der Klagefrist muss das Landesbergamt unter Beteiligung sämtlicher Kommunen und Fachämter noch über die Erteilung einer bergrechtlichen Erlaubnis entscheiden. "Damit ist frühestens bis Ende des Jahres zu rechnen", sagt MVV-Sprecher Roland Kress auf RNZ-Anfrage. Erst dann dürfe mit den geologischen Untersuchungen begonnen werden. "Das sind aber noch keine Bohrungen", erklärt Kress.

Die MVV betreibt bereits ein Fernwärmenetz, das sich mit Teilen des Versuchsfelds deckt. Die Energie stammt bislang komplett vom Mannheimer Kohlekraftwerk. Die Erdwärme soll in das bestehende Netz eingespeist und so für die Region und ihre Bewohner nutzbar gemacht werden, sagt Georgios Stamatelopoulos, der Leiter des Betriebs Erzeugung bei der EnBW. Die Technologie leiste einen wesentlichen Beitrag zur "Dekarbonisierung", also weitgehend kohlestofffreien Fernwärme.

Wenn das Bergamt grünes Licht erteilt hat, geologische Untersuchungen und Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen abgeschlossen worden sind, würden die Genehmigungsanträge für die notwendigen (Probe-)Bohrungen gestellt, erklärt EnBW-Projektleiter Stefan Ertle. An diesem Punkt könnte das Brühler Bohrloch wieder ins Spiel kommen. "Dafür müssen jedoch die rechtlichen und technischen Rahmenbedingungen dort und an allen anderen möglichen Standorten geklärt sein", sagt Kress.

Rötges erinnert daran, dass das Bohrloch nach Angaben des früheren Betreibers Geoenergy einen Wert von mehreren Millionen Euro hat. "Diesen Wert wird auch eine MVV nicht einfach ignorieren und deshalb sind wir durchaus besorgt, dass der Standort wiederbelebt wird", so der BI-Chef. Tiefengeothermie funktioniere nicht ohne hydraulische Simulationen. "Das bedeutet, dass es speziell im ohnehin tektonisch aktiven Oberrheingraben zu Erdbeben führen wird" ist Rötges überzeugt.

Ein Desaster wie bei Geoenergy wollen EnBW und MVV unbedingt vermeiden. Die Unternehmen kündigen einen "frühzeitigen und transparenten Dialog" mit allen Beteiligten und der Öffentlichkeit an. Dabei stünden Transparenz, Bürgerbeteiligung und Akzeptanz im Vordergrund. "Wir wollen eine Lösung aus der Region für die Region erarbeiten. Voraussetzung ist für uns dabei ein gemeinsamer Wille und ein gemeinsames Ziel mit den beteiligten Kommunen", heißt es in einer Pressemitteilung.

"Diese Aussagen kennen wir nur allzu gut", kontert Rötges, es ändere allerdings nicht an der Situation. "Wir lehnen das Projekt weiter ab."

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