"Wir brauchen ein Wunder"

Heidelberger Hotels in der Krise - Aufatmen nur in der Altstadt

Die Pandemie trifft die Gasthäuser massiv - In der Altstadt geht es langsam wieder aufwärts - Mittlerweile kommen vor allem Deutsche

03.08.2020 UPDATE: 04.08.2020 06:00 Uhr 3 Minuten, 4 Sekunden
Es sind wieder Touristen in der Altstadt unterwegs – etwa in den und rund um die Hotels an der Alten Brücke. Die Übernachtungszahlen steigen langsam – sind jedoch noch immer weit von denen aus dem Vorjahr entfernt. Foto: Philipp Rothe

Von Sarah Hinney und Denis Schnur

Heidelberg. Die Wanderschuhe sind geschnürt, der Rucksack ist geschultert, der Blick auf den Stadtplan gerichtet – am Mittwochmorgen sind am Marktplatz schon zahlreiche Touristen unterwegs. Eines haben dort alle gemeinsam – sie sprechen Deutsch. Auch ein Ehepaar aus Krefeld frühstückt ganz gemütlich. Zwei Tage lang waren die beiden für einen Kurzurlaub in der Stadt – in einem Hotel direkt an der alten Brücke. Die beiden sind genau jene Touristen, die den Hoteliers in der Innenstadt wieder langsam die Häuser füllen. Wie gewohnt ist die Auftragslage allerdings noch nicht – und es ist zu befürchten, dass das große Crowne Plaza nicht das einzige Hotel ist, das die Krise nicht überlebt.

Denn obwohl wieder Touristen in der Stadt sind, fehlen noch immer die Gäste aus dem ferneren Ausland, aus den USA oder Asien. "Dafür kommen viele Reisende aus Deutschland und den direkten Nachbarländern", berichtet Jürgen Merz, Inhaber der Kulturbrauerei, des Wirtshaus "Zum Seppl" und des Hotels und Restaurants "Weißer Bock".

Als ihn Anfang März eine Stornierung nach der anderen erreichte, war die Situation prekär. "Unsere Auftragsbücher waren voll, und dann kam der Lockdown. Da gab es große Ängste, auch bei unseren 70 Mitarbeitern." Merz ist trotzdem voll des Lobes: "Ein großes Kompliment an die Politik und auch an den Dehoga." Alle hätten schnell und unkompliziert geholfen. Die Mehrwertsteuersenkung sei eine große Hilfe, auch dass die Stadt die Außenbewirtschaftung erweitert hat, findet Merz gut und ist vorsichtig optimistisch: "Es geht langsam voran, aber ein zweiter Lockdown wäre natürlich brutal."

Auch für Madeline Jenny Koch ist seit Juni das Gröbste überstanden. "Es wird besser", sagt die Inhaberin des Hotels "Heidelberger Hof" in der Plöck. Im Juli komme sie auf eine Auslastung von 60 bis 65 Prozent. "Das ist natürlich nicht zu vergleichen mit den Vorjahren, wo es über 90 Prozent waren." Aber eine Insolvenz drohe nicht, wenn es so bleibt. "Wir arbeiten fast wieder im Normalbetrieb ohne Kurzarbeit. Das können wir stemmen", sagt sie.

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Schließlich habe man früh die Kosten gesenkt – etwa die Tiefgaragenstellplätze gekündigt. "Nur Investitionen kann ich erst mal keine tätigen." Dass ihr Hotel mittlerweile wieder halbwegs besucht wird, hat sie ebenfalls vor allem deutschen Touristen zu verdanken. "Aus dem Inland kommen deutlich mehr Menschen als in den Vorjahren." Daneben seien es viele Dänen, aber auch Belgier, Niederländer, Österreicher, Schweizer und einige Franzosen. Geschäftsreisende – sonst ein großer Teil der Gäste – kommen dagegen kaum.

Hotelbesitzer in der Innenstadt können also vorsichtig aufatmen, aber nicht überall in Heidelberg sieht es gut aus. Beate Reese führt das "Hotel Rose" in Rohrbach in der vierten Generation und eigentlich möchte sie im kommenden Jahr das 100-jährige Jubiläum feiern. Nun droht stattdessen die Schließung: "Wir haben einen Einbruch von über 70 Prozent. Wir brauchen dringend Hilfe – eigentlich brauchen wir ein Wunder."

Normalerweise kämen zahlreiche Übernachtungsgäste, die Seminare in der Thoraxklinik oder Patienten dort besuchen. Aber für Corona-Bedingungen seien die Seminarräume zu klein, und Reese fehlen genau diese Gäste. "Ich arbeite sieben Tage in der Woche, weil ich das Personal nicht mehr bezahlen kann. Neulich bin ich für einen einzigen Gast gekommen, um ihm Frühstück zu machen. Davon kann ich nicht leben." 18 Zimmer hat das Hotel, 11.000 Euro Fixkosten fallen im Monat an. Die 9000 Euro Soforthilfe waren ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Auch Melanie von Görtz, Geschäftsführerin des Hotel- und Gaststättenverbandes Heidelberg (Dehoga), sieht die Situation kritisch: "Die wirtschaftliche Lage in der Branche ist nach wie vor sehr ernst." Sie bestätigt, was Reese gerade widerfährt. "Die Einschränkungen im Veranstaltungsbereich sorgen für erhebliche Umsatzverluste im Bereich der Geschäftsreise- und Tagungshotellerie." Die Menschen seien stark verunsichert, das Tagungs- und Veranstaltungsgeschäft fast komplett weggebrochen.

"Wir müssen davon ausgehen, dass in den nächsten Monaten auch in Heidelberg und im Umland Betriebe schließen müssen", befürchtet von Görtz – das Crowne Plaza könnte nur der Anfang gewesen sein. Die Hilfsprogramme von Land und Bund seien jedoch positiv zu bewerten. "Wir verbinden damit die Hoffnung, dass die Welle der krisenbedingten Schließungen kleiner wird als befürchtet." Prognosen will sie aber keine abgeben.

Für Reese war es schon vor Corona nicht einfach: "Ich mache der Stadt den großen Vorwurf, dass sie so viele Kettenhotels zugelassen hat, die ihre Zimmer zu Dumpingpreisen anbieten. Die machen die Traditionshotels kaputt." Darüber hinaus – findet sie – sei Heidelberg als Urlaubsort nicht sonderlich attraktiv, jedenfalls nicht, um länger als ein Wochenende zu bleiben. Sie wünscht sich jetzt von der Stadt eine große Werbekampagne, um den Tourismus anzukurbeln. "Die Stadt muss Pakete schnüren, damit es für die Leute attraktiv wird, länger zu bleiben. Man kann hier schließlich auch in der Umgebung so viel entdecken." Dann wäre vielleicht auch das Ehepaar aus Krefeld länger als zwei Tage geblieben.

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