"Wo sollen wir sonst hin?"
Gegner der Corona-Maßnahmen protestierten im Schlosspark und wehrten sich gegen Verbotsforderungen

Von Philipp Weber
Weinheim. Rund eineinhalb Stunden lang haben Gegner der Corona-Maßnahmen am Sonntag im Schlosspark demonstriert. Nach Veranstalterangaben waren zunächst rund 50 Demonstranten mit Schildern vom Dürreplatz aus zum Park gezogen, wo sie auf dem unteren Teil der großen Wiese Platz nahmen. Einer der Organisatoren und Ordner sprach hier von 80 Teilnehmern, tatsächlich waren es weniger.
Der harte Kern und die Anhänger von "Querdenken 6201 Weinheim" treffen sich seit Juni zu Protestaktionen in der Stadt. Zunächst zog man vom Schlosspark auf den Dürreplatz. Als die Zahl der Teilnehmenden stieg, drehten die "Querdenker" die Laufrichtung kurzerhand um, sodass die Kundgebungen jetzt im Park enden. Kennengelernt haben sich die Protestierenden zum Teil schon vorher, auf anderen Demonstrationen in umliegenden Großstädten, in erster Linie in Darmstadt.
Gefordert werden unter anderem eine "Wiederherstellung der Grundrechte", das sofortige Ende der Corona-Maßnahmen, die augenblickliche Aufhebung der Maskenpflicht – und ein unabhängiger Untersuchungsausschuss. Nicht zu vergessen: Neuwahlen, bereits diesen Oktober. Die Veranstalter distanzieren sich von weiteren politischen Inhalten. Er und seine Mitstreiter stünden für "Frieden, Freiheit und Wahrheit", so der Moderator. Er könne es weder prinzipiell noch organisatorisch nachvollziehen, dass in den politischen Gremien Weinheims in Erwägung gezogen wird, die Aktionen von "Querdenken" im Park zu unterbinden. Wo die Teilnehmenden mit ihrem Grundrecht auf öffentlichen Protest denn sonst hinsollten, frage er sich: Die Kritik an den Corona-Maßnahmen wachse, zuletzt seien dreistellige Teilnehmerzahlen gezählt worden, sagte er gegenüber der RNZ.
So viele Menschen – so seine Darstellung – hätten auf dem Dürreplatz nicht den Raum, um die Abstandsregeln einzuhalten. Das Mikro habe man leiser gestellt. Und sollte es je zu laut gewesen sein, hätte er das gern von den Beschwerdeführern persönlich gehört. An die Auflagen hielten sich die Protestierenden übrigens, wie auch zwei Polizeibeamte beobachteten: Sogar ein kleines Kind, das von einer Besuchergruppe zur anderen rannte, wurde zurückgezogen.
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Ob ein Park der richtige Ort für Protestaktionen mit langen Reden ist? Wer das Geschehen abseits der Kundgebung beobachtete, musste an dieser Stelle nicht gleich mit den Anliegern argumentieren: So ein Stadtpark bietet Menschen, die im Rollstuhl sitzen, an Krücken gehen oder ein weit fortgeschrittenes Alter erreicht haben, ein Stück Frieden und Natur – ohne Barrieren. Ein Mann, der eine Angehörige im Rollstuhl vor sich herschob, drehte beim Anblick der Demo gleich wieder um.
Andere Passanten blieben lang genug, um mit der RNZ ins Gespräch zu kommen. Ein älterer Herr erinnerte an die Grundsätze des Römischen Rechts: In diesem Fall müsse der Reporter alle Beteiligten anhören, ehe er sich ein Urteil bildet ("audiatur et altera pars"). Ein anderer Parkbesucher hätte den Schreiber am liebsten nach Hause geschickt. "Denen soll man keine Aufmerksamkeit schenken", forderte er mit einem argwöhnischen Blick gen Demo: "Wenn sich alle so verhalten würden, lebten wir noch im Lockdown."
Auch die anderen Besucher reagierten – wenn überhaupt – verschieden: Alt-OB Heiner Bernhard und seine Ehefrau Gudrun flanierten vorbei, ohne ihr Tempo zu verlangsamen. Der frühere Wirtschaftsförderer Manfred Müller-Jehle machte aus seiner Abneigung gegenüber den "Querdenkern" dagegen kein Geheimnis. Als es um eine mögliche Untersagung von deren Aktionen ging, applaudierten er und seine Freunde lautstark. Ein jüngerer Mann aus dieser Gruppe blieb länger. Er diskutierte angeregt mit einer Frau, die zuvor zwischen den Demonstranten herumgelaufen war und auf ihn zukam. Auch kein schlechter Weg.